Verhandlungen gescheitert: Keine Tennet-Übernahme durch den Bund
Berlin/Bayreuth (energate) - Der Bund wird den Übertragungsnetzbetreiber Tennet nicht übernehmen. Die Verhandlungen zwischen der niederländischen Muttergesellschaft und der KFW-Bank im Auftrag der deutschen Bundesregierung seien "ergebnislos beendet worden", teilte Tennet mit. Die Bundesregierung habe dem niederländischen Staat als Tennet-Alleingesellschafter mitgeteilt, dass sie die geplante Transaktion "aufgrund von Haushaltsproblemen nicht durchführen kann", hieß es zur Begründung.
160 Mrd. Euro Investitionsbedarf
Tennet, der größte der vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber, ist eine Tochtergesellschaft des gleichnamigen niederländischen Netzbetreibers. Bereits seit 2020 verhandeln Vertreter der deutschen und der niederländischen Regierung über einen Kauf des deutschen Übertragungsnetzes. Der niederländische Mutterkonzern will das deutsche Netz abstoßen, da der hohe Kapitalbedarf für den geplanten Ausbau des Stromnetzes in Deutschland das Unternehmen zunehmend unter Stress setzt. Bis 2033 plant Tennet in Deutschland Investitionen in Höhe von 160 Mrd. Euro - vorrangig über Fremdkapital.
Das Bundeswirtschaftsministerium sieht die Türen aber nicht komplett geschlossen. Man habe "weiterhin Interesse an einer strategischen Minderheitsbeteiligung an Tennet Deutschland im Rahmen eines Konsortiums", erklärte Wirtschaftsstaatssekretär Philipp Nimmermann in einem Statement. Er zeigte sich zudem zuversichtlich, "dass Tennet nun auf anderem Wege eine strukturelle Finanzierungslösung findet". Ob diese Lösung dem Bund tatsächlich eine Möglichkeit zur Beteiligung eröffnet, ist offen und hängt maßgeblich von den weiteren Plänen der Niederlande ab. Das Wirtschaftsministerium stehe dazu weiterhin im engen Austausch mit der niederländischen Regierung, betonte der Staatssekretär.
Niederlande wollen Kapitalmarkt ansprechen
Tennet kündigte derweil an, nach den gescheiterten Verhandlungen mit der deutschen Seite die Suche nach Investoren auszuweiten. Die niederländische Muttergesellschaft bereite die "Inanspruchnahme öffentlicher oder privater Kapitalmärkte" vor, hieß es aus Arnhem. Bereits Ende Mai hatte Tennet angesichts der festgefahrenen Gespräche den Gang an den Kapitalmarkt in Aussicht gestellt. Zugleich hatte die niederländische Regierung der deutschen Verhandlungsseite nach energate-Informationen eine Frist bis zum 1. Juli gesetzt, um ein Angebot einzureichen. Diese Frist wird nun ungenutzt verstreichen.
Tennet betonte derweil, in beiden Ländern an den bestehenden Investitionsplänen festzuhalten. Zuletzt hatte der niederländische Staat Tennet ein Gesellschafterdarlehen in Höhe von 25 Mrd. Euro gewährt, um den Kapitalbedarf für das laufende und das kommende Jahr abzusichern.
Enttäuschung in Schleswig-Holstein
Der schleswig-holsteinische Energieminister Tobias Goldschmidt (Grüne) zeigte Unverständnis für das Scheitern der Gespräche. "Das ist ein weiteres Beispiel dafür, wie sehr die Schuldenbremse zu einer Zukunftsbremse verkommen ist", kritisierte er mit Blick auf den knappen Finanzspielraum des Bundes. Ein staatlicher Einstieg bei Tennet hätte aus seiner Sicht klimapolitisch Sinn gemacht und wäre zudem "auch aus sicherheits- und wirtschaftspolitischen Erwägungen absolut geboten gewesen". Das Bundesland Schleswig-Holstein gehört zur Regelzone von Tennet.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte die Beteiligung des Bundes am Übertragungsnetz auch deswegen vorangetrieben, um den staatlichen Einfluss auf die kritische Infrastruktur zu erhöhen. Tatsächlich hat sich die staatliche KFW-Bank inzwischen auch an Transnet BW beteiligt. Doch nach dem Haushaltsurteil waren die finanziellen Spielräume für solch Transaktionen geschmolzen. Belastbare Informationen, in welcher Dimension sich ein Kaufpreis bewegen könnte, waren nicht nach außen gedrungen. In Medien war die Rede von Beträgen im einstelligen Milliardenbereich, aber auch von mehr als 20 Mrd. Euro. /rb