Zum InhaltZum Cookiehinweis

RSS Feed

"Wir dürfen beim Ausbautempo nicht nachlassen"

Berlin (energate) - BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae sieht im Energiewende-Monitoring von BET und Ewi ein klares Bekenntnis zum weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien. Im Interview mit energate fordert sie nun klare gesetzliche Rahmenbedingungen, warnt vor fatalen Signalen an Investoren durch unzureichende  Ausschreibungsdesigns und erklärt, warum Flexibilität, Digitalisierung und eine stärkere Marktintegration der Erneuerbaren jetzt entscheidend sind.

 

energate: Frau Andreae, im Vorfeld des Energiewende-Monitorings wurde die Befürchtung laut, der Bericht könnte zur Bremse für den Erneuerbarenausbau werden. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall, das Monitoring bekräftigt den Ausbaukurs. Hat Sie das überrascht?

 

Andreae: Nein, keineswegs. Beim Monitoring-Bericht handelt es um eine Metastudie. Die zugrundeliegenden Studien waren bekannt und keine zielte darauf, die Erneuerbaren zurückzufahren. Am Ausbaubedarf ändert sich nichts. Wir haben das einmal nachgerechnet: Wenn wir die bisherigen Volllaststunden und die Ausbauziele erreichen, kommen wir auf eine Erzeugung von 512 bis 575 TWh. Selbst bei einem relativ geringen Strombedarf von 620 TWh müssen wir die Erneuerbaren weiter mit hohem Tempo ausbauen, wenn wir die 80 Prozent mit guter Wahrscheinlichkeit schaffen wollen. Das Monitoring rechnet bis 2030 mit 600 bis 700 TWh. Das zeigt, dass wir beim Ausbautempo nicht nachlassen dürfen. Der Bericht betont aber richtigerweise auch, dass System- und Kosteneffizienzpotenziale gezielt identifiziert und gehoben werden sollten.

 

energate: Was sind dabei Ihre konkreten Erwartungen?

 

Andreae: Wir haben zunächst einmal die Erwartung, dass die Branche bei den weiteren Ableitungen eng eingebunden wird. Für ein "Trial and Error" fehlt die Zeit. Zweitens benötigen wir zügige Gesetzgebungsprozesse. Die Unternehmen brauchen einen verlässlichen Kurs, Planungs- und Investitionssicherheit. Die Umsetzung der RED-III-Richtlinie ist angekündigt. Auch das Windenergie-auf-See-Gesetz muss schleunigst reformiert werden. Dänemark und Großbritannien haben nach Nullgebotsrunden sehr schnell nachgeschärft, um einen Fadenriss zu vermeiden. Daran sollten wir uns orientieren.

 

energate: Das heißt?

 

Andreae: Die nächste Ausschreibungsrunde sollte verschoben werden, bis die Novelle des Windenergie-auf-See-Gesetzes steht und das künftige Ausschreibungsdesign klar ist. Eine weitere Nullgebotsrunde wäre ein fatales Signal an internationale Investoren. Dänemark und Großbritannien haben umgehend eine CfD-Regelung eingeführt - das war der Schlüssel. Zudem sollten die Flächen effizienter zugeschnitten und das Ausbauziel in TWh statt nur in installierter Leistung bemessen werden. Offshore liefert sehr hohe Volllaststunden - vorausgesetzt, Flächenzuschnitt, Design und europäische Kooperationen sind klug gelöst. Das benennt der Monitoring-Bericht ausdrücklich.

 

"Ein abruptes Umschwenken wäre nicht zielführend"

 

energate: Das Monitoring empfiehlt, die Förderung der Erneuerbaren gänzlich auf den Prüfstand zu stellen. Nach Worten von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche soll als erstes die Förderung für Aufdach-Solaranlagen entfallen. Ein richtiger Schritt?

 

Andreae: Es ist richtig, Subventionen und Steuermittel regelmäßig zu überprüfen. Wir halten eine stärkere Marktintegration der Erneuerbaren für den richtigen Weg. Ein abruptes Umschwenken wäre jedoch nicht zielführend. Erforderlich ist eine Übergangsphase, etwa über ein Markt-Mengen-Modell. Perspektivisch sollten wir außerdem weg von der produktionsabhängigen hin zu einer produktionsunabhängigen Förderung. Das alles wurde in der vergangenen Legislaturperiode im Rahmen der Plattform klimaneutrales Stromsystem bereits ausführlich diskutiert. Nun müssen konkrete Maßnahmen folgen. Denn klar ist: Beim jetzigen Regime wird es nicht bleiben.

 

energate: Was heißt das kurzfristig für die PV-Förderung?

 

Andreae: Entscheidend ist, ungesteuerten PV-Strom besser ins System zu integrieren - Stichwort Direktvermarktung, Steuerbarkeit und die Einbindung von Heimspeichern. Erst wenn diese Rahmenbedingungen stehen und Klarheit bei der Reform der Allgemeinen Netzentgeltsystematik - AgNes - herrscht, lässt sich die Förderfrage substanziell neu bewerten.

 

energate: Steuerbarkeit braucht intelligente Messsysteme. Der Smart-Meter-Rollout verläuft aber weiterhin schleppend. Die Autoren des Monitoring-Berichts regen daher an, den Sanktionsdruck auf die zuständigen Messstellenbetreiber zu erhöhen. Was hält der BDEW dem entgegen?

 

Andreae: Digitalisierung und Steuerbarkeit sind zentrale Schlüssel für mehr Kosteneffizienz. Neben Standardisierung und Vereinheitlichung geht es dabei auch um effizientere Umsetzungslogiken, etwa ganze Straßenzüge vollständig, statt punktuell umzurüsten. Ein reiner Fokus auf Sanktionen greift zu kurz. Wichtiger ist, die Strukturen so zu gestalten, dass Tempo möglich wird, indem der Rollout der Smart Meter nicht durch unrealistische Zeitpläne für den Steuerungsrollout gebremst wird.

 

Wasserstofffähigkeit ist der richtige Weg 

 

energate: Tempo fordert die Energiebranche schon seit längerem auch bei der Umsetzung der Kraftwerksstrategie. Macht Ihnen der jetzt vorliegende Monitoring-Bericht diesbezüglich Hoffnung?

 

Andreae: Generell macht mir das Tempo Sorge und wir verlieren die Geduld. Die beihilferechtliche Genehmigung durch die EU-Kommission bleibt die zentrale Hürde. Aus dem Monitoring und den Ableitungen lesen wir heraus, dass sich die geplanten Maßnahmen nicht gravierend geändert haben. Das schließt die Wasserstofffähigkeit der Kraftwerke ein. Das halten wir für den richtigen Weg.

 

energate: Bisher hielt die Ministerin ausdrücklich auch die Option CCS für neue Kraftwerke offen.

 

Andreae: Am Ende wird das der Markt entscheiden. CCS an Gaskraftwerken ist sehr teuer und rechnet sich nur bei hohen Volllaststunden. Das ist schwer vereinbar mit einem System, in dem Erneuerbare im Zentrum stehen. Wasserstofffähige Gaskraftwerke sind zukunftsfähiger und unterstützen den H2‑Markthochlauf. Auch die KWK kann als verlässlicher H2‑Abnehmer zusätzlich Nachfrage schaffen. Dafür muss jedoch die Wasserstoff-Regulierung vereinfacht werden. Sie ist aktuell der Kostentreiber.

 

energate: Worin sehen Sie weitere Stellhebel, um das Ziel der Kosteneffizienz beim Fortgang der Energiewende sicherzustellen?

 

Andreae: Der große Hebel liegt in der Optimierung von Erzeugung, Netzen und Last - und in mehr Flexibilität und Digitalisierung. Dazu gehören Fragen, wie viel Netzausbau wir brauchen, wie Netzentgelte fairer verteilt werden und wie wir Netzdienlichkeit auf Einspeise- und Nachfrageseite stärken. Vorschläge gibt es dazu genügend: etwa die Überbauung von Netzanschlüssen, regional differenzierte Baukostenzuschüsse oder flexible Netzanschlussverträge. Das Energiewende-Monitoring setzt hier wichtige Impulse - jetzt gilt es, diese gemeinsam mit der Branche zu konkretisieren.

 

energate: Eine Botschaft des Monitorings ist allerdings auch, dass die Elektrifizierung nicht so schnell vorangeht wie vormals erwartet. Zugleich geben wir Zukunftstechnologien immer weiter in die Hände außereuropäischer Akteure. Was schließen Sie daraus?

 

Andreae: Die weitere Elektrifizierung sollte stärker als Zukunftspfad und im Hinblick auf die Sicherung von Arbeitsplätzen und des Wirtschaftsstandorts Deutschland in den Fokus rücken. Nicht nur im Sektor Energie sehen wir, wie massiv asiatische Hersteller mit Netto-Null-Technologien in den europäischen Markt drängen. Wir dürfen den Anschluss nicht verlieren.

 

energate: Frau Andreae, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Zurück