Wie es mit dem Nationalen Wasserstoffrat und H2 weitergehen könnte
Berlin (energate) - Wie genau sich die neue Bundesregierung zu Wasserstoff positionieren wird, ist noch ungeklärt. Auch für den Nationalen Wasserstoffrat, ein unabhängiges Beratungsgremium, hat sich mit dem Antritt der neuen Regierung einiges geändert. Die ehemals Vorsitzende, Katherina Reiche (CDU), ist Bundeswirtschaftsministerin geworden. Kommissarischer Vorsitzender ist nun Felix Matthes, hauptberuflich Forschungskoordinator für Energie- und Klimapolitik am Öko-Institut. "Über die Aktualisierung der Wasserstoffstrategie und auch die Zukunft des Wasserstoffrats muss sich die Regierung nun erst finden", sagte Matthes im Interview mit energate.
Wie alle 26 Mitglieder des Rats berät er die Bundesregierung ehrenamtlich. Momentan ist der Rat aber nicht vollständig. Die Regierung werde entscheiden müssen, wie die Besetzung des Gremiums zukünftig aussehen soll, erklärte Matthes. Diese beruft per Kabinettsbeschluss die Mitglieder. Die Agenda bestimmt das Gremium laut Matthes jedoch selbst. "Bei den Sitzungen bitten uns Vertreter der Ministerien, bei bestimmten Themen zur Meinungsbildung beizutragen. Wir entscheiden aber auch eigenständig, Stellungnahmen zu veröffentlichen", so der kommissarische Vorsitzende. "Manchmal ist die Bundesregierung glücklich damit und manchmal nicht." Der Nationale Wasserstoffrat sei aber auch ein Ort, an dem auch heikle Diskussionen auf ruhige Art außerhalb der Öffentlichkeit geführt werden könnten. "Ich nenne ihn gern einen denunziationsfreien Raum", so Matthes.
Strategische Debatte fehlt bisher
Seit Antritt der Regierung habe der Rat, an dessen Sitzungen auch Vertreter verschiedener Ministerien sowie Ländervertreter teilnehmen, schon getagt. Bisher wurde allerdings nur das Tagesgeschäft besprochen. Eine strategische Debatte fehle bisher. "Wenn ich das richtig beobachte, ist diese in der Regierung auch noch nicht so weit gediehen", sagte Matthes.
Es gäbe aber eigentlich viel neu zu justieren, findet der Ingenieur, der zudem in Politikwissenschaft promovierte. Nach einer Phase der viel zu hohen Erwartungen in Sachen Wasserstoff sei ein tiefer Fall erfolgt. "Den haben wir aus meiner Sicht gerade hinter uns", so Matthes. Noch im Juni war bekannt geworden, dass der Energiekonzern Leag sein Wasserstoffprojekt am Kraftwerksstandort Boxberg in der Oberlausitz zurückgestellt hat. Auch andere Unternehmen stoppten ihre Wasserstoffprojekte oder stellten sie auf eine niedrigere Stufe. Ende 2024 hatte etwa der Energiekonzern Eon sein gesamtes Geschäftsfeld rund um Wasserstoff depriorisiert.
Matthes glaubt nach wie vor, dass Wasserstoff in der Dekarbonisierung eine große Rolle spielen wird. Nach seinen Erwartungen wird aber nur ein Bruchteil des heutigen Erdgaseinsatzes irgendwann in Form von Wasserstoff im System auftauchen. "Wir werden die Diskussion führen müssen, ob und inwieweit das Kernnetz überdimensioniert ist", so Matthes.
Kein Monopol
Wichtig sei, im Kopf zu behalten, dass zum ersten Mal ein Markt ausgerollt werde für einen Energieträger, für den keine Monopolbedingungen gelten. "Die Märkte für Gas, Strom, Kohle und Öl sind alle unter Monopolbedingungen entstanden", gab der kommissarische Vorsitzende zu bedenken.
Matthes empfiehlt, sich nun auf eine kaufkräftige Nachfrage zu konzentrieren. Es brauche eine "sinnvollere Zertifizierung" und Infrastruktur. "Ich habe die Faustregel: Jede zehn TWh blauen Wasserstoff muss man für die nächsten zehn Jahre mit einer Milliarde Euro pro Jahr unterstützen. Für grünen Wasserstoff sind es 1,5 Mrd." Irgendwer müsse das aufbringen. "Das ist entweder der Staatshaushalt oder es ist der Gaskunde oder man führt irgendeine Mischform ein", so Matthes. Für einen Wasserstoffhochlauf brauche es mehr Geld, als dafür bisher ausgegeben worden sei. Zudem müsse für Preistransparenz gesorgt werden und es müssten Lieferketten entstehen.
Rolle der Kraftwerksstrategie
Welche Rolle Wasserstoff in der Kraftwerksstrategie spielen wird, ist noch nicht deutlich. Reiche hatte zunächst auf schnelle Ausschreibungen für reine Gaskraftwerke gesetzt. An Gaskraftwerken soll außerdem CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) zugelassen werden. Die Debatte um CCS an Gaskraftwerken hält Matthes allerdings für "eine absolute Folklorediskussion". Für den Großteil der Kraftwerke werde CCS keine Rolle spielen. "Der entscheidende Punkt für die Wasserstoffinfrastruktur wird nicht die Wasserstoffmenge sein, sondern das Lastprofil. Wasserstoffnetze werden nach Leistung bemessen und die große Leistungsnachfrage wird aus dem Kraftwerkssektor kommen", erklärte Matthes. Daher seien die Kraftwerksstrategie und der Kapazitätsmarkt "entscheidende Rahmenbedingungen".
Für potenzielle Wasserstoffkraftwerksbetreiber sei zudem auch die Frage der Garantie entscheidend. "Welcher Hersteller gibt mir eigentlich für ein größeres Produktportfolio eine vertragliche Garantie, dass das Kraftwerk zukünftig wirklich auch vollständig mit Wasserstoff betrieben werden kann?", sei eine bestimmende Frage. Zudem müsse deutlich werden, "inwieweit es der Regierung ernst ist mit der Klimaneutralität". Derzeit will die Regierung drei Prozent der Emissionsminderungen durch Projekte im Ausland erlauben. Die Frage sei, wie das weitergehe, gab Matthes zu bedenken. "Wenn das für 2050 15 Prozent werden, braucht man weder mit Wasserstoff noch mit CCS anzufangen." /kij
Das vollständige Interview mit Felix Matthes lesen Sie im Add-on Gas & Wärme.