Was rechtlich bei den ETS-2-Änderungen möglich ist
Berlin (energate) - Die EU-Kommission wird wohl diese Woche einen Vorschlag zu Änderungen am geplanten Emissionshandel für Wärme und Verkehr (ETS 2) vorlegen, heißt es aus Kreisen des EU-Parlaments. Wahrscheinlich wird es dabei um einen zusätzlichen Frontloading-Mechanismus und um eine Anpassung der Marktstabilitätsreserve gehen, um die Preise in den Auktionen wirksam zu dämpfen. Dazu liegen bereits verschiedene Forderungen einzelner Mitgliedsstaaten und EU-Abgeordneter auf dem Tisch. Rein rechtlich ist vieles machbar, es kommt allerdings auf die Details an, wie BBH-Rechtsexpertin Ines Zenke gegenüber energate erklärte.
Aus Sicht von Zenke, Rechtsprofessorin und Partnerin bei der Kanzlei BBH, gibt es zwei Möglichkeiten, die Marktstabilitätsreserve mit Blick auf den derzeitigen "Soft Price Cap" von 45 Euro pro Tonne CO2 anzupassen. Zum einen könnte Art. 30h Abs. 2 der Emissionshandelsrichtlinie geändert und schlicht die Menge der Zertifikate erhöht werden, die bei der Überschreitung der 45-Euro-Marke ausgeschüttet werden sollen.
Zum anderen könnte für die Versteigerung ein Höchstgebot festgelegt werden, etwa nach Vorbild des Versteigerungskorridors im nationalen Emissionshandel nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz. Hierfür müsste nicht nur die EU-Emissionshandelsrichtlinie, die dem ETS 2 zugrunde liegt, geändert werden. Es könnte auch Konflikte mit den EU-Klimazielen geben, die durch eine Abschwächung des Preissignals im ETS 2 möglicherweise nicht oder erst später erreicht würden, führte Zenke aus.
Höchstgrenze darf nicht mit Klimaschutz kollidieren
Die Klimaziele der EU seien laut Zenke kein "soft law" mehr, sondern als Kern der Klimaschutzarchitektur der Staatengemeinschaft rechtlich verbindlich. Eine "harte" Vorgabe wie im Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts sei hier nicht zu erwarten. Dort leitet sich für die Bundesregierung eine verbindliche Pflicht aus dem Grundgesetz ab. Ein vergleichbarer Anspruch bestehe in diesem Fall nicht. Und selbst wenn, wäre fraglich, ob ein Höchstpreis dem entgegenstünde, so Zenke weiter. Zu bedenken ist allerdings, dass Deutschland durch den Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts gebunden bleibt. Reicht der ETS 2 allein nicht aus, um die Klimaziele zu erreichen, muss die Bundesregierung zusätzliche Maßnahmen ergreifen.
Neben Veränderungen der Marktstabilitätsreserve wird auch der Startpunkt der ersten Auktionen diskutiert. Zunächst war hierfür eine Verschiebung auf 2028 im Gespräch. Diese Option ist bereits in der Richtlinie zum ETS 2 angelegt, falls die Energiepreise unerwartet hoch bleiben. Mittlerweile scheinen allerdings mehrere Mitgliedsstaaten vor allem aus Mittel- und Osteuropa auf ein Hinauszögern bis 2030 zu drängen, wie energate aus Fachkreisen erfuhr. Eine andere Möglichkeit wäre ein Vorziehen auf 2026 und damit eine Streckung der einzelnen Gebotstermine auf einen Zeitraum von 1,5 Jahren.
Vorziehen zeitlich anspruchsvoll
Ein Vorziehen der Versteigerung wäre grundsätzlich rechtlich möglich, erklärte Zenke, würde aber eine entsprechende Änderung der Emissionshandelsrichtlinie voraussetzen. Zeitlich wäre dies anspruchsvoll. Immerhin habe die letzte, allerdings auch grundlegende Reform der Richtlinie vom Vorschlag der Europäischen Kommission bis zur Veröffentlichung im Amtsblatt knapp zwei Jahre in Anspruch genommen. Bei entsprechendem politischem Willen und Konsens wäre es aber wohl machbar, schätzte die Rechtsexpertin. Die Vorteile des Vorziehens wären in erster Linie ökonomisch zu bewerten. Zenke warnte aber auch vor Risiken bei einer frühen Versteigerung. Prognoseunsicherheiten und spekulatives Verhalten der Marktteilnehmer könnten die Preisbildung verzerren.
Den Vorschlag verschiedener EU-Parlamentarier, ein zusätzliches Frontloading zu etablieren, bewertete Zenke rechtlich als relativ einfach umzusetzen. Gemeint ist damit, die Einnahmen aus dem ETS 2 vorzuziehen und über EU-Anleihen zu finanzieren, um Länder ohne Handelssystem nicht zu überfordern. Diese Idee habe den rechtlichen Vorteil, dass nicht in den eigentlichen Emissionshandel eingegriffen werden muss. Stattdessen kreiere die Union nur ein Instrument, eine "Fazilität", aus der die Mitgliedsstaaten einen Kredit auf ihre künftigen CO2-Erlöse bekommen können. Entscheidend sei, dass das Instrument so gestaltet wird, dass zusätzliche Schulden der Mitgliedsstaaten nicht auf die unionsrechtlichen Grenzen angerechnet werden.
Der EU-Abgeordnete Peter Liese (CDU) erklärte gegenüber energate, es gehe jetzt darum, "schnell Kompromisse zu finden, um eines der wichtigsten Instrumente, wenn nicht das wichtigste Instrument für den Klimaschutz in der EU zu retten". Liese ist Mitunterzeichner eines Briefs an die EU-Kommission zum zusätzlichen Frontloading. Seiner Meinung nach sollten die Menschen nicht überfordert werden. Allerdings dürfe der ETS 2 auch nicht so verwässert werden, dass er keinen wirksamen Klimaschutz mehr garantiere. Hier gelte es einen Kompromiss zu finden. Denn nur mit der Akzeptanz aller Mitgliedsstaaten könne das System erfolgreich umgesetzt werden, so Liese. /lm