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Negativemissionen aus Abfall? Vision groß, Kosten noch größer

Hürth (energate) - Aus der Abfallverbrennung, die heute noch viele Emissionen verursacht, könnte sich ein Treiber für Negativemissionen entwickeln - sofern die politischen Rahmenbedingungen stimmen. Dies zeigte die EEW Energy from Waste GmbH bei der Vor-Ort-Vorstellung ihres Vorhabens "EEW CaReS" im Chemiepark Knapsack.

 

Die EEW als Betreiberin des Ersatzbrennstoffkraftwerks (EBKW) in Hürth plant unter den passenden Voraussetzungen die Errichtung einer CO2-Abscheideanlage mit einer Kapazität von bis zu 300.000 Tonnen jährlich. Das Kraftwerk verwertet rund 320.000 Tonnen nicht vollständig recycelbarer Abfälle pro Jahr und liefert Prozessdampf und Strom an die Industrieunternehmen im Chemiepark Knapsack im Rheinischen Revier. "In Deutschland verursacht die Abfallverbrennung jährlich rund 5 Mio. Tonnen CO2", betonte Sarah Endres, Deputy Head Business Development bei der EEW. Rund die Hälfte der Emissionen sei biogenen, also natürlichen Ursprungs. "Wenn das bei der Verbrennung entstehende CO2 hieraus abgeschieden und gespeichert wird, entstehen Negativemissionen", verdeutlichte Endres die Potenziale der CO2-Abscheidung.

 

Modellregion für Carbon Management?

 

Sollte das Projekt umgesetzt werden, könnte Knapsack zu einer CO2-Modellregion im Rheinland werden. Die Nähe zu großen Industrieclustern, bestehenden Energie- und Stoffverbundsystemen sowie die hohe Dichte an Emittenten prädestinieren die Region für eine CO2-Infrastruktur. Für das Vorhaben arbeitet die EEW vor allem mit Yncoris als Standortbetreiber des Chemieparks zusammen. Mit Blick auf den Transport und die Abwicklung der Speicherung des CO2s kooperiert der Abfallverwerter mit Sefe sowie OGE. 

 

Doch die Zeit drängt: Selbst bei einem optimalen Verlauf wäre der Abschluss von Genehmigungsverfahren, Planung und Bau erst bis 2032 realistisch, wie Endres berichtete. Die notwendigen Pipelines zum CO2-Abtransport gingen sowieso kaum vorher in Betrieb, betonte Jan Willem Lenders, Senior Project Manager bei OGE, mit einem Augenzwinkern. Denn auch hier sei ein zügiges Vorankommen von Regelungen, Genehmigungen und dem Bau abhängig.

 

Technische Herausforderungen und hohe Kosten

 

Bis die notwendigen Rahmenbedingungen in Deutschland vollständig geschaffen sind, sammelt die EEW erste Erfahrungen bei Pilotprojekten in den Niederlanden. Diese zeigen, dass die sogenannte Aminwäsche - ein chemisches Verfahren zur Abtrennung von CO2 aus Gasgemischen - derzeit die einzig großtechnisch verfügbare CCS-Technologie sei, fasste Endres zusammen. Daher werde sich die EEW auf dieses Verfahren zur CO2-Rückgewinnung konzentrieren. Doch der Vorgang ist energieintensiv und benötigt zusätzliche Infrastruktur. Diese sei längst nicht an jedem EEW-Standort realisierbar, da sie platzintensiv sei. Für Knapsack habe eine Prüfung aber ergeben, dass eine Abscheidungsanlage im mehrstöckigen Bau möglich sei.

 

Allerdings spielen auch die Kosten für Errichtung und Betrieb der Anlagen eine große Rolle. Allein die Abscheidung und dauerhafte Speicherung von CO2 aus Knapsack würden nach ersten Modellrechnungen über 300 Euro pro Tonne kosten. Mit Blick auf die CO2-Preise kein leichtes Unterfangen, wie Endres eingestand. Denn die CO2-Preise werden in den nächsten Jahren voraussichtlich kaum über 300 Euro pro Tonne steigen. Zum Vergleich: Für 2026 liegt der Preis derzeit bei rund 73 Euro pro Tonne CO2. "Da wird immer eine Schere zu den Gesamtkosten bleiben", rechnete Endres vor. Rund 90 Prozent der Gesamtkosten entfallen auf den Betrieb der Abscheidungsanlage - also Opex-Kosten - wobei Transport und Speicherung den größten Anteil ausmachen. Doch diese Kosten werden nicht gefördert. Lediglich die 10 Prozent anfallenden Capex-Kosten fördert die EU über ihren Innovation-Fund, bemängelte Endres. Eine Opex-Förderung wäre für solche Projekte sinnvoll, beispielsweise über Klimaschutzverträge, beschrieb sie weiter. 

 

Drei Pipelines zur Auswahl

 

Hinzu komme die Frage der Infrastrukturkosten. Für Knapsack wäre die Nutzung einer Pipeline anstelle von Trailern oder Schiffen zwar eine Möglichkeit, doch die abgeschiedenen CO2-Mengen reichen für einen durchgehenden Pipelinebetrieb im Zweifel nicht aus. Markus Menges, Senior Vice President Hydrogen Clean Energies bei Sefe, erklärte: "Die Transportkosten sind ein großes Fragezeichen. Durch Mengenbündelung lassen sich Kosten senken, aber das ist noch schwierig." Menges schlug ähnlich wie beim Wasserstoff-Kernnetz ein Amortisationskonto vor. Aus dem, was beim Kernnetz gut und schlecht lief, könne perspektivisch beim CO2-Netz gelernt werden. Zudem gebe eine Art Amortisationskonto den Unternehmen die nötige Sicherheit, Projekte anzustoßen.

 

Insgesamt böten sich für die EEW perspektivisch drei CO2-Pipelines an. Eine führt in Richtung Belgien und leitet das CO2 zur Speicherung nach Norwegen weiter. Die zweite Pipeline reicht in die Niederlande in Richtung Rotterdam. Eine dritte geplante Pipeline führt nach Wilhelmshaven und leitet das CO2 ebenfalls nach Norwegen. Doch keine der Pipelines sei fertig, zudem fehle noch ein einheitlicher regulatorischer Rahmen. Der Flickenteppich bei Transportstandards und fehlende Förderinstrumente bremsen den Hochlauf, betonte Menges. Zudem stelle sich noch die Frage, ob es wirtschaftlicher und einfacher sei, das CO2 gasförmig oder flüssig zu transportieren.

 

Speicherung on- oder offshore?

 

Endres warf im Gespräch mit energate zudem die Frage nach den Speicherorten auf. "Warum sprechen wir nicht auch über eine Onshore-Speicherung?", fragte sie mit Blick auf die im Kohlenstoff-Speicherungsgesetz (KSpG) geschaffene Möglichkeit. "Eine Speicherung onshore würde uns die Kosten der Pipelinenutzung sparen", gab Endres klar zu verstehen. Vorstellen könne sie sich zudem, dass für die Speicherung in den jeweiligen Bundesländern kleine Beträge abgeführt werden könnten, "die zurück in die Wertschöpfung der Region fließen". /hp

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