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Wärmewende: Stadtwerke als Kommunikator gefordert

Bad Nauheim (energate) - Die Wärmewende drängt bei kommunalen Energieversorgern immer weiter nach vorn auf der strategischen Agenda. Auch bei den Stadtwerken Bad Nauheim aus dem hessischen Wetteraukreis steht das Thema inzwischen "ganz klar im Mittelpunkt", wie Geschäftsführer Thorsten Reichel im Interview mit energate im Rahmen der Sommerserie "Stadtwerke im Fokus" sagte. Dabei gehe es bei der Wärmewende längst nicht nur um technische Lösungen, wie Reichel betonte, sondern um ein strategisches Gesamtbild: "Die Wärmeplanung beeinflusst das Gasnetz, das Stromnetz, die Gebäudeinfrastruktur - letztlich das ganze Stadtgefüge". 

 

"Das müssen wir fundiert beantworten können"

 

Entsprechend groß stellt sich auch in dem 35.000-Einwohner-Kurort Bad Nauheim die Gesamtaufgabe dar. Zentraler Aspekt ist dabei, die kommunalen Gremien, aber auch die Bürger mitzunehmen. Die Menschen vor Ort erwarteten Antworten auf ganz konkrete Fragen, gab der Stadtwerkechef zu bedenken, "beispielsweise was eine Kilowattstunde Wärme in Bad Nauheim kosten wird. Das müssen wir fundiert beantworten können". 

 

Doch angesichts des hohen Finanzierungsbedarfs für die Erschließung klimafreundlicher Wärmequellen verliefen die Gespräche mit den städtischen Gremien "ambivalent, wie überall", räumte Reichel ein. Die Stadt Bad Nauheim steht "unter hohem finanziellem Druck", die Realitäten im kommunalen Haushalt setzen der Wärmewende enge Grenzen. Auch an dieser Stelle sei klare Kommunikation wichtig, denn die Wärmetransformation sei "im höchsten Maße erklärungsbedürftig", befand der Stadtwerkevertreter. "Wenn man keinen Plan und keine Zukunftsvision hat, dann ist es natürlich schwierig, die kommunalen Stakeholder von seinem Kurs zu überzeugen." 

 

Förderungen unerlässlich

 

Ohnehin steht für Reichel die Frage nach der Finanzierung im Mittelpunkt jeglicher Wärmedebatten. Insbesondere die künftige Gestaltung der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) sei für die Versorger vor Ort essenziell, betonte der Stadtwerkelenker. "Wenn ich ein neues Wärmenetz plane, muss ich wissen, welche Förderung ich einkalkulieren kann - sonst lässt sich der Wärmepreis nicht seriös berechnen", mahnte er. Wenn ein Wärmepreis von 20 bis 25 Cent/kWh einem Gaspreis von 10 Cent/kWh gegenüberstehe, "dann werden wir das Projekt in den städtischen Gremien nicht durchkriegen", warnte er. Zuletzt hatte auch ein Bündnis von Verbänden, darunter der Stadtwerkeverband VKU, eine deutliche Erhöhung der BEW-Fördermittel eingefordert

 

Doch die Stadtwerke Bad Nauheim sehen auch Grund für Optimismus, dass das kommunale Mammutprojekt Wärmewende gelingen kann. "Unsere Erfahrung aus dem geothermischen Netz im Neubaugebiet zeigt: Wenn das Angebot technisch funktioniert, nachvollziehbar und wirtschaftlich sinnvoll ist, machen die Leute mit", so Reichel. Die Stadtwerke hatten 2019 für ein Neubaugebiet ein Nahwärmenetz auf Basis von Erdwärme errichtet. "Rund 1.000 Bürger werden heute darüber versorgt - erfolgreich, zuverlässig und mit hoher Akzeptanz", zeigte sich Reichel zufrieden. Aber natürlich müsse auch der Preis der Wärme stimmen. "Hier sind wir darauf angewiesen, dass der gesamte Transformationsprozess politisch vernünftig begleitet wird", blickte Reichel nach Berlin.

 

Politisches Rückgrat gefordert

 

Kritisch betrachtet er bei dem Thema die vergangenen Debatten um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) sowie aktuell die Diskussionen auf EU-Ebene um die CO2-Bepreisung im Gebäudesektor (ETS 2). "Wir spüren hier vor Ort sehr konkret, welche Verunsicherung eine solche Debatte auslöst, weil niemand mehr weiß, welchen CO2-Preis man für eine Wirtschaftlichkeitsberechnung anlegen soll", gab Reichel zu bedenken. Und weiter: "Wenn man politisch nicht das Rückgrat hat, diese Mehrkosten durch die CO2-Bepreisung öffentlich zu vertreten, dann wird es natürlich ganz schwer für die Wärmewende", nahm er die Riege der Bundespolitiker in die Pflicht. /rb

 

Das vollständige Interview mit Thorsten Reichel, Geschäftsführer der Stadtwerke Bad Nauheim, lesen Sie im Add-on Markt & Industrie

 

Das Interview ist Teil der energate Sommerserie "Stadtwerke im Fokus". In dieser Interview-Reihe schildern Stadtwerke-Geschäftsführerinnen und -Geschäftsführer aus ganz Deutschland, vor welchen konkreten Herausforderungen lokale Energieversorger im aktuellen Marktumfeld stehen und mit welchen Lösungsansätzen sie darauf reagieren. Sämtliche Interviews der Serie finden Sie hier.

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