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Wie Netzbetreiber energiewendekompetent werden

Bonn (energate) - Die Bundesnetzagentur ist bei der Ausgestaltung der künftigen Qualitätsregulierung einen entscheidenden Schritt weiter. Acht Tage nach einem Expertenaustausch in Bonn, an dem auch energate teilnahm, hat die Behörde nun ein Gutachten des Beratungsunternehmens E-Bridge Consulting veröffentlicht.  Darin haben die Berater Methoden entwickelt, um die Energiewendekompetenz bei Netzbetreibern zu erfassen, vergleichbar zu machen und durch einen Anreizrahmen systematisch zu stärken. 

 

Energiewendekompetenz: eine "große Chance" für Netzbetreiber

 

Energiewendekompetenz definiert E-Bridge Consulting in dem Gutachten als "vorausschauende Umsetzung von Anforderungen, die die Transformation der Netzinfrastruktur über alle Netzebenen hinweg im Hinblick auf die Energiewende, Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit und Preisgünstigkeit fördert". Energiewendekompetente Netzbetreiber besitzen laut E-Bridge-Geschäftsführer Henning Schuster die Fähigkeit, die Energiewende in ihrem Versorgungsgebiet aktiv zu unterstützen und möglichst viele erneuerbare Energien, Speicher und andere Energiewendetechnologien zuverlässig und zügig an das Stromnetz anzuschließen. Im Gespräch mit energate bezeichnete Schuster die Energiewendekompetenz als "große Chance für Netzbetreiber". Schließlich vermittle bereits der Begriff positive Konnotationen. Wer energiekompetent agiere, erbringe einen konkreten Nutzen, sowohl für die Netzkunden als auch die Gesellschaft - also eine Win-win-Situation.

 

Diesen Eindruck verstärkte während des Expertenaustauschs auch Florian Baur von Allgäu Netz. Der Experte für Regulierungsfragen referierte über die Bemühungen des Allgäuer Netzbetreibers, Energiewendekompetenz bereits heute in den Alltag zu integrieren. Am Beispiel der Netzintegration von Großspeichern zeigte er, wie es hilft, "Themen vom Endzustand" her zu denken. Aus seiner Sicht sei es nicht förderlich, den Netzanschluss von Großspeichern zu bekämpfen. Schließlich werden diese für die Energiewende benötigt. Stattdessen setze sich sein Unternehmen proaktiv dafür ein, netzneutrale Fahrweisen mit den Speicherbetreibern auszuhandeln. So könne ein gemeinsames Ziel von Netz- und Speicherbetreibern erreicht werden: der schnelle Netzanschluss. Die netzneutrale Fahrweise sei ein "erster Schritt" und stelle lediglich die Basis für weitere Verbesserungen dar, so Baur. Im Allgäu sei es gelungen, bereits 42 MW an Großspeichern ans Netz zu nehmen. Bis 2027 werde dieser Wert auf 110 MW ansteigen - was 50 Prozent der Netzhöchstlast entspricht.

 

Drei Indikatoren machen Energiewendekompetenz messbar

 

Um die Energiewendekompetenz messbar zu machen, haben Henning Schuster und sein Team drei Indikatoren entwickelt: Erstens zusätzliche erneuerbare Energien, zweitens zusätzliche Verbrauchseinrichtungen, drittens die Netzanschlussdauer. Diese Kriterien sollen als "messbare Merkmale zur Bewertung der Leistungsfähigkeit und Weiterentwicklung eines Netzbetreibern im Hinblick auf die Integration von Energiewendetechnologien" dienen, heißt es im Gutachten.

 

Die Auswahl der Indikatoren erfolgte anhand von Kriterien, die von der Bundesnetzagentur stammen: Vollständige Abdeckung der Energiewende, Beeinflussbarkeit, Entwicklungsfähigkeit und Flexibilität, Eindeutigkeit (Nichtredundanz), Transparenz, Umsetzbarkeit und Messbarkeit. E-Bridge hat Indikatoren ausgeschlossen, die bereits durch gesetzliche Mindeststandards oder bestehende Elemente der Anreizregulierung abgedeckt sind. Dazu gehören etwa Redispatch 2.0, Paragraf 14a im Energiewirtschaftsgesetz, Effizienzkriterien beim Netzausbau oder das Engpassmanagement.

 

Um die Energiewendekompetenz anhand der Indikatoren mess- und bewertbar zu machen, hat E-Bridge zwei zentrale Kennzahlen entwickelt. Erstens das Verhältnis tatsächlich realisierter Netzanschlüsse/Netzanschlussleistung zu Netzanschlussbegehren, und zweitens die Dauer des Netzanschlussprozesses. Große regionale Unterschiede bei der Energiewendekompetenz konnte das Beratungsunternehmen nicht feststellen.

 

Auf Nachfrage erklärte Schuster, dass etwa unterschiedliche Flächenverfügbarkeiten für Netzbetreiber natürlich eine Rolle spielten. "Jeder Netzbetreiber hat unterschiedliche Voraussetzungen, deren Vergleichbarkeit und die Möglichkeit, darauf innovativ zu reagieren, das ist dann eben die Energiewendekompetenz", so die Erklärung Schusters. Auch Achim Zerres, Mitglied der Großen Beschlusskammer bei der Bundesnetzagentur, verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass es bei der Qualitätsregulierung nicht darum gehe, Unterschiede bei Netzbetreibern aufzuweisen. Das sei nicht zielführend. Stattdessen gehe es darum, Antworten auf existierende Probleme zu belohnen.

 

Finanzielles Anreizsystem oder Transparenz?

 

"Uns allen ist klar, dass sich nur eine Wirkung entfalten kann, wenn ein finanzielles Anreizsystem geschaffen wird", erklärte Schuster im Gespräch mit energate. E-Bridge favorisiere dabei ein System, dass neben den individuellen Kennzahlen der Netzbetreiber auch technologiespezifische CO2-Vermeidungsfaktoren beinhaltet. Der finanzielle Anreiz setzt sich somit aus der relativen Effizienz im Netzanschlussprozess und dem CO2-Einsparpotenzial durch angeschlossene Erneuerbare-Energien-Anlagen und Verbrauchseinrichtungen zusammen. In dem Gutachten beschreibt E-Bridge Consulting auch die Option, fehlende Energiewendekompetenz mithilfe eines Bonus-Malus-Systems zu bestrafen. 

 

Die Bundesnetzagentur hält die Monetarisierung sowohl als Bonus-System als auch in Form eines Bonus-Malus-Systems laut einer ersten Einschätzung für "adäquat". Die genaue Ausgestaltung bleibt in dem Gutachten offen. Die Große Beschlusskammer werde nun bewerten, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form eine Einführung erfolgen soll, heißt es in der Einordung aus Bonn. Zerres hatte während des Expertenaustauschs für Verwirrung gesorgt, da er den Eindruck vermittelte, finanziellen Anreizen grundlegend negativ gegenüberzustehen. Er befürworte in einem ersten Schritt vor allem die Schaffung von Transparenz, hieß es am 10. September. Das NEST-Hintergrundpapier sorgt dahingehend für Klarheit: Ein finanzielles Anreizsystem soll schrittweise ab 2029 eingeführt werden.

 

Transparenz soll nach den Plänen von E-Bridge und Bundesnetzagentur zunächst ein Digitalisierungsindex liefern: Vier Dimensionen der Digitalisierung sollen künftig in einer Transparenzplattform dargestellt werden: Smart Grid, Digitale Prozesse und Systeme, Datenmanagement und Analyse sowie Kundenmanagement. Bei der Plattform handele es sich um eine "No-regret-Maßnahme", erklärte Schuster. Für den Index hat E-Bridge die Daten von 809 Netzbetreibern ausgewertet und in einen Indexwert überführt. Dabei gibt es offenbar noch deutlichen Nachholbedarf. "Ein durchschnittlicher, deutschlandweiter Indexwert von 24,7 Prozent verdeutlicht bestehende Entwicklungspotenziale im Bereich Digitalisierung", heißt es seitens der Bundesnetzagentur. Der Digitalisierungsindex wird in Prozent dargestellt. Ein Wert von 100 Prozent steht für die vollständige, ein Wert von null Prozent für keinerlei Digitalisierung. /rh

 

Die Bundesnetzagentur plant im Dezember 2025 einen Festlegungsentwurf zur Methodenfestlegung zu veröffentlichen. Stellungnahmen im Rahmen eines formellen Anhörungsverfahrens sind noch möglich.

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