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"Warum die Offshore-Windenergie einen Neustart braucht"

Berlin (energate) - Die Windenergie auf See ist ein wichtiger Teil der Energiewende. Gleichzeitig stellt der Offshore-Ausbau Mensch und Natur vor immer neue Herausforderungen. Und so stellen immer mehr Akteure Deutschlands Ausbauziele infrage.

 

Ein Gastkommentar von Kim Cornelius Detloff, Leiter Meeresschutz, Naturschutzbund Deutschland

 

Es kam über Nacht, dass das Ausbauziel von 40 GW Offshore-Strom bis 2045 in den Verhandlungen zum Koalitionsvertrag 2021 fast verdoppelt wurde. In 20 Jahren sollen sich auf mehr als einem Viertel der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) in Nord- und Ostsee Windräder mit einer Leistung von mindestens 70 GW drehen. Während immer mehr Studien die großflächigen Lebensraumverluste von Seevögeln oder auch Meeressäugetieren zeigen und modelliert wird, wie sich durch Tausende Turbinen Strömungen, Wasserschichtung und Nahrungsnetze im Meer verändern, setzte die vergangene Bundesregierung das etablierte Planungs- und Genehmigungssystem außer Kraft und zerriss die Abfolge von strategischer Umweltprüfung (SUP), Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und artenschutzrechtlicher Prüfung.

 

Aus dem Verlangen nach Beschleunigung wurde der Abbau von Umweltstandards, ohne relevante Hebel der Digitalisierung oder eine Personaloffensive in den Genehmigungsbehörden zu bedienen. Im Schulterschluss stellten sich Teile der Windenergiebranche und Naturschutzverbände in der Kommentierung der Novelle des Windenergie-auf-See-Gesetzes (WindSeeG) dagegen. Ob mit Erfolg, das wird sich herausstellen.

 

Zu viel, zu dicht, zu teuer

 

In der aktuellen Diskussion zeigen sich Risse zwischen den Akteuren der Offshore-Windenergie. Während die Dachverbände nicht müde werden, mehr Fläche einzufordern, hinterfragen Branchengrößen wie RWE und Eon oder auch der Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz öffentlich das deutsche Ausbauziel. Hintergrund sind die dichte Bebauung und die hohen Kosten. Das Problem: Die Turbinen machen sich durch Wake-Effekte die Windausbeute streitig. Von bis zu 750 Volllaststunden weniger im Windschatten als an exponierten Standorten war in Ausschreibungen zu lesen. Darüber hinaus bleiben der Ausbau und die Netzanbindung der über die deutsche Nordsee verteilten Windparks sehr kostenintensiv, und es ergeben sich zusätzliche Herausforderungen durch den Schutz kritischer Infrastruktur.

 

Am falschen Ort und im Alleingang

 

Ein Grund für den Ausbauplan waren Hindernisse an Land. Es schien so naheliegend, die "Not-in-my-Backyard"-Debatte ins Meer zu verlagern. Nur wurde vergessen, wie begrenzt die verfügbaren Flächen sind und wie schlecht der Zustand unserer Meere ist. Die Windenergie wurde nach dem Raumordnungsplan 2021 dorthin geschoben, wo Platz war und nicht, wo Umweltauswirkungen beherrschbar und die Effizienz der Windausbeute am größten sind. Zu wenig wurde auf kumulative Effekte oder Synergien und Ertragskonkurrenzen mit Nachbarländern geschaut. Aber genau das scheint sich zu ändern. Im frischen Koalitionsvertrag findet sich das Ziel "ertragsoptimierter Flächenkulissen" mit den Nordseeanrainern. Ein wichtiger Schritt zu einer europäischen Klima- und Meerespolitik, die die Nord- und Ostsee als Ökosysteme mit gemeinsamer Verantwortung und weniger als Flickenteppich sektoraler Interessen versteht.

 

Ein lernendes System mit Landschaftsplanung fürs Meer

 

Schauen wir auf die Herausforderungen des Offshore-Ausbaus, dann finden wir ein rechtssicheres Planungs- und Genehmigungssystem, welches im politischen Übereifer sabotiert wurde. Ein Neustart ist möglich: Das im WindSeeG festgeschriebene Ausbauziel muss korrigiert werden und der Zubau stufenweise erfolgen. Unter Anwendung des Ökosystemansatzes sollte die marine Raumordnung fortgeschrieben und die Windenergie so verlagert werden, dass Umweltauswirkungen minimiert und der Ertrag pro Fläche optimiert werden können. Für den notwendigen Ausgleich von Natur- und technischem Klimaschutz sowie weiteren Nutzungsinteressen könnte das Instrument der Landschaftsplanung sorgen. So könnte ein schöner Neustart für das Miteinander von Klima- und Naturschutz auf dem Meer aussehen, genauso wie es Weltklima- und Weltbiodiversitätsrat empfehlen.

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