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Der Wasserstoffimport ist komplexer als gedacht

Essen (energate) - Noch bis Mitte September läuft der Teilnehmerwettbewerb für die zweite Auktionsrunde der H2-Global-Stiftung. Über das Ausschreibungssystem soll grüner Wasserstoff aus Projekten weltweit nach Deutschland kommen. Aber wie effizient lässt sich Wasserstoff aus Ländern außerhalb Europas eigentlich importieren und welches Preisschild wird das grüne Gas am Ende haben? Daran scheiden sich aktuell die Geister. Erst kürzlich hatte eine Studie der Technischen Universität München festgestellt, dass - zumindest aus Afrika - der Import doch deutlich teurer würde als bislang angenommen. Die Forschenden hatten 10.000 Standorte untersucht, davon waren nur zwei Prozent für einen Export nach Europa wettbewerbsfähig. Hintergrund war auch, dass soziopolitische Risiken bisher nicht ausreichend in die Kalkulationen eingeflossen sind.

 

Pipelinetransport ist günstiger

 

Es ist nicht die erste Untersuchung, die in eine solche Richtung geht. So hatten ebenfalls in diesem Jahr Forscher des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme für das Umweltministerium Baden-Württembergs untersucht, aus welchen Weltregionen die Unternehmen im Ländle am günstigsten Wasserstoff beziehen könnten. Ihr Fazit: Das europäische Ausland schneidet dabei besser ab als Regionen in Übersee. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hatten dabei Ostkanada, Algerien, Marokko, die Vereinigten Arabischen Emirate, Norwegen, Finnland, Schottland und Spanien verglichen. Knackpunkt war bei dieser Studie der mögliche, deutlich günstigere Transport über bestehende Pipelineverbindungen im Vergleich zum Schiffstransport als Ammoniak.

 

Vor diesem Hintergrund gibt es auch viele Stimmen, die auf die Wichtigkeit der heimischen Wasserstoffproduktion drängen, schon allein aus Resilienzgründen. "Wir sprechen ständig über kritische Infrastrukturen und Deutschlands Unabhängigkeit - und beim Wasserstoff setzen wir auf Importrouten aus Marokko oder Tunesien, in der Hoffnung, dass der Wasserstoff von dort schneller und sicherer zu uns kommt als über lokale Elektrolyseure", gab etwa Badenova-Netze-Geschäftsführerin Julie Bürkle-Weiß im Gespräch mit energate zu bedenken.

 

H2-Global setzt auf Import von Wasserstoff für den Hochlauf

 

Von solchen Berechnungen und Überlegungen will sich Timo Bollerhey sicher nicht beeindrucken lassen. Er ist CEO von Hintco und Mitbegründer der Stiftung H2-Global. Diese gibt es seit 2021, sie verfolgt das Ziel, den weltweiten Markthochlauf für Wasserstoff voranzubringen. Die Kernidee von H2-Global ist das sogenannte "Doppelauktionsmodell", das die Differenz zwischen den hohen Preisen, zu denen Wasserstoff aktuell auf dem Weltmarkt verfügbar ist, und den niedrigeren Preisen, zu denen Wasserstoff wirtschaftlich eingesetzt werden kann, überbrückt. Diese Ausschreibungen sind auch ein zentraler Baustein der deutschen Wasserstoffstrategie. Denn schon bis 2030 sollen zwischen 50 und 70 Prozent des in Deutschland benötigten Wasserstoffs aus Importen stammen. Die Bundesregierung stellt für das Förderkonzept deswegen insgesamt über 1 Mrd. Euro zur Verfügung. Davon entfallen 486 Mio. Euro auf Regionallose für Produzenten in Afrika, Asien, Nordamerika und Südamerika sowie weitere 567 Mio. Euro für das globale Los.

 

"Vielleicht darf es am Ende mehr kosten"

 

Für Bollerhey ist die Ausgestaltung des Wasserstoffimports vor diesem Hintergrund ein Stück weit eine politische Entscheidung. Nur der Blick auf das Preisschild reicht für ihn deswegen nicht aus, wie er im Interview mit energate unterstrich: "Wenn Europa Lieferketten in Regionen strategisch aufbauen will, darf es vielleicht am Ende auch mehr kosten." In den vergangenen Wochen war er mit seiner Gesellschaft auf einer Art Roadshow unterwegs, um im nicht europäischen Ausland für die zweite Runde des Projekts zu werben und es weiter bekannt zu machen. Von dem Interesse sei er "positiv überrascht gewesen". Insgesamt kamen fast 2.000 Teilnehmende zusammen. Natürlich hieße dies nicht, dass dahinter genauso viele konkrete Wasserstoffprojekte stehen, räumt Bollerhey ein. Zumal sich auch viele Vorhaben für den Wasserstoffexport noch in einem frühen Stadium befänden. Zum Vergleich: Bei der ersten Ausschreibungsrunde hatten 1.400 Unternehmen aus 65 Ländern Unterlagen angefordert.

 

Vorgaben für Export nach Europa sind nicht ohne

 

Nichtsdestotrotz hätten insbesondere die Erfahrungen aus der ersten Runde gezeigt, dass dieser frühe Austausch wichtig sei, auch um Missverständnisse bei den Anforderungen zu beseitigen. Denn dass diese nicht ohne sind, das bestätigt auch H2-Global-Vertreter Bollerhey. Zentral dabei ist der delegierte Rechtsakt der RED III mit seinen strengen Regularien, Wasserstoff oder Derivate RFNBO-konform nach Europa zu liefern. "Die Vorgaben sind im internationalen Kontext nicht immer ganz so leicht umzusetzen", sagt er. Zwar habe es bei den freiwilligen Zertifizierungssystemen, den sogenannten Voluntary Schemes, Fortschritte gegeben, insofern als dass nun mittlerweile fünf Stück akkreditiert sind. Trotzdem blieben noch viele Fragezeichen, etwa bei der Beschaffung des Grünstroms für die Elektrolyseure in puncto temporale und geografische Korrelation. "Wichtig ist uns, dass die Bieter verstehen, dass wir bei den Anforderungen kein Auge zudrücken können", unterstreicht Bollerhey.

 

Bieter hatten mehrfach um Aufschub gebeten

 

Dass das ganze Verfahren auch wegen dieser komplexen Regularien Zeit braucht, war eines der Hauptlearnings aus der ersten Ausschreibungsrunde. Darauf hatten zum Beispiel auch Experten wie Matthias Janssen, Associate Director der Beratungsgesellschaft Frontier Economics, aufmerksam gemacht. "Es hat sich gezeigt, dass der Abschluss von bindenden Lieferverträgen komplex ist und einen deutlich größeren Vorlauf benötigt", berichtete er damals im energate-Interview. So hatten die Bieter mehrfach um einen Aufschub gebeten. Die ersten Lieferungen des letztlich erfolgreichen Produzenten, des emiratisch-niederländischen Konsortiums Fertiglobe, sind nun für 2027 vorgesehen, geplant war ursprünglich mal 2025. Ab dann will das Unternehmen jährlich bis zu 80.000 Tonnen grünes Ammoniak nach Europa liefern.

 

Lieferung noch ab 2028 vorgesehen

 

Für die zweite Runde ist eine Lieferung Stand jetzt ab 2028 vorgesehen. Allerdings bemüht sich die Bundesregierung laut Bollerhey aktuell, die Mittel nochmals zu verschieben, "sowohl in den Jahresscheiben als auch im Volumen". Im Unterschied zum ersten Pilotverfahren sollen zudem nicht nur fünf, sondern alle Projekte, die die Eignungsprüfung bestehen, eine Einladung zum Verhandlungsverfahren erhalten. "Es ist auch möglich, dass mehrere Projekte bezuschlagt werden, das hängt jetzt von den konkreten Geboten ab", gibt Bollerhey weiter Einblick in das laufende Verfahren. So könne es sein, dass der Bestbietende nicht auf das gesamte Volumen abzielt. Ab Anfang Q2 bis Ende nächsten Jahres will H2-Global dann entsprechende Zuschläge erteilen. Die insgesamt langen Zeiträume sieht Bollerhey jedenfalls nicht kritisch, denn immerhin winke am anderen Ufer eben "nicht nur eine Absichtserklärung, sondern ein echter Vertrag". /ml

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