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"Viele Start-ups wollen Lösungen schaffen, die Resilienz stärken"

Freiburg (energate) - Der Baden Campus ist eine Innovationsplattform, die 2017 als Tochterunternehmen des Freiburger Regionalversorgers Badenova entstanden ist. Seitdem hat der Accelerator mehr als 120 Start-ups auf dem Weg in den Markt begleitet. Thematisch liegt der Schwerpunkt dabei auf dem Bereich smarte Region und Industrie 4.0. energate sprach mit CEO Thomas Scheuerle über die Zusammenarbeit mit dem Energieunternehmen, aktuelle Trends bei Gründungen in der Energiebranche und die Auswirkungen des aktuell schwierigen Marktumfelds auf die Gründerszene.

 

energate: Herr Scheuerle, Deutschland kommt aus einer Zeit verschiedener Krisen, die Wirtschaft ächzt, inwiefern beeinflusst das die Gründerszene?

 

Scheuerle: Die Krisen haben natürlich Themen einerseits erschwert. So ist die Finanzierungslage deutlich schwieriger geworden, Investoren agieren vorsichtiger und legen mehr Wert auf eine frühere Rentabilität. Wobei auch hier erste Anzeichen einer Trendumkehr zu erkennen sind. Allerdings profitiert der Gründergeist auch ein Stück weit. Viele junge Unternehmerinnen und Unternehmer wollen bewusst Lösungen schaffen, die Resilienz und Zukunftsfähigkeit stärken. Auch die höhere Reformbereitschaft in der Politik wird sich hoffentlich in gründungsfreundlicheren Bedingungen auswirken. Gerade hat das Wirtschaftsministerium eine Stakeholder-Befragung für eine neue Start-up-Strategie durchgeführt. Zentrale Themen sind die Entbürokratisierung des Gründungsprozesses an sich, die Vereinfachung der Bedingungen für internationale Fachkräfte oder mehr Wagniskapital. Auch eine stärkere Offenheit in der öffentlichen Beschaffung oder der Transfer aus der Wissenschaft sind im Fokus.

 

energate: Start-ups brauchen immer auch privatwirtschaftliches Kapital. Wie schwierig ist es gegenwärtig für Gründer, in der Energiewirtschaft solche Geldgeber zu finden?

 

Scheuerle: Laut dem jüngsten Start-up-Barometer von EY ist die Zahl der Risikokapitalfinanzierungen im letzten Jahr weiter gesunken. Der Gesamtwert der Risikokapitalinvestitionen ist allerdings gegenüber 2023 wieder um mehr als eine Mrd. Euro gestiegen, auf gut sieben Mrd. Euro. Das ist der dritthöchste Wert der vergangenen zehn Jahre. Für Energie- und Greentech-Deals gab es dabei jeweils etwas mehr als 50 Deals und damit mehr als im Vorjahr. Zählt man die beiden Bereiche zusammen, sind das die zweitmeisten Finanzierungsrunden nach Software & Analytics. Absolut hat der Energiebereich etwa 840 Mio. Euro eingeworben, diese Summe war etwas geringer als im Vorjahr. Nach dem Bereich Software/Consulting beziehungsweise digitale Vertriebslösungen lag das Segment Battery/Storage mit zwölf Abschlüssen und 184 Mio. Euro auf Platz zwei bei den Energiefinanzierungen.

 

energate: Wie sind diese Zahlen einzuordnen?

 

Scheuerle: Alles in allem ist es nach wie vor möglich, an Kapital zu kommen. Allerdings spielt der Verwertungspfad eine stärkere Rolle als noch vor einigen Jahren. Das liegt aber nicht nur an den Start-ups. Instrumente wie der Green Transition Facility der KFW können zum Beispiel helfen, weiteres privates Kapital durch bessere Risikostrukturen zu mobilisieren. Auch stabile Rahmenbedingungen beziehungsweise De-Risking zum Beispiel durch Vereinfachung von Genehmigungsverfahren wirken sich natürlich auch positiv auf den Kapitalzugang gerade für kapitalintensive Gründungen aus.

 

energate: Inwiefern gibt es Unterschiede zwischen der energiewirtschaftlichen Start-up-Community und Gründern aus anderen Segmenten?

 

Scheuerle: Aus meiner Sicht sind Unterschiede nicht unbedingt nur eine Frage der Branche. Komplexe Erzeugungstechnologien, zum Beispiel beim Wasserstoff, haben oft längere Entwicklungszyklen und hohe Investitionskosten, da gibt es zum Beispiel Parallelen mit der Gesundheitswirtschaft. In beiden Branchen geht es auch häufig um stark regulierte Märkte. Jüngere Gründerinnen und Gründer im Energieumfeld haben oftmals auch eine starke Impact-Orientierung, es gibt aber auch Teams aus sehr professionellen Umfeldern, die ganz klar vom Business Case her kommen. Ein Unterschied ist vielleicht, dass Start-ups in anderen Branchen oft auf etablierte Technologieunternehmen mit eigenen Entwicklungsabteilungen treffen. Im Energieumfeld sind die traditionellen Unternehmen - zumindest nicht in der Breite - weniger in der technologischen Entwicklung aktiv. 

 

energate: Große Branchentrends in der Energiewirtschaft sind aktuell die Wärmewende, Batteriespeicher und digitale Vertriebslösungen. Inwiefern folgt die Gründerszene diesen Trends?

 

Scheuerle: Die Themen haben in der Gründerszene auf jeden Fall eine hohe Priorität. Sie sind ja aber auch in sich wieder differenziert, so gibt es im Batteriespeicher-Bereich sowohl Hardware-Start-ups, die an Speichertechnologien arbeiten, als auch solche, die sich eher auf Projektierung, Vermarktung oder Sektorkopplung konzentrieren. Weitere Themen sind aus meiner Sicht nach wie vor digitale Netzplanung und -überwachung oder Energiemanagementsysteme auf verschiedenen Ebenen zur Steuerung und Handel von Flexibilitäten. Auch Erzeugungstechnologien, zum Beispiel für Wasserstoff oder Fusionsenergie, sind dynamisch. Ein Treiber ist natürlich KI, zum Beispiel für die Bestimmung der bestmöglichen Standorte von Windrädern abhängig von Wetterparametern. Aber auch Themen wie Robotik finden zunehmend Aufmerksamkeit, auch vor dem Hintergrund fehlender Fachkräfte. Und Cybersicherheit wird ein Thema für die Start-ups selbst.

 

energate: Wie viel Badenova steckt im Baden Campus und welche strategische Rolle spielt der Campus, etwa bei der Produktentwicklung im Unternehmen?

 

Scheuerle: Der Baden Campus ist zunächst bewusst etwas außerhalb der Badenova als Start-up-Accelerator für Technologie- und Nachhaltigkeitsthemen entstanden. Wir haben natürlich von Anfang an mit Energie-Start-ups gearbeitet und Expertinnen und Experten der Badenova eingebunden. Wir haben uns aber auch in anderen Schwerpunktindustrien unseres Standorts etabliert, vor allem Gesundheit oder industrielle Automatisierung. Glücklicherweise haben wir schnell eine gute Reputation entwickelt und konnten sowohl unser Dienstleistungsportfolio als auch unser europaweites Partnerökosystem ausbauen.

 

Die Badenova hat uns zunehmend eingebunden, zunächst über ein internes Accelerator-Programm für unternehmenseigene Teams. Vor drei Jahren haben wir dann das zentrale Innovationsmanagement übernommen, vorwiegend als Vernetzungsplattform und über methodische Unterstützung. Seither bin ich auch in Personalunion Leiter für Innovation und Digitalisierung. Wir setzen dabei auf eine möglichst breite Vernetzung mit den Kolleginnen und Kollegen in der Unternehmensgruppe, um schnell wirksam werden zu können.

 

energate: Welche erfolgreichen Start-up-Gründungen sind aus dem Baden Campus hervorgegangen?

 

Scheuerle: Im Energieumfeld waren zum Beispiel Zenturio oder Greenventory bei uns im Programm. Von den deutschen Top-Start-ups haben wir unter anderem Constellr oder Paretos begleitet. Aktuell prüfen wir mit Prior Labs, einer KI-Gründung für tabulare Daten, die in einer ersten Finanzierungsrunde 9 Mio. Euro eingesammelt hat, Anwendungsfälle im Energieumfeld.

 

energate: Wie intensiv bringt sich die Badenova selbst mit Ressourcen ein, zum Beispiel in Form von Coaches, Mentoren oder als Investor?

 

Scheuerle: Insgesamt ist die Badenova stark engagiert. Wir binden immer wieder passende Expertinnen oder Experten in die Arbeit in unserem Start-up-Accelerator mit ein. Sie geben wertvolles Feedback und nehmen zugleich neue Ideen mit. Mentoring ist ein zentraler Anker unseres Start-up-Programms. Auch der Austausch zwischen den Mentorinnen und Mentoren ist wertvoll. Das können neben Unternehmensvertretern auch Investoren oder ehemalige Gründer sein. Das wird oftmals als sehr wertvolle Erfahrung empfunden, nicht nur fachlich.

 

Zudem haben wir mit dem Baden Campus auch ein Investmentvehikel mit einem Partner geschaffen. So können wir uns direkt an spannenden Start-ups beteiligen, wenn wir ein hohes Synergiepotenzial sehen. Mit unserem Ökosystem können wir dann natürlich neben Geld weitere Unterstützung anbieten. Das wollen wir auch weiter ausbauen. Mit der Badenova investieren wir auch direkt, da ist der Baden Campus in die Identifikation der Kandidaten oder den Due-Diligence-Prozess eingebunden, wie zuletzt bei dem Datenspezialisten Mondas. Daraus entstanden eine Series-A-Finanzierung und eine strategische Partnerschaft.

 

energate: Ein weiteres Thema der energiewirtschaftlichen Start-up-Szene ist die Dekarbonisierung der Industrie. Ist das auch ein Thema für den Baden Campus?

 

Scheuerle: Wir arbeiten mit vielen Industrieunternehmen wie Liebherr, Pfizer, B.Braun oder Sick zusammen. Auch Dekarbonisierung ist dabei ein Thema. Zum Beispiel haben wir mit Endress+Hauser und einem regionalen Mittelständler kürzlich ein gezieltes Start-up-Scouting in diesem Bereich gemacht. Wir sind überzeugt von Co-Creations, die sich gerade in diesem etwas weniger kompetitiven Umfeld gut umsetzen lassen. Aktuell legen wir mit Partnern aus der Schweiz auch ein größeres Programm zum Thema Zirkularität auf. Da werden wir auch die Potenziale in der Energiewirtschaft enger unter die Lupe nehmen. Je nach Anforderung der Kunden bringen wir aber dann natürlich auch die passenden Badenova-Kollegen ins Spiel, die da sehr gut aufgestellt sind und die wiederum oft auf interessante Start-up-Lösungen hinweisen.

 

energate: Es gibt inzwischen zahlreiche Start-up-Schmieden. Inwiefern steht Baden Campus mit diesen im Wettbewerb?

 

Scheuerle: In der Tat gibt es für Start-ups ein üppiges Angebot, insbesondere, da es viele kleinere, fördermittelfinanzierte Standorte gibt, die sich auf ein Basisangebot beschränken. Wir konnten glücklicherweise bereits viele Partner, Förderer und Kunden gewinnen und ein relativ umfangreiches Angebot aufbauen, das verschiedene Mehrwerte bietet. Insbesondere für unsere Region hier am südlichen Oberrhein stellen wir damit schon so eine Art Infrastruktur dar. Damit sprechen wir auch Start-ups aus Deutschland und Europa an, die einen Zugang in die Region suchen. Von den Teams wird besonders unsere Betreuungsqualität und unser Netzwerk geschätzt. Natürlich ist der Fokus auf Kernthemen wichtig. Energie- und Infrastrukturthemen sind für uns ein zentraler Anker, den wir auch weiter ausbauen wollen. Damit streben wir auf Dauer als Ökosystem einen Platz in der nationalen Spitze an. Allerdings arbeiten wir dafür eng mit anderen Acceleratoren und Ökosystemen zusammen. Am Ende ist Start-up Germany als Innovationsquelle ähnlich wie die Energiewende eine Gemeinschaftsaufgabe, um die wirtschaftliche Kraft unseres Standorts und damit unsere Lebensqualität zu sichern.

 

energate: Welche Schwerpunkte setzt der Baden Campus als Start-up-Accelerator, was dürfen Talente als Unterstützung erwarten?

 

Scheuerle: Da die Teams die Technologie meist bereits mitbringen, setzen wir auf starkes Marktfeedback, Business Development und Persönlichkeitsentwicklung von Gründerinnen und Gründern. Viele Studien zeigen, dass Faktoren wie Resilienz oder Leadership am Ende entscheidender sind als methodische Workshops. Zudem setzen wir auf individuelle Förderung und holen die Start-ups nach einer Bewerbungsphase bei ihren aktuellen Challenges ab. Sie bekommen Zugang zu unserem Expertennetzwerk, Coaching, Infrastruktur und - je nach Phase - auch zu Finanzierungsoptionen. Über ein Förderprogramm können wir Wandeldarlehen bis 360.000 Euro vom Land Baden-Württemberg und einem privaten Co-Investor vermitteln. Wir selbst können auch Investitionen in dieser Größenordnung tätigen, allerdings ist das nicht an den Accelerator gebunden. Zudem verfügen wir über ein Netzwerk aus Business Angels und Frühphasen-Investoren.

 

energate: Was passiert, wenn mal eine Geschäftsidee scheitert?

 

Scheuerle: Da es sich um Risikokapital ohne Sicherheiten handelt, gibt es für die Gründerinnen und Gründer in der Regel außer dem eigenen investierten Kapital keinen finanziellen Verlust, wenn es zur Insolvenz kommt. Die Landesbank hat außerdem Mechanismen etabliert, die das Risikoprofil für private Investoren verbessern.

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