Speicherunternehmen reichen Netzbetreibern die Hand
Föhren bei Trier (energate) - Betreiber von Großspeichern und Netzbetreiber sollten stärker kooperieren. Dafür sprach sich Volker Schöller, Geschäftsführer beim Projektierer Schoenergie, im Gespräch mit energate aus. Dabei sieht er insbesondere seine eigene Zunft in der Pflicht. "Wir müssen mit den Netzbetreibern an einen Tisch und mit ihnen zusammen die Netze planen", plädierte Schöller, der früher selbst einmal bei einem Verteilnetzbetreiber gearbeitet hat, im Interview mit energate. Aber von regulatorischer Seite brauche es ebenfalls Änderungen.
Auch andere Speicherbetreiber denken um. So hat der Projektierer Eco Stor in Bollingstedt (Schleswig-Holstein) einen netzdienlichen Großspeicher in Betrieb genommen. Zudem bringt sich das Unternehmen mit Vorschlägen für ein neues Marktdesign ein, das netzdienliches Verhalten belohnen soll. Darunter versteht man die Tatsache, dass Batteriespeicher nur ein- oder ausspeichern, wenn dies den Bedürfnissen des Netzes nicht zuwiderläuft beziehungsweise dies sogar gut für das Netz ist.
Nicht nur netzdienlich, sondern netzbildend
Auch Schoenergie-Geschäftsführer Schöller sieht Handlungsbedarf. Es sei eine Herausforderung, dass der weit überwiegende Teil der Großspeicher marktdienlich errichtet werde, sagte er im Interview. Denn, so Schöller: "Viele marktgeführte Speicher können zu einer Schieflage im Netz führen." Weiter betonte er: "Der Gamechanger sind netzbildende Speicher." Zu den netzbildenden Funktionen gehört unter anderen die Bereitstellung von Momentanreserve sowie die Schwarzstartfähigkeit.
Diese werden heute in aller Regel noch von rotierenden Massen erbracht - also etwa von Kohle- und Gaskraftwerken, die in der Regel in den oberen Netzebenen angeschlossen sind. Das muss sich nach Meinung von Schöller ändern, da ja erklärter politischer Wille sei, aus den fossilen Energieträgern auszusteigen. Zudem müssten die stabilisierenden Maßnahmen dahin, wo heute die große Erzeugung stattfinde - und das sei das Verteilnetz.
Schoenergie statte schon heute alle neuen Speicher mit der entsprechenden Hardware aus, so Schöller. "Speicher ohne netzbildende Funktionalitäten zu errichten, ergibt schlichtweg keinen Sinn", betonte er. Und Speicher mit der entsprechenden Hardware nachzurüsten, sei deutlich schwieriger als diese von vorneherein zu verbauen.
Gemeinsamer Feldtest mit Westnetz und Forschungsinstituten
Wie Speicher netzbildend agieren können, erprobt Schoenergie im vierjährigen Forschungsprojekt "SUREVIVE". An dem Feldversuch sind neben Schoenergie auch Forschungsinstitute sowie federführend der Verteilnetzbetreiber Westnetz beteiligt.
Bei Surevive binden die Projektpartner ab Oktober einen 21 MW-Großspeicher in ein bestehendes Netz ein. Dabei erproben sie unter anderen einen Blackout mit anschließendem Schwarzstart - wenn auch nur mit wenigen, daran hängenden Verbrauchern.
Netzbildende Batteriespeicher sind ein Novum. Erst im Juni hatte RWE in den Niederlanden einen Batteriespeicher ans Netz gebracht, der Momentanreserve liefern kann, angeblich der erste seiner Art im zentraleuropäischen Stromnetz. In Großbritannien und Australien kommen hingegen aufgrund der Insellage schon länger netzbildende Wechselrichter zum Einsatz.
Anpassungen bei Technik und Regulatorik notwendig
Für die netzbildenden Eigenschaften seien neben anderen Hardware-Komponenten auch eine andere Steuerung vonnöten. Netzbildende Speicher hätten etwa 15 Prozent höhere Gestehungskosten als andere Speicher, führte Schöller weiter aus. Gerade die Schwarzstartfähigkeit werde aber nur selten zum Einsatzkommen. "Sie gleicht einer Versicherung oder einem Airbag im Auto. Dieser wird hoffentlich nicht benötigt, es ist aber gut, dass es ihn gibt", so Schöller. Daher muss es aus seiner Sicht entsprechende Vorgaben oder Anreize von regulatorischer Seite geben
Für die Bereitstellung von Momentanreserve wird es hingegen ab dem kommenden Jahr einen Markt geben. Schöller forderte darüber hinaus auch die Einführung dynamischer Netzanschlussverträge. Dafür muss der Speicherbetreiber entweder mit einem digitalen Zwilling das Netz nachbilden oder er bekommt aktuelle Zustandsmeldungen vom Netzbetreiber. "Je nach Situation des Netzes muss der Speicherbetreiber dann seine Einspeisung oder Bezugsleistung anpassen", erläuterte Schöller. Das verringere zwar die Wirtschaftlichkeit, trotzdem ließen sich die Speicher noch wirtschaftlich betreiben. /sd
Das vollständige Interview mit Volker Schöller finden Sie im Strom-Add-on.