Offshore-Auktion: "Scheitern mit Ansage"
Bonn/Berlin (energate) - In Deutschland ist erstmals eine Offshore-Wind-Ausschreibung ohne ein einziges Gebot zu Ende gegangen. Wie die Bundesnetzagentur auf ihrer Internetseite bekanntgab, blieb das Verfahren für die zentral voruntersuchten Nordsee-Flächen N-10.1 (2.000 MW) und N-10.2 (500 MW) ohne Beteiligung. Die Flächen sollten ab 2031 bzw. 2030 ans Netz gehen. Nun sollen sie nach dem Modell für nicht zentral voruntersuchte Gebiete zum Stichtag 1. Juni 2026 erneut ausgeschrieben werden.
Energieversorger warnen vor unattraktiven Rahmenbedingungen
Mehrere große Marktakteure sehen im Ausschreibungsergebnis ein klares Alarmsignal, wie eine energate-Umfrage ergab. EnBW kritisierte das Verfahren als wirtschaftlich nicht tragfähig: "Mit den aktuellen gesetzlich-regulatorischen Rahmenbedingungen lässt sich nach unserer Bewertung und offensichtlich auch aus Sicht der gesamten Branche kein wirtschaftliches Projekt entwickeln", erklärte eine Unternehmenssprecherin. Eine grundlegende Überarbeitung des Vergabeverfahrens sei nötig, insbesondere mit Blick auf Differenzverträge (CfDs).
Auch RWE forderte eine Nachbesserung. Dass sich bei der Auktion kein einziges Unternehmen beteiligt hat, zeige deutlich, "dass die Ausschreibungsbedingungen für Investitionen nicht attraktiv waren", erklärte das Unternehmen. Investoren bräuchten langfristige Planungsperspektiven. Deshalb würden viele andere europäische Länder konsequent auf zweiseitige CfDs setzen. RWE begrüßte die Initiative des Wirtschaftsministeriums, im Rahmen eines Monitoringberichts eine "ehrliche Bestandsaufnahme" vorzunehmen. Diese könne eine gute Grundlage für den notwendigen Dialog zwischen Politik und Unternehmen bieten, um Deutschland als attraktiven Offshore-Standort zu erhalten.
Ørsted kritisierte vor allem das Missverhältnis von Risiko und Ertrag. Der Versuch, Offshore-Wind über hohe Vorauszahlungen für Konzessionen zu monetarisieren, habe potenzielle Bieter abgeschreckt. Für zukünftige Auktionen fordert Ørsted ebenfalls mehr Vorhersehbarkeit durch Differenzverträge. Auch Iberdrola betonte die Notwendigkeit, das Auktionsdesign weiterzuentwickeln - insbesondere mit Blick auf verlässliche Rahmenbedingungen für Investitionen und Projektplanung.
CfDs als zentraler Reformvorschlag
Der Bundesverband Windenergie Offshore (BWO) sprach von einem "Scheitern mit Ansage". Geschäftsführer Stefan Thimm sieht das Auktionsdesign als Kernproblem: "Die Branche warnt seit Jahren davor, den Unternehmen zu viele Risiken aufzubürden." Das Ergebnis sende ein klares Signal - der Offshore-Windmarkt in Deutschland sei für Investoren derzeit unattraktiv.
Der BWO forderte wie die Energieversorger abermals die zügige Einführung von CfDs, um Stromerzeugungskosten um bis zu 30 Prozent zu senken und Investitionen wieder attraktiv zu machen. Der Energieverband BDEW unterstützte diese Forderung. BDEW-Chefin Kerstin Andreae verwies auf das bereits stark gesunkene Interesse an der Juni-Ausschreibung und sprach von "erheblich gestiegenen Risiken" für Projektentwickler - etwa durch volatile Strompreise, gestiegene Kapitalkosten und eine verschärfte Flächenkonkurrenz.
Auch die Stiftung Offshore-Windenergie bewertet das Ergebnis als "deutliches Alarmsignal". Geschäftsführerin Karina Würtz erklärte, "das laute Schweigen des Marktes ist ein klares Zeichen gegen das aktuelle Ausschreibungsdesign". Die Stiftung fordert neben CfDs auch eine Begrenzung des Ausschreibungsvolumens pro Bieter und realistische Präqualifikationen. Bereits in der Juni-Ausschreibung 2025 hatte es mit nur zwei Bietern und deutlich gesunkenen Zuschlagswerten erste Anzeichen für einen Vertrauensverlust gegeben.
Ministerin Reiche sieht geografische Risiken und Marktveränderungen
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) nannte zwei Ursachen für die Nullrunde. Zum einen seien die geografischen und geologischen Bedingungen der Flächen besonders herausfordernd gewesen. Laut einer Analyse des Fraunhofer IWES lag die Leistungsdichte der Flächen bei 13,8 MW pro Quadratkilometer, mit erwarteten Volllaststunden zwischen 2.722 und 2.984. Zum Vergleich: Weniger dicht bebaute Offshore-Flächen erreichen bis zu 4.500 Volllaststunden - ein bedeutender Effizienzunterschied.
Zum anderen sieht Reiche veränderte Anforderungen auf dem Strommarkt. Kunden seien nicht mehr bereit, in Zeiten negativer Strompreise langfristige PPAs zu erfüllen, sondern bedienten sich lieber direkt am Markt. Das gefährde den Cashflow ganzer Projekte. Reiche forderte eine kritische Überprüfung der Bedingungen und verwies auf die Bundesnetzagentur und Großbritannien, das nach einem ähnlichen Fall das Auktionsdesign reformierte.
Die Bundesnetzagentur selbst äußerte sich zurückhaltend. Informationen zu den konkreten Gründen für das Ausbleiben von Geboten lägen der Behörde nicht vor. Eine Anpassung des Auktionsdesigns sei nicht Aufgabe der Bundesnetzagentur, sondern des Gesetzgebers, erklärte ein Sprecher auf Nachfrage. Ein Sprecher des Ministeriums wiederum erklärte, die Gründe für das aktuelle Ausschreibungsergebnis würden derzeit ausgewertet. "Dazu werden wir auch mit Stakeholdern in den Austausch treten."
Maschinenbauverband fordert grundlegende Reform
Der Maschinenbauverband VDMA Power Systems forderte ebenfalls eine Reform des Windenergie-auf-See-Gesetzes (WindSeeG). Geschäftsführer Dennis Rendschmidt sieht im aktuellen dynamischen Gebotsverfahren ein gescheitertes Modell. Wie in Dänemark müsse dieses nun auch in Deutschland "beerdigt werden". Neben der Einführung von CfDs spricht sich der Verband für verlängerte Realisierungsfristen, eine europäische Harmonisierung und stärkere industriepolitische Unterstützung für Hersteller aus. /mh