Nabu gegen "überragendes öffentliches Interesse" für CCS
Essen (energate) - Beim Energiepolitischen Dialog Ruhr des Fernleitungsnetzbetreibers Open Grid Europe (OGE) sprach sich eine Nabu-Vertreterin gegen ein "überragendes öffentliches Interesse" für CCS-Infrastruktur aus. Für Steffi Ober, Leiterin Ökonomie und Forschungspolitik des Naturschutzbundes (Nabu), zeige dies auch symbolhaft eine Zurücksetzung ökologischer Interessen und ihrer Vertreter bei dem Thema. Gastgeber und OGE-Vorstandsvorsitzender Thomas Hüwener widersprach dem vehement. Es gebe trotzdem das Planfeststellungsverfahren mit allen Mitwirkungs- und Einspruchsmöglichkeiten. Das Thema sei ihm wichtig, er lud Ober ein, dies im bilateralen Gespräch im Nachgang der Veranstaltung zu vertiefen.
Prozesse sollen schneller und einfacher werden
In ihrem Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und SPD nicht nur vereinbart, umgehend ein Gesetzespaket zu beschließen, welches die Abscheidung, den Transport und die Speicherung von Kohlendioxid ermöglicht, sondern auch das "überragende öffentliche Interesse" für den Bau dieser Leitungen festzustellen. Das soll Planungsprozesse beschleunigen und vereinfachen. Der zuständige Referatsleiter im Wirtschaftsministerium, Malte Bornkamm, geht davon aus, dass das überragende Interesse in den Entwurf des Gesetzes zu Kohlenstoffdioxidspeicherung und -transport aus der letzten Legislaturperiode eingearbeitet wird. Ob es weitere Änderungen geben wird, bleibt abzuwarten. Bornkamm wollte sich dahingehend nicht festlegen, da dies die neue Spitze des Hauses entscheiden muss.
Holcim und OGE planen gemeinsames Projekt
Keine Zusage wollte er zudem bezüglich des Zeitplans geben. Hüwener, aber auch Thorsten Hahn, Vorstandsvorsitzender des Zementherstellers Holcim Germany, forderten eine Verabschiedung des Gesetzes spätestens bis zum Herbst dieses Jahres. Holcim verfolgt am Standort Lägerdorf (Schleswig-Holstein bei Brunsbüttel) ein CCS-Projekt und will zeitnah eine Investitionsentscheidung fällen. 3,8 Mio. Tonnen CO2 will das Unternehmen pro Jahr abscheiden. OGE will die Pipeline bauen, um CO2 an die Küste zu transportieren. Von dort kann das CO2 in Offshore-Lagerstätten auch außerhalb Deutschlands transportiert werden. Um dies zu ermöglichen, muss Deutschland eine Änderung zum London-Protokoll ratifizieren. Dies müsse parallel zur Verabschiedung eines CCS-Gesetzes geschehen, sagte Hüwener.
Onshore-Speicherung bleibt Streitthema
Weder Hahn noch Hüwener wollten sich aktuell für eine Onshore-Speicherung von CO2 in Deutschland aussprechen, welche Umweltverbände wie der Nabu strikt ablehnen. Hüwener wies darauf hin, dass auch die deutsche Wasserindustrie große Bedenken hat und plädierte dafür, mit der Offshore-Speicherung zu starten, um ins Machen zu kommen. Befürworter der Onshore-Speicherung verweisen auf die deutlich niedrigeren Kosten und entsprechende Aktivitäten der deutschen Nachbarstaaten. Auch Hahn gab zu bedenken, dass für viele Standorte in Süddeutschland eine Onshore-Speicherung in der Nähe der Standorte große Vorteile hätte. Aber nicht nur Hahn und Hüwener, auch Ober befürwortet grundsätzlich die Verabschiedung eines CCS-Gesetzes: "Vor zehn Jahren war der Nabu strikt gegen CCS, da dies genutzt werden sollte, um Kohlekraftwerke am Netz zu halten", sagte sie. Das Thema habe sich erledigt. Für nicht oder nur schwer vermeidbare Emissionen bestimmter Industrien sei nun auch für den Nabu CCS die verfügbare Dekarbonisierungsoption.
Hüwener betonte mehrfach, dass eine gesetzliche Grundlage allein nicht reicht, die Finanzierungsfrage sei zu klären. Hahn sagte, bei einem CO2-Preis doppelt so hoch wie der aktuelle CO2-Preis, also rund 150 Euro/t, sei bei dem Lägerdorf-Projekt der Break-even erreicht. Er plädierte dafür, grüne Leitmärkte als eine Finanzierungsoption umzusetzen. Denn grüner Zement werde Bauprojekte nur um rund sechs Prozent verteuern. /hl