Zum InhaltZum Cookiehinweis

RSS Feed

Reservekraftwerke: Steag kontert Kritiker

Essen (energate) - Der Kraftwerksbetreiber Steag weist die Kritik aus der Branche an dem Vorschlag zur Reaktivierung von Reservekraftwerken in Hochpreisphasen zurück. "Wir haben natürlich wahrgenommen, dass die Idee der neuen Bundesregierung in der Branche kritische Reaktionen hervorgerufen hat", sagte Andreas Reichel, CEO der Steag Iqony Group im Gespräch mit energate. "Aber bislang habe ich noch kein Gegenargument gehört, das mir stichhaltig erscheint." Der Essener Kraftwerkekonzern hatte das Konzept einer "kleinen Marktrückkehr" zu Beginn des Jahres in einem Gastkommentar für energate ins Gespräch gebracht, nachdem die Verabschiedung des Kraftwerkssicherheitsgesetzes der Ampel-Koalition gescheitert war. Das neue Regierungsbündnis von Union und SPD hat die Steag-Idee - für viele Marktteilnehmer überraschend - in ihrem Koalitionsvertrag aufgegriffen. Dort heißt es, Reservekraftwerke sollen künftig auch "zur Stabilisierung des Strompreises zum Einsatz kommen". 

 

Marktverzerrung, Irrweg, Vertrauensbruch

 

Diese Pläne hatten in der Branche für Unverständnis gesorgt, selbst Betreiber von Reservekraftwerke reagierten ablehnend. EnBW-CEO Georg Stamatelopoulos sprach im Interview mit energate von einer "Verzerrung des Marktes" und einem "Irrweg". EWE-Vorstandsvorsitzender Stefan Dohler warnte - ebenfalls im Interview mit energate - vor "folgenschweren Konsequenzen". Zugleich nannte er die Pläne "einen Vertrauensbruch gegenüber allen, die ihre Anlagen nicht stillgelegt, sondern auch auf hochpreisige Betriebsstunden gesetzt haben". Andere Kritiker warnten davor, dass der Einsatz von Reservekraftwerken den Hochlauf marktlicher Flexibilitäten wie etwa Batteriespeicher konterkariere, da Investitionsanreize sänken. 

 

"Das sehe ich nicht", hielt Steag-Iqony-CEO Reichel im Gespräch mit energate dagegen: "Der temporäre Marktbetrieb von Reservekraftwerken steht in keinerlei Konkurrenz zu Großspeichern, denn Batteriespeicher haben ein anderes Geschäftsmodell", sagte er. Batteriespeicher profitierten nicht von Extrempreisereignissen, sondern von untertägigen Preisvolatilitäten. Bei Dunkelflauten hingegen könnten Batteriespeicher nicht zur Versorgungssicherheit beitragen, da sie nur kurzfristig Kapazitäten bereitstellen könnten. 

 

Zeitlich begrenzte Übergangslösung

 

Auch dem Neubau von gesicherter Leistung im Rahmen der Kraftwerksstrategie steht die Maßnahme seiner Überzeugung nach nicht im Wege. "Die kleine Marktrückkehr ist ausdrücklich nur eine zeitlich begrenzte Übergangslösung, bis neue Kraftwerke im Rahmen der Kraftwerksstrategie Anfang der 2030er-Jahre ans Netz gehen", argumentierte Reichel. Er warnte zugleich davor, nicht "zu naiv" auf das Thema Versorgungssicherheit zu schauen: Selbst wenn die neue Bundesregierung den gesetzlichen Rahmen für den Kraftwerksneubau bald verabschiedet, werden immer noch fünf bis sieben Jahre vergehen, bis die Anlagen tatsächlich den Betrieb aufnehmen. "Wir haben eine gewisse Zeit zu überbrücken und sollten so schnell wie möglich die Preise im Markt stabilisieren. Das gefährdet nicht, sondern das schafft Investitionssicherheit - auch für die deutsche Industrie." 

 

Auch das Argument, dass gelegentliche Preisspitzen auf das gesamte Strompreisniveau nur einen geringen Einfluss haben, ließ Reichel nicht gelten. "Das sollten Sie auf einer Veranstaltung der energieintensiven Industrie nicht zu laut sagen", empfahl der Steag-Iqony-Chef. Er erinnerte daran, dass energieintensive Betriebe in der Vergangenheit in Extrempreisphasen teilweise ihre Produktion herunterfahren mussten. "Die Industrie ist extrem preissensibel", gab Reichel zu bedenken. Daher sei es folgerichtig, "dass die neue Regierung konsequent auf die Senkung der Energiepreise hinarbeitet, um den Industriestandort Deutschland zu stärken."

 

EU-Recht? Ein "lösbares Thema"

 

Auch Befürchtungen, dass die Rückkehr der Reserve schwierige Diskussionen mit der EU-Kommission nach sich ziehen könnten, teilte der Steag-Iqony-Chef nicht. "Aus unserer Sicht ist das ein lösbares Thema", sagte Reichel und verwies auf das Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz (EKBG) aus dem Jahre 2022, dem die EU-Kommission ebenfalls zugestimmt hat - wenn auch nur unter Auflagen. Wichtig sei eine zeitliche Befristung der Maßnahme, dann lasse das EU-Recht Maßnahmen im Sinne der Versorgungssicherheit zu, zeigte sich Reichel überzeugt. 

 

Wie die neue Bundesregierung sich die Umsetzung eines solchen Instruments vorstellt, ist bislang völlig offen. Die Steag hatte ihrerseits einen Vorschlag eingebracht: Wenn die Strompreise im Day-Ahead-Handel einen bestimmten Schwellenwert - beispielsweise 150 Euro/MWh - für eine gewisse Dauer - beispielsweise mindestens drei Stunden - überschreiten, dürfen Reservekraftwerke am Folgetag am Markt teilnehmen. Zur Einordnung: Im Kalenderjahr 2024 betrugen insgesamt knapp 380 Stundenpreise im Day-Ahead-Handel der Epex Spot mehr als 150 Euro/MWh. Aufgrund der weiterhin zunehmenden Volatilität im Markt bei gleichzeitig abnehmenden Kapazitäten gesicherter Leistung könnte diese Zahl künftig weiter steigen. 

 

Reichel: Halbierung von Strompreisspitzen möglich

 

Welchen Preissenkungseffekt der temporäre Marktbetrieb der Reserve auf die Strompreise haben könnten, ist ebenfalls noch unklar. Steag-Iqony-CEO Reichel verwies auf Modellierungen von Marktanalysten, wonach der Einsatz von Reservekraftwerken "Strompreisspitzen von über 400 Euro/MWh um die Hälfte reduzieren könnte". Hinzu komme aber noch ein "nicht messbarer, psychologischer Effekt in Form von einer Beruhigung der Märkte", fügte er an. /rb

Zurück