Bundesnetzagentur prüft Manipulation im L-Gasmarkt
Bonn (energate) - Die Transparenzstelle der Bundesnetzagentur prüft mögliche Manipulationen im deutschen L-Gasmarkt. Es geht um entsprechende REMIT-Vorgaben, wie ein Sprecher der Behörde gegenüber energate bestätigte. In einer E-Mail an energate erläuterte der Sprecher weiter, seit Mitte Mai habe der Marktgebietsverantwortliche Trading Hub Europe (THE) große Regelenergiemengen für eine Konvertierung von L-Gas in H-Gas eingesetzt. Dadurch seien bis Mitte Juli Kosten von rund 60 Mio. Euro entstanden. Für den Regelenergieeinsatz seien im Wesentlichen wenige Bilanzkreise verantwortlich. Die Markttransparenzstelle hat Ermittlungen gegen verschiedene Bilanzkreisverantwortliche eingeleitet. Diese stammen aus verschiedenen Ländern. Deshalb werden im Verlauf der Ermittlungen möglicherweise andere nationale Regulierungsbehörden und die europäische Regulierungsagentur Acer einbezogen. Zuerst hatte der Informationsdienstleister Montel über diesen Fall berichtet.
Gespräche laufen mit den Bilanzkreisen
Wie die Manipulation erfolgt sein soll, sagt die Bundesnetzagentur nicht. Eine Sprecherin von THE teilte energate auf Anfrage mit, das Unternehmen habe ein ungewöhnliches Nominierungsverhalten einiger Bilanzkreisverantwortlicher (BKV) festgestellt, die entsprechende Regelenergieaktivitäten seitens THE verursacht haben. Mit den BKV habe der Marktgebietsverantwortliche Gespräche geführt. Zudem wurden eine Verdachtsmeldung gegenüber der Marktransparenzstelle abgegeben und Gespräche mit der Bundesnetzagentur geführt. THE begrüßt die Untersuchungen der behördlichen Stellen.
Beschaffung im Regelenergiemarkt günstiger?
Ein Händler meinte, das "ungewöhnliche Nominierungsverhalten" könne in Re-Nominierungen bestehen, mit denen die Erstnominierung für die L-Gas-Einspeisung reduziert wird. Wenn THE seine Regelenergiedisposition an der Erstnominierung ausrichte, werde L-Gas im Regelenergiemarkt verkauft. Die Beschaffung von L-Gas im Regelenergiemarkt könnte für einige BKV günstiger als die Beschaffung von Händlern sein. Wobei Marktteilnehmer bezweifeln, dass der hohe L-Gas-Überschuss allein mit solchen möglichen Manipulationen zu erklären ist. Für einzelne Marktteilnehmer könne es effizienter sein, L-Gas aus den Niederlanden zu importieren, sagte ein Gesprächspartner.
Ungewöhnliche L-Gas-Schwemme
Sebastian Klein, Senior Expert von Enervis Energy Advisors, einer Beratungsgesellschaft im Energiesektor, hat auf dem Portal "LinkedIn" auf die enorm hohe Konvertierung von L-Gas in H-Gas hingewiesen. Im aktuellen Gaswirtschaftsjahr werde erstmals mehr L-Gas in H-Gas konvertiert, als das niederkalorische Gas in Deutschland physisch durch die Endkunden verbraucht wurde. Im Juni 2025 sei mehr als die Hälfte des deutschen H-Gas-Verbrauchs durch bilanziell konvertiertes L-Gas gedeckt. Klein nennt in seinem Post keinen Grund für die ungewöhnliche L-Gas-Schwemme. Ermöglicht wird sie, da für die bilanzielle Konvertierung von L-Gas in H-Gas seit dem 1. Oktober 2016 kein Entgelt zu entrichten ist. Lediglich für die Konvertierung von H-Gas in L-Gas hatte die Bundesnetzagentur das Entgelt mit der Festlegung Konni Gas 2.0 Ende 2016 verlängert.
Ausgleich durch kommerzielle Konvertierung
Der Marktgebietsverantwortliche muss die bilanzielle Bilanzierung durch sogenannte kommerzielle Konvertierungsmaßnahmen ausgleichen. Dabei wird das überschüssige L-Gas im System verkauft und das fehlende H-Gas gekauft. Die Differenz zwischen dem Ankaufs- und dem Verkaufspreis sind die Kosten der kommerziellen Konvertierung, die auf dem Konvertierungskonto gesammelt werden. Wenn der Saldo des Kontos unter den Liquiditätspuffer sinkt, muss die Differenz durch eine Konvertierungsumlage ausgeglichen werden, die auf alle physischen Entry-Mengen in das Marktgebiet erhoben werden.
Kommt die Konvertierungsumlage zurück?
Zuletzt hatte es eine Umlage in Höhe von 0,38 Euro/MWh in der Umlageperiode vom Oktober 2022 bis Oktober 2023 gegeben. Der von der Bundesnetzagentur bezifferte Schaden von rund 60 Mio. Euro dürfte vor allem in den Kosten für die kommerzielle Konvertierung bestehen. Gemäß den THE-Daten, schreibt Klein, seien allein im Juni Kosten von 33 Mio. Euro angefallen. Die Wiedereinführung einer Konvertierungsumlage sei möglich, da das Guthaben auf dem Konvertierungskonto unter dem Liquiditätspuffer liege. Auch die Regulierungsbehörde hält es für wahrscheinlich, dass aufgrund von ihr genannten Kosten wieder eine Umlage erhoben wird.
2016 gab es einen ähnlichen Verdacht
Es ist das zweite Mal, dass über den Verdacht diskutiert wird, Manipulationen könnten das Konvertierungssystem beeinflussen. Das letzte Mal war dies 2016 der Fall, als die Kosten des Konvertierungssystems im damaligen NCG-Marktgebiet drastisch stiegen. Damals wurde vermutet, bei der Konvertierung von H-Gas nach L-Gas könne missbräuchlich gegen das System optimiert werden. Dies wurde nie eindeutig nachgewiesen. Aber Konni Gas 2.0 war die Konsequenz. Mit einer Konni Gas 3.0 könnte die Bundesnetzagentur wohl auch wieder ein Konvertierungsentgelt von L-Gas nach H-Gas festlegen. Voraussetzung wäre aber ein entsprechender Festlegungsprozess. /hl