Stadtwerke Oberursel verschlanken Querverbund
Oberursel (energate) - Deutschlands Kommunalversorger starten von sehr unterschiedlichen Ausgangspositionen in das Multimilliardenvorhaben Infrastrukturtransformation für die Energiewende. Ein Faktor, der diese Aufgabe für zahlreiche Stadtwerke unter Umständen noch deutlich anspruchsvoller macht, ist der sogenannte Querverbund.Die Quersubventionierung zwischen den traditionellen Ertragsbringern Energievertrieb und Netzgeschäft einerseits und Zuschussgeschäften der Daseinsvorsorge wie ÖPNV oder auch Bäderbetrieb andererseits erschwert mitunter Finanzierungsfragen, konstatierte die Geschäftsführerin der Stadtwerke Oberursel, Julia Antoni, im energate-Interview.
"Der Querverbund sorgt dafür, dass mittelgroße Lokalversorger, wie wir hier in der 50.000-Einwohner-Stadt Oberursel im Großraum Frankfurt, vergleichbare Herausforderungen haben wie ein Großkonzern mit einer Holding-Struktur", erklärte Antoni, die seit 2021 die Stadtwerke Oberursel im hessischen Hochtaunuskreis leitet. In den krisenbewegten Zeiten der jüngeren Vergangenheit seien gerade Fragen der Finanzierung besonders anspruchsvoll gewesen, blickte sie zurück. Anders als viele andere Versorger haben die Stadtwerke Oberursel mit der Stadthalle auch einen Kulturbetrieb "auf der Payroll".
Abschied von ÖPNV und Ladesäulen
Um nun, aus der Pandemie und der Energiekrise kommend, ausreichend "personelle und finanzielle Ressourcen für die wichtigen strategischen Transformationsaufgaben zu schaffen", rückte im Strategieblick der Stadtwerke Oberursel abermals der Querverbund in den Fokus. Antoni: "Wir haben wegweisende Entscheidungen getroffen." Konkret lassen die Stadtwerke sehr bald schon weite Teile ihrer Mobilitätssparte hinter sich. Nach dann 40 Jahren geben die Stadtwerke den Stadtbusverkehr ab 2027 auf. Bereits vollzogen ist überdies der Verkauf der hauseigenen, öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur. Dabei bleibt der städtische Busverkehr in öffentlicher Hand, der Verkehrsbetrieb des Hochtaunuskreises übernimmt.
Die Ladesäulen wiederum hat ein E-Mobility-Dienstleister aus der Hotellerie gekauft. Beides stellt für die Stadtwerke Oberursel kein Zukunftsfeld dar, ebenso wenig wie der Betrieb eines Breitbandnetzes. Anders als etwa die Stadtwerke Münster in Westfalen, die im Geschäftsfeld Telekommunikation einen Ersatz für den absehbar auslaufenden Gasnetzbetrieb sehen, haben sich die Stadtwerke Oberursel "bewusst dagegen entschieden", um sich auf Strom-, Wärme- und Wasserversorgung als "originäre Aufgabenbereiche" zu konzentrieren, stellte Antoni klar.
"Zügig, aber fundiert" zur kommunalen Wärmeplanung
Zu den sehr großen Herausforderungen, denen sich Stadtwerke derzeit stellen müssen, zählt die kommunale Wärmeplanung. Hier dürften die Stadtwerke Oberursel deutlich weiter sein als manch anderer Kommunalversorger. Antoni und ihr Team verzichteten dabei zwar weitestgehend auf externe Beratung und betrauten rechnerisch lediglich anderthalb Vollzeitkräfte mit dieser Aufgabe. Dennoch liegt diese Planung für Oberursel nach gut einem Jahr Arbeit bereits vollständig vor und ist veröffentlicht. "Darauf sind wir stolz", sagte Antoni. "Sehr viele relevante Strukturdaten, die wir einem potenziellen Dienstleister liefern müssten, liegen uns im Geoinformationssystem ohnehin vor. Weil wir als Netzbetreiber diese Daten letztlich am besten kennen, haben wir uns dagegen entschieden, sie herauszugeben", erklärte die Geschäftsführerin.
Stattdessen schaute das Team selbst, "wie wir die verschiedenen Daten miteinander 'verschneiden' können, um im Ausschlussverfahren Gebiete zu identifizieren, wo die Liniendichte der Wärmeversorgung gering ist", erläuterte Antoni. "So war der Plan relativ zügig, aber fundiert und mit eigenen Daten und eigenen Ressourcen gemacht." Allerdings: "Vielleicht wäre es sogar billiger gewesen, alles an einen Dienstleister auszulagern." Es sei jedoch darum gegangen, "die gesamte Planung zu verstehen, vollauf dahinterzustehen und den Menschen hier vor Ort zu helfen", stellte sie klar.
Kooperationen mit dem Handwerk und einer Energieberatung hätten das Paket abgerundet. Besonders wichtig, betonte Antoni, sei die offene Kommunikation mit der Bevölkerung nach dem Motto "work in progress" beziehungsweise "build in public" gewesen - "auch wenn noch nicht alles final war". Dies habe in der Bürgerbeteiligungsphase zur Wärmewende großen Anklang gefunden. Ohnedies habe diese Offenheit in der Kommunikation auch geholfen, den Stakeholdern und vor allem der Bevölkerung den nahenden Abschied vom ÖPNV zu vermitteln. Antoni: "Das war nicht ganz einfach."
Werkstudenten für die Energiewende
Einen sehr eigenen Weg gehen die Stadtwerke Oberursel auch bei der Nachwuchsförderung für das eigene Unternehmen. "Wir haben 2023 das Institut für Transformationsaufgaben in der Energiewirtschaft und Energietechnik gegründet", blickte Antoni zurück. Dahinter stehe inzwischen "ein hessenweites Konsortium mit der Technischen Hochschule Mittelhessen und 15 Stadtwerken der Region." Die Studierenden kommen als Werkstudenten zu den beteiligten Kommunalversorgern, die sie dann direkt an Energie- und Wärmewendeprojekten mitarbeiten lassen. /pa
Das vollständige Interview lesen Sie im Add-on Markt & Industrie. Darin erklärt Julia Antoni unter anderem, wie der Wärmemix der Zukunft in Oberursel aussehen wird und warum sie der verpflichtenden Einführung von dynamischen Stromtarifen kritisch gegenübersteht. Weitere Interviews der energate-Sommerserie "Stadtwerke im Fokus" finden Sie hier.