Netzbetreiber wollen neue Netzanschlussregeln
Berlin/Essen (energate) - Die stark ansteigenden Netzanschlussanfragen für Großbatteriespeicher stellen die Übertragungsnetzbetreiber vor zunehmende Herausforderungen. Sie fordern daher eine Weiterentwicklung des Rechtsrahmens für den Netzanschluss. Bislang gilt für große Batteriespeicher, die ihre Anträge nach der Kraftwerksnetzanschlussverordnung (KraftNav) stellen, quasi ein Windhund-Prinzip. Unabhängig von der geplanten Nutzung des Netzanschlusses oder der Kapazität werden die Anträge in der Reihenfolge abgearbeitet, in der die Anfragen eingehen. Das schadet nach Ansicht der Netzbetreiber dem System - und auch zahlreiche Projektierer von Großspeichern sind mit diesem Prozedere unglücklich.
"Die bisherige Regelung 'first come, first served' wird der hohen Marktdynamik, der Vielzahl an Anträgen und auch den Anforderungen des Energiesystems nicht mehr gerecht", erklärten die Übertragungsnetzbetreiber dazu jetzt in einer gemeinsamen Stellungnahme auf Anfrage von energate. Es sei niemandem damit gedient, wenn zu viele Batteriespeicher, die der Markt nicht verkrafte, angeschlossen werden, während andere "wichtige Antragsteller" nicht zum Zuge kommen, heißt es in dem Statement der vier großen deutschen Netzbetreiber. Zu den wichtigen Antragstellern zählen sie beispielsweise die geplanten Gaskraftwerke, die die Versorgungssicherheit gewährleisten sollen, aber auch Rechenzentren, Elektrolyseure oder neue Industriebetriebe.
Netzdienlichkeit als neues Anschlusskriterium
Statt des "first come, first served"-Prinzips sollten Projekte künftig danach priorisiert werden, welchen "Beitrag sie zur Systemsicherheit leisten, welche Realisierungswahrscheinlichkeiten bestehen und welchen Reifegrad sie erreicht haben", so die Forderung der Netzbetreiber. So setze der derzeitige regulatorische Rahmen keine Anreize für einen netzdienlichen Einsatz oder eine standortoptimierte Planung von Batteriespeichern. Anreize und Vorgaben müssten so ausgestaltet sein, dass Speicher "zielgerichtet zur Versorgungssicherheit und Kosteneffizienz im Energiesystem beitragen können", heißt es in der Stellungnahme.
Aktuelle Zahlen der vier Übertragungsnetzbetreibern belegen das Dilemma. Insgesamt liegen ihnen derzeit über 570 Anschlussanfragen mit einer geplanten Gesamtleistung von 263 GW vor. Der größte Teil entfällt auf das Netzgebiet des ostdeutschen Übertragungsnetzbetreibers 50 Hertz. Nach Unternehmensangaben liegen 50 Hertz aktuell 235 Anträge auf Netzanschluss mit einer Gesamtleistung von 110 GW vor. "93 Projekten mit einer beantragten Anschlussleistung von 35 GW haben wir im Rahmen einer Netztechnischen Stellungnahme zugesagt, dass wir bei Vorliegen aller Bedingungen bis 2029 einen Projektstart zusichern können", so ein Unternehmenssprecher. Die übrigen Antragsteller gehen leer aus. "Damit sind unsere Anschlusskapazitäten für Projektstarts 2025 bis 2029 erschöpft", so der Sprecher weiter.
Wachsende Unzufriedenheit bei Projektentwicklern
Unter den Projektierern hat diese Nachricht Rumoren ausgelöst. Hinter einzelnen Speicherprojekten stehen häufig Investitionsvolumina von mehreren hundert Millionen Euro. Vor dem Hintergrund, dass die aktuelle Netzentgeltbefreiung für neue Speicherprojekte im Sommer 2029 ausläuft, ist die Ernüchterung vieler nicht bedachter Antragsteller entsprechend groß. Zugleich sorgen auch die Prozesse der Netzbetreiber für Kritik. Speicherbetreiber beklagen mangelnde Kommunikation. "Alle reden davon, dass wir miteinander reden müssen. Aber 50 Prozent der Netzbetreiber reden nicht mit uns", beklagte Stefan Müller, COO des Hamburger Projektentwicklers Enerparc, nun bei einer Batteriespeicher-Konferenz in Frankfurt/Main. "Keine Reaktion auf E-Mails, keine Reaktion auf Anrufe, nicht einmal auf Faxe", beschrieb er die schwierige Abstimmung mit einzelnen Netzbetreibern. Ein anderer Projektentwickler beklagte gegenüber energate, dass er für sein geplantes Projekt mit bis zu 3 GWh Kapazität erst keine, dann eine um mehrere Monate verzögerte Antragsbestätigung erhalten habe. Im aktuellen Anmeldeprozess mit Windhundrennen eine große Bürde. Allerdings gibt es auch Projektierer, die ausdrücklich von einem "kooperativen Ansatz" der Netzbetreiber sprechen.
Der Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz hat seine Kommunikation mit den Projektentwicklern inzwischen verstärkt. Auf einer eigens eingerichteten Webseite und FAQs informiert er detailliert über die Netzanschlussverfahren. Zudem sei das "Team Netzanschluss" personell verstärkt worden. Die Vielzahl der eingereichten Netzanschlussbegehren kann 50 Hertz in seinem Netz dennoch nicht abbilden. Auch beim Übertragungsnetzbetreiber Tennet sieht es nicht besser aus. Dem Unternehmen liegen 181 Anträge mit einer Gesamtleistung von 77 GW vor, unseriöse Anträge sind dabei bereits aussortiert, wie eine Tennet-Sprecherin erklärte. 131 dieser Anträge mit einer Leistung von rund 52 GW betreffen Batteriespeicherprojekte. Es folgen 16 Elektrolyseursanfragen mit einer Leistung von 8 GW, auf Rechenzentren entfallen neun Anträge mit einer beantragten Leistung von 3 GW. Auch bei Tennet sieht die Kapazitäten an der Grenze des Möglichen. "Aktuell sind die Netzanschlusskapazitäten im Tennet-Netzgebiet an nahezu allen Umspannwerken aufgrund des hohen Andrangs überzeichnet. Wir eruieren derzeit, wie sich die Lage mittelfristig darstellt", so die Sprecherin.
Amprion und Transnet BW weniger im Fokus
Bei Amprion und Transnet BW stellt sich die Lage nicht ganz so dramatisch dar. Bei dem baden-württembergischen Übertragungsnetzbetreiber liegen derzeit 75 Netzanschlussanträge mit einer Gesamtleistung von rund 20 GW vor, wie energate erfuhr. Mit 18 GW Leistung liegt der Großteil der Anträge bei Batteriespeicherprojekten. Insgesamt seien derzeit 10 Netzanschlusszusagen mit einer Gesamtleistung von circa 4 GW verteilt, erklärte ein Unternehmenssprecher. Zwar werden bei Transnet BW noch Anschlüsse verteilt. Da jedoch derzeit an vielen Standorten Umbaumaßnahmen durchgeführt werden, sei ein Anschluss in der Regel erst nach Umsetzung dieser Maßnahmen und damit nicht kurzfristig möglich. Bei Amprion befinden sich aktuell 188 Netzanschlussanfragen mit rund 56 GW im Anfragestatus, erklärte das Unternehmen. Von diesen Anfragen hat Amprion für rund 80 Projekte mit 32 GW bereits eine Netzanschlusszusage erteilt. /rh/cs