50 Hertz startet Blindleistungsmarkt
Berlin (energate) - Der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) 50 Hertz hat als erster deutscher ÜNB die marktliche Beschaffung von Blindleistung zur Spannungshaltung eingeführt. Die Erbringungsphase ist zum 1. April gestartet, teilte 50 Hertz mit. Mit der Einführung eines Blindleistungsmarkts setzt 50 Hertz eine Vorgabe der Bundesnetzagentur um. Der Blindleistungsmarkt soll ab dem 1. Juli 2025 die bisherige Praxis der bilateralen Verträge mit Kraftwerksbetreibern ablösen. Am Blindleistungsmarkt können Anbieter teilnehmen, deren Blindleistungsquelle an das Höchstspannungsnetz von 50 Hertz angeschlossen ist. Der ÜNB hat das Netzgebiet in fünf Beschaffungsregionen aufgeteilt, weil die Spannungsregulierung über Blindleistung kleinräumig organisiert werden muss.
Wettbewerb soll Beschaffungskosten senken
Ziel des neuen Marktes ist es, die Beschaffungskosten für Blindleistung durch mehr Markttransparenz und Wettbewerb zu reduzieren. Zugleich sollen mehr Potenziale zur Erbringung der Blindleistung erschlossen werden. "Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien geht ein Abbau konventioneller Kraftwerkskapazitäten einher", erklärte Stefan Kapferer, CEO von 50 Hertz. Erneuerbare, Batterien, Elektrolyseure und auch Konverteranlagen müssten daher die Bereitstellung von Blindleistung in Zukunft mehr und mehr übernehmen. Einen ähnlichen Übergangsprozess gibt es bei der Regelenergie, bei der die Erneuerbaren in Zukunft mehr Systemverantwortung übernehmen sollen. Eine Branchenkonsultation fand Ende Februar statt.
50 Hertz führte in der Vergangenheit bereits Pilotprojekte zur Blindleistungserbringung von Erneuerbaren durch. Deutschlands größter Solarpark in Witznitz ist direkt an das Übertragungsnetz angeschlossen und kann Blindleistung erbringen. Auch in der Uckermark testete 50 Hertz gemeinsam mit Enertrag die Blindleistungsfähigkeit - diesmal bei einem Windpark. Über die Wechselrichter können die Erneuerbaren-Anlagen auch dann Blindleistung liefern, wenn sie keine Wirkleistung einspeisen. Laut 50 Hertz haben die positiven Erfahrungen aus den Pilotprojekten dazu geführt, dass die ÜNB die Vorgaben der Bundesnetzagentur schnell in die Praxis überführen konnten.
Blindleistung: Nicht nutzbar, trotzdem notwendig
Damit Strom im Wechselstromnetz fließen kann, muss 50-mal pro Sekunde ein Magnetfeld auf- und abgebaut werden. Weil die Leistung zum Aufbau eines Feldes bei dessen Abbau wieder ans Netz zurückgegeben wird, bezeichnet man diese Leistung als Blindleistung. Sie verrichtet keine nutzbare Arbeit, wird aber für den Aufbau der Spannung benötigt. Grundsätzlich müssen die Netze so dimensioniert werden, dass sie neben der Wirkleistung - also die elektrische Leistung, die beim Verbraucher ankommt - auch die pendelnde Blindleistung transportieren können. Bei einem steigenden Anteil von Blindleistung im Netz verringert sich die verbleibende Kapazität für die Wirkleistung. Weniger Strom in Form von elektrischer Ladung kann also transportiert werden. /rh