Der Netzausbau stößt an seine Grenzen
Berlin (energate) - Die Warnungen aus der Netztechnikbranche vor Verzögerungen beim Ausbau der Stromnetze nehmen zu. Die Gründe dafür liegen aber nicht wie in der Vergangenheit in den langwierigen Planungs- und Genehmigungsverfahren. Inzwischen setzt die Verfügbarkeit von technischen Komponenten und Fachkräften dem Systemumbau im Stromsektor enge Grenzen. So warnte etwa Bahadir Basdere, CEO des Netztechnikzulieferers Trench, im Interview mit energate: "Wenn Sie die großen Investitionssummen in die Energieinfrastruktur, die im Raum stehen, allein auf den Kupferbedarf runterbrechen, dann ergibt sich ein einfacher Dreisatz: Die Verfügbarkeit wird für die ambitionierten Zeithorizonte bis 2035 oder 2050 schlicht nicht ausreichen." Die Zeitstrecke für Ausbau und Modernisierung der Stromnetze werde am Ende deutlich länger ausfallen als bislang anvisiert, zeigte sich der Manager überzeugt.
Hersteller kommen nicht hinterher
Beispielhaft verwies der CEO auf die Lieferzeiten für große Leistungstransformatoren, die drei bis vier Jahre in Anspruch nehmen können. Obwohl sämtliche Hersteller derzeit die Kapazitäten hochfahren, kämen sie angesichts der enormen Nachfrage mit der Produktion nicht hinterher, so der Trench-Geschäftsführer. Dass Lieferengpässe den Netzausbau ausbremsen könnten, ist indes keine neue Erkenntnis. Im Oktober 2024 hatten die Verbände BDEW und ZVEI ähnliche Warnungen ausgesprochen. Anlass war damals eine Branchenanalyse, die den Bedarf an Betriebsmitteln für den Ausbau der Stromverteilnetze ermitteln sollte. Das Ergebnis: Allein für die Umspannung von Mittel- auf Niederspannung werden bis 2045 rund eine halbe Million neue Transformatoren benötigt - also 80 Prozent des aktuellen Bestands. Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung, warnte in dem Kontext vor einer "weltweit noch nie dagewesenen Verschärfung der Nachfrage" - und eben Lieferengpässen.
"Sehr schnell Kapazitäten auf- und ausbauen"
Der Hersteller Trench hat bereits seine Schlüsse gezogen: "Wir müssen sehr schnell Kapazitäten auf- und ausbauen. Nicht nur in der Fertigung, sondern vor allem bei Experten und Menschen - und das weltweit", erklärte Basdere. Zahlen des europäischen Dachverbands der Netztechnikhersteller T&D Europe belegen den Trend: Ende Mai veröffentlichte der Branchenverband Ergebnisse einer Branchenumfrage, wonach allein die elf größten Netztechnikzulieferer mehr als 9 Mrd. Euro investiert haben, um ihre globalen Produktionskapazitäten auszubauen. Zu den Unternehmen zählen beispielsweise ABB, Eaton, GE Vernova, Hitachi Energy, Schneider Electric und Siemens Energy, die zumindest in Teilen zu den Kunden der Trench Group gehören.
Die Trench Group mit Hauptsitz in Berlin gilt als einer der weltweit führenden Anbieter von Hochspannungs-Komponenten für Stromnetze. Zum Produktportfolio gehören Messwandler, Drosselspulen und Isolatoren, wie sie insbesondere in Umspannwerken zum Einsatz kommen. Bis 2024 gehörte das Unternehmen zu Siemens Energy, bis der Konzern das Geschäft für mutmaßlich einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag an den Finanzinvestor Triton verkaufte.
China ist keine Lösung
China als großer Technikimporteur wird Basdere zufolge nicht wesentlich zur Deckung der Nachfrage beitragen. Denn bei systemkritischen Komponenten seien chinesische Hersteller derzeit außen vor. Zudem spielten Lieferanten aus Fernost gerade in der Hochspannung nur eine geringe Rolle. "Insbesondere in der HGÜ-Technologie gibt es weltweit nur eine sehr geringe Zahl an Playern - wir sind einer davon", so Basdere. Er räumte indes ein, dass chinesische Lieferanten in der Vergangenheit durchaus systemkritische Komponenten nach Europa geliefert haben. Dies habe sich aber "mit der aktuellen geopolitischen Lage und mit den nachweislichen Angriffen auf die europäische Energieinfrastruktur komplett gedreht". Auch Trench habe seine Lieferketten inzwischen angepasst.
Mit kritischen Worten bedachte Basdere derweil das Energiewende-Monitoring, das Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) initiiert hat. Diese Diskussion sei "schädlich, weil sie dazu führt, dass man ständig das Fähnchen in den Wind hängt und Planungsprozesse und Investitionsentscheidungen immer wieder ausbremst", sagte er. Das Netz sei aktuell der Engpass im ganzen Energiesystem. "Wenn wir hier jetzt auf die Bremse treten, dann stellen wir uns am Ende selbst ein Bein", warnte der Trench-CEO. /rb
Das gesamte Interview mit Bahadir Basdere, CEO der Trench Group, lesen Sie im Add-on Strom.