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Rechtssicherheit für wen? BGH-Urteil polarisiert

Karlsruhe (energate) - Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nach einer monatelangen Zitterpartie nun für Klarheit gesorgt: Betreiber von Verteilnetzen dürfen weiterhin Baukostenzuschüsse (BKZ) nach dem Leistungsmodell für den Anschluss eines Batteriespeichers erheben. Das richtungsweisende Urteil ist ein herber Rückschlag für Batteriespeicherprojektierer und ein großer Sieg für die Bundesnetzagentur (BNetzA). Im zukünftigen Netzentgeltsystem der Bonner Behörde spielen Baukostenzuschüsse eine zentrale Rolle. Zwar sorgt das Urteil für Rechtssicherheit über die Erhebung von BKZ, doch wirft es auch neue Fragen auf, wie energate erfuhr. 

 

Ursprünglich geht das Urteil auf eine Auseinandersetzung des Batteriespeicherprojektierers Kyon Energy mit einem Netzbetreiber und der Bundesnetzagentur zurück. Im Mai 2021 stellte Kyon Energy beim zuständigen Netzbetreiber einen Netzanschlussantrag für einen Batteriespeicher mit 1.725 kW Leistung und einer Speicherkapazität von 3.450 kWh. Der Batteriespeicher war als rein netzgekoppelter Speicher geplant. Für den Netzanschluss verlangte der Netzbetreiber die Zahlung eines BKZ, dessen Höhe sich auf Grundlage eines Positionspapiers der Bundesnetzagentur aus dem Jahr 2009 berechnete. Im Juni 2022 forderte Kyon Energy die BNetzA auf, dem Netzbetreiber die Erhebung des BKZ nach Paragraf 31 EnWG zu untersagen.

 

Die Bonner Behörde wies den Antrag zurück, Kyon Energy klagte anschließend vor dem OLG Düsseldorf und gewann. Das Düsseldorfer Gericht entschied damals, dass die Erhebung von BKZ nach dem Leistungspreismodell der Bundesnetzagentur eine Diskriminierung nach Paragraf 17 Abs. 1 EnWG darstelle. Außerdem sei es weder nach nationalem noch nach EU-Recht angemessen, Speicher und Letztverbraucher gleichzustellen.

 

BGH: Baukostenzuschüsse erfüllen Lenkungs- und Steuerungsfunktion

 

Dieser Feststellung widerspricht der Bundesgerichtshof. Zwar räumen die Karlsruher Richter in ihrem Urteil ein, dass sich Batteriespeicher von anderen Letztverbrauchern prinzipiell dadurch unterscheiden, dass sie den entnommenen Strom nicht verbrauchen, sondern zeitversetzt wieder einspeisen. Jedoch sei die "Gleichbehandlung von netzgekoppelten Batteriespeichern und anderen Letztverbrauchern nach dem Sinn und Zweck des Baukostenzuschusses gleichwohl objektiv gerechtfertigt", wie es in der Begründung heißt.

 

So erfülle der BKZ nach dem Leistungspreismodell eine "Lenkungs- und Steuerungsfunktion, weil der Anschluss umso teurer wird, je höher der Leistungsbedarf ist". Anschlussnehmer sollen also durch die Erhebung von BKZ angehalten werden, den Netzanschluss an dem tatsächlichen Leistungsbedarf zu orientieren. Eine Überdimensionierung des Verteilnetzes könne so verhindert werden, argumentiert der BGH. Auch netzgekoppelte Batteriespeicher stellten dabei keine Ausnahme dar. "Der Netzanschluss ist wie bei anderen Letztverbrauchern der angefragten Entnahmekapazität entsprechend zu dimensionieren; die Einspeisefunktion hat darauf keinen Einfluss", stellte das Gericht klar.

 

Netzdienliche Wirkung von Batteriespeichern irrelevant

 

Auch werde der Zweck des BKZ nicht dadurch infrage gestellt, dass Batteriespeicher auch netzdienliche Wirkungen haben können. Der BGH argumentiert, dass die Ansiedlung von Batteriespeichern nicht prinzipiell dem lokalen Anschlussnetz zugutekomme, für das der BKZ verlangt wird. "Nur der Netzbetreiber kann beurteilen, ob und unter welchen Voraussetzungen der netzdienliche Betrieb von Batteriespeichern im örtlichen Verteilernetz zur Verhinderung von Netzausbaumaßnahmen führen kann", so das oberste Gericht. Damit räumt der BGH dem anschlussverpflichteten Netzbetreiber Entscheidungsspielräume zu. Der Netzbetreiber könne entscheiden, ob bei der Erhebung von Baukostenzuschüssen transparente und diskriminierungsfreie sowie generalisierende Anreize für die Ansiedlung von Batteriespeichern gesetzt werden sollen, heißt es in dem Urteil. Eine Abfuhr gab es auch hinsichtlich der europarechtlichen Bedenken des OLG Düsseldorf. Aus den Vorschriften des Unionsrechts lasse sich nicht unmittelbar ableiten, dass für den Netzanschluss keine BKZ erhoben werden dürfen. Es handle sich um "allgemeine Zielbestimmungen, die einen Umsetzungsspielraum belassen", so der BGH. 

 

Bundesnetzagentur fühlt sich in Position bestätigt

 

Der Bundesgerichtshof folgt somit den Argumentationsmustern der Bundesnetzagentur. Die Bonner Behörde arbeitet derzeit mit dem AgNes-Prozess an einer Weiterentwicklung der Netzentgeltsystematik. Baukostenzuschüsse sind dabei wesentlicher Bestandteil und fanden viel Zustimmung in den Stellungnahmen zum Diskussionspapier. In einem Positionspapier hat die Behörde außerdem die Bemessung und Erhebung von BKZ für Stromnetzbetreiber im Übertragungsnetz skizziert. Dementsprechend glücklich zeigte sich die Bundesnetzagentur mit dem BGH-Urteil auf energate-Anfrage. "Wir begrüßen die Entscheidung des BGH, die die Position der Bundesnetzagentur bestätigt", so ein Pressesprecher.

 

Kyon Energy: Urteil hat europarechtliche Tragweite

 

Für die Batteriespeicherbranche ist das Urteil hingegen ein Debakel. Bei den gegenwärtigen Hardwarepreisen macht der BKZ bis zu 20 Prozent des Gesamtinvestitionsvolumens aus, wie Thomas Antonioli, Co-Founder und CFO des Batteriespeicherprojektierers Terra One, gegenüber energate bestätigte. Insbesondere nach dem Urteil des OLG Düsseldorf gab es daher branchenintern die Hoffnung, künftig von den BKZ verschont zu sein. Dementsprechend enttäuscht zeigte sich auch Kyon Energy. "Die Folgen der Entscheidung sind weitreichend - für die Investitionssicherheit in Großbatteriespeicher, für die Planungspraxis von Projektentwicklern und für die Rahmenbedingungen der Energiewende", hieß es in einer Mitteilung, die energate vorab vorliegt. Benedikt Deuchert, Head of Business Development & Regulatory Affairs bei Kyon Energy, warf in dem Kontext grundsätzliche Fragen hinsichtlich des Gestaltungsspielraums der BNetzA auf. "Vor dem Hintergrund, dass die BNetzA als unabhängige Regulierungsbehörde bereits der Kontrolle des nationalen Gesetzgebers entzogen ist, wirft die heutige Entscheidung europarechtliche Fragen unabsehbarer Tragweite auf", kommentierte Deuchert.

 

BVES: Urteil Symptom veralteter Rahmenbedingungen

 

Auch der Speicherverband BVES zeigte sich gegenüber energate von dem Urteil ernüchtert. Der Verband kritisiert, dass der BGH zwar den Unterschied zwischen Letztverbrauchern und Speichern anerkenne, daraus aber keine Konsequenzen ziehe. Stattdessen werde nur die Verbraucherseite hervorgehoben und als Grundlage für die Entscheidung herangezogen. "Diese einseitige Betrachtung ist natürlich sehr bedauerlich, da sie den Ausbau der dringend benötigten Flexibilitäten im Energiesystem unnötig verteuert und erschwert", so der BVES. Für den Speicherverband ist das Urteil ein Symptom veralteter regulatorischer Rahmenbedingungen. "Das heutige Energiesystem ist längst nicht mehr in den simplen Kategorien 'Verbraucher' und 'Erzeuger' zu fassen." Stromspeicher stabilisierten die Netze, integrierten erneuerbare Energien und leisteten wesentliche Systemdienlichkeit. "Das muss sich auch in der Entgeltsystematik widerspiegeln", so die Forderung des BVES. Es sei daher Aufgabe der Politik und der Regulatorik, diese Anforderungen eines modernen Energiesystems anzupassen.

 

Rechtsexperte sieht große Unsicherheit im Markt

 

Benedikt Rechner, Rechtsanwalt bei der Anwaltskanzlei Luther, zeigte sich über das Urteil des BGH nicht überrascht. Branchenintern war es nach der mündlichen Verhandlung am 27. Mai so erwartet worden, erklärte der Fachmann gegenüber energate. Es sei jedoch "bemerkenswert", dass die vom OLG Düsseldorf als Unterscheidungskriterium herangezogene potenzielle netzdienliche Funktion von Batteriespeichern aus Sicht des BGH keine abweichende Behandlung rechtfertige. Dass nun die Beurteilung der netzdienlichen Wirkung des Batteriespeichers beim Netzbetreiber liege, sei aufgrund der fehlenden gesetzlichen Regelungen und ohne verbindliche behördliche Vorgabe zur Berechnung des BKZ "konsequent".

 

Für den Juristen verbleibt mit dem Urteil jedoch "eine erhebliche Unsicherheit im Markt". Zwar würden sich viele Netzbetreiber an dem erwähnten Positionspapier der BNetzA orientieren. "Im Einzelfall finden sich jedoch schon heute diverse, im Detail unterschiedliche Ansätze zur BKZ-Berechnung." Auch Rechner sieht daher einen dringenden Handlungsbedarf für den Gesetzgeber und die Bundesnetzagentur, einen einheitlichen Berechnungsmaßstab vorzulegen, "der die besondere Stellung von Batteriespeichern angemessen berücksichtigt". /rh

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