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Ohne Netzplanung geht nichts

Essen (energate) - Versäumnisse in der Netzplanung zeigen schnell ihre Folgen. Wärmepumpen, Ladeinfrastruktur, die Elektrifizierung industrieller Prozesse - die Energiewende findet in den Verteilnetzen statt. Der Ausbau der Netze erfordert dabei vor allem eine offene Kommunikation der Beteiligten. Dies verdeutlichte der energate-Webtalk "Netzplanung: Ist Oranienburg wirklich ein Einzelfall?".

 

Was passiert, wenn die Netzplanung schief läuft, erfuhren die Stadtwerke Oranienburg Mitte April. Ein bislang bundesweiter Einzelfall, dessen Ursache nicht wie in manchen Kreisen vermutet an Wallboxen oder Wärmepumpen lag, sondern an einem unterschätztem Bevölkerungswachstum in Kombination mit einer verspäteten Kommunikation mit dem vorgelagerten Netzbetreiber Edis. So stellte es Peter Grabowsky, Geschäftsführer der Stadtwerke Oranienburg, im Rahmen des Webtalks klar.

 

Oranienburg denkt über Vervierfachung der Leistung nach

 

Grabowsky betonte, dass das Problem technisch gesehen nicht innerhalb des Ortsnetzes lag, sondern beim zugehörigen Umspannwerk, für das der vorgelagerte Netzbetreiber Edis zuständig ist. Dieses verfüge über eine Durchleitungskapazität von 30 MW. Durch das Bevölkerungswachstum, zu dem auch vermehrt Industrieanfragen hinzukamen, sei das Umspannwerk an seine Grenzen gekommen. Die Folge: ein vorübergehender und mittlerweile wieder aufgehobener Stopp neuer Haushaltsanschlüsse sowie von Leistungserhöhungen im Bestand.

 

Ein neu geplantes, unternehmenseigenes Umspannwerk werde über 80 MW Leistung verfügen, erläuterte Grabowsky. "Wir haben aber auch 120 MW Leistung im Blick", so der Geschäftsführer der Stadtwerke. Das eigentliche Versäumnis sei jedoch ein anderes gewesen: "Industriekunden, Stadt und Netzbetreiber haben nicht so miteinander gesprochen, wie es eigentlich notwendig wäre", erklärte Grabowsky. Er warb daher für eine offene und transparente Kommunikation aller an der Netzplanung beteiligten Institutionen.

 

BNetzA: Vorausschauende Netzplanung notwendig  

 

Eine Einschätzung, die Barbie Kornelia Haller, Vizepräsidentin der Bundesnetzagentur, unterstützte. Ihrer Meinung nach hätten die Stadtwerke Oranienburg ebenfalls "viel frühzeitiger" auf Edis zugehen müssen. "Wir können uns nicht über mangelnde Kooperation beklagen. Sie kam aber zu spät", so Haller. Sie unterstrich jedoch auch, dass es die Hauptaufgabe eines Netzbetreibers sei, einen diskriminierungsfreien Anschluss und Zugang zum Stromnetz zu gewährleisten. Anschlussbegehren mit Verweis auf knappe Netzkapazitäten abzulehnen, sei grundsätzlich nicht zulässig.

 

Haller erinnerte in dem Kontext die Netzbetreiber daran, dass es "höchste Pflicht" sei, eine vorausschauende Netzplanung zu gewährleisten, bei der Neuanschlüsse sichergestellt sind. "Wir hoffen, dass sich diese Pflicht rumgesprochen hat", so die Vizepräsidentin. Vor allem die Kommunen müssten wahrnehmen, dass mangelnder Netzausbau dazu führen könne, dass sich Industrie und Gewerbe gegen einen Standort entscheiden.

 

Eine Haltung, die Grabowsky nur einschränkend hinnehmen wollte. Gerade der Fall Oranienburg zeige, dass ein vorausschauender Netzausbau in der Realität schwierig umzusetzen sei. Er begründete dies unter anderem mit Industriekunden, für die Netzkapazitäten langfristig eingeplant werden, diese sich dann aber kurzfristig umentscheiden. Die entstehenden Kosten seien für Stadtwerke ein Problem. Planungssicherheit bestünde nur in der Theorie. In der Realität werde der Netzausbau regelmäßig vor sich verändernden Situationen gestellt, so Grabowsky.

 

Lobo: Großverbraucher im Fokus

 

Für Kai Lobo, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU), ist derweil klar, dass die Verteilnetze in den kommenden 10 bis 20 Jahren deutlich ausgebaut werden müssen. Treiber dieses Ausbaus seien aber Großverbraucher und nicht Wärmepumpen und Wallboxen. "Niedrigschweller sind nicht das Problem, sondern die fokussierte Anbindung großer Verbraucher", erklärte Lobo.

 

Widerspruch kam von Thomas Koller, Geschäftsführer des IT-Unternehmens Enersis. Für ihn stellen die Verteilnetze und der niedrigschwellige Bereich sehr wohl ein Problem dar. Seine Begründung: Stadtwerke und kleinere Verteilnetzbetreiber seien nicht ausreichend digitalisiert. Fehlendes Wissen über den Netzzustand und fehlende digitale Tools seien auf Verteilnetzebene große Probleme. Die Verteilnetzplanung unterliege jedoch schnellen Veränderungen. Hinzu kämen neue Parameter wie eben Wallboxen, Wärmepumpen und E-Autos. Er verwies darauf, dass die Sektorkopplung im Hinblick auf die kommunale Wärmeplanung nicht zu unterschätzen sei.

 

Sektorkopplung stellt Netze vor Herausforderung

 

Bezüglich der Sektorkopplung erhielt Koller die Zustimmung aller Beteiligten. Grabowsky verwies auf die Entwicklung in Oranienburg, wo bei einer ausschließlichen Elektrifizierung der Wärmeversorgung der Bedarf an zusätzlicher Leistung um 120 bis 150 MW steigen würde. Auch Lobo betonte, dass die Entlastung der Stromnetze bei der Wärmewende beispielweise durch Tiefengeothermie unersetzlich sei. Die Rolle der Digitalisierung bei der Netzplanung, betrachteten die Diskussionsteilnehmer unterschiedlich. So gab Grabowsky unmissverständlich zu Protokoll, dass technische Realitäten Wahrheiten schaffen, die allein mit Digitalisierung nicht zu beseitigen seien.

 

Finanzierung großes Problem

 

Einigkeit herrschte jedoch bei dem hohen Finanzierungsbedarf und der daraus resultierenden Problematik vor allem für kleinere Kommunalversorger. Allein in Oranienburg müssten in den kommenden Jahren 300 Mio. Euro in die Hand genommen werden, rechnete Grabowsky vor. Das neue Umspannwerk in der Stadt nördlich von Berlin wird alleine 34 Mio. Euro kosten. Die Stadt schießt 13 Mio. Euro über eine Kapitalerhöhung zu. Die Eigenkapitalversorgung der Unternehmen ist in diesem Umfeld durchaus problematisch. VKU-Vize Lobo verwies in diesem Zusammenhang auf den jüngst vorgestellten Vorschlag eines Energiewendefonds, der Kommunalversorger besseren Zugang zu Kapital verschaffen soll. /rh

 

Die Aufzeichnung des Webtalks finden Sie hier.

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