Trianel will Klarheit bei Kraftwerksstrategie
Hamm (energate) - Die Stadtwerkekooperation Trianel macht beim Thema Kraftwerksausschreibungen und Kapazitätsmarkt Druck auf die Bundesregierung. Trianel-CEO Sven Becker zeigte sich während eines Pressegesprächs am Trianel-Gaskraftwerk in Hamm skeptisch, dass das gegenwärtige politische Ziel, bis 2030 bundesweit neue Gaskraftwerke mit 20 GW Leistung zu installieren, zu erreichen sei. Ohne Klarheit über die Kraftwerksstrategie werde sein Unternehmen keine Bestellungen auslösen oder Investitionen tätigen, stellte Becker schon während der Bilanzpressekonferenz der Aachener im Juli klar. Überhaupt halte er die Kraftwerkspläne des Bundeswirtschaftsministeriums für überambitioniert. "Ich bezweifle, dass wir wirklich 20 GW brauchen", so der Trianel-Geschäftsführer.
Kapazitätsmarkt muss Bedarf klären
Er sprach sich stattdessen dafür aus, über einen zentralen Kapazitätsmarkt nach belgischem Vorbild den eigentlichen Bedarf an Kraftwerksleistung zu klären. Über die Kraftwerksstrategie müsse zwar dennoch "so schnell wie möglich" gesicherte Leistung ausgeschrieben werden, jedoch nicht die in Verhandlung stehenden 20 GW. Auf die Frage, wie hoch der Bedarf Stand heute denn tatsächlich sei, wollte sich Becker nicht festlegen. Dies zu klären, sei Aufgabe des zentralen Kapazitätsmarkts. Becker machte aber auch klar, dass er diesbezüglich in naher Zukunft wenig erwarte. Dafür gibt es gute Gründe: Zuletzt sprach sich die Ampelkoalition in einem Optionenpapier für einen kombinierten Kapazitätsmarkt aus. Seitdem ist es um die Weiterentwicklung des Marktdesigns jedoch still geworden, unter Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) fand das Thema bislang nicht statt.
Dem Vorschlag eines kombinierten Kapazitätsmarkts der Ampelkoalition steht Becker - wie auch ein Großteil der Energiebranche - skeptisch gegenüber. Deutschland müsse keinen Sonderweg beim Strommarktdesign gehen, sondern sich am belgischen Vorbild orientieren. Dieses sei europarechtlich etabliert und somit einfacher zu genehmigen. Langwierige Verhandlungen wie beim Kraftwerkspaket ließen sich so vermeiden, meinte der Trianel-CEO. Denn die Zeit dränge. "Ohne Kapazitätsmarkt wird es zukünftig keine Investitionen in gesicherte Leistung geben", zeigte sich Becker überzeugt.
Umsetzung der Kraftwerksstrategie droht zu scheitern
Bei der Umsetzung der Kraftwerksstrategie zeigte sich Becker von den Bemühungen in Berlin enttäuscht. Er wiederholte seine Zweifel daran, dass die Kraftwerksausschreibungen wie von Katherina Reiche versprochen noch in diesem Jahr kommen - und verwies in diesem Zusammenhang auf die Bundesnetzagentur, die für die Vorbereitungen der Ausschreibungen sieben Monate benötigt. Trianel rechne daher nicht damit, dass noch in diesem Jahr die Ausschreibungen tatsächlich kommen. Das Ziel, bis 2030 bundesweit bis zu 20 GW an Kraftwerksleistung zu installieren, halte er mit Blick darauf für unrealistisch. Selbst wenn die Ausschreibungen kommen sollten, würden die Produktionskapazitäten der Turbinenhersteller gar nicht ausreichen, um den deutschen Bedarf zu befriedigen, stellte Becker klar. Deutschland sei schließlich nicht das einzige Land der Welt, das neue Kraftwerke bauen wolle.
Unterstützung erhielt Becker dabei von Marc Herter (SPD), Oberbürgermeister der Stadt Hamm. "Wir brauchen dringend die Umsetzung der Kraftwerksstrategie, um die Fragen der Netzsicherheit und Dunkelflauten zu klären", erklärte Herter. In Berlin müsse man nun endlich den Worten auch Taten folgen lassen. "Ohne das Marktdesign der Zukunft zu kennen, investiert niemand in Energieinfrastruktur", so der Oberbürgermeister. Planungssicherheit sei das A und O für Projektierer. "Seit drei Jahren warten wir auf das Kraftwerkssicherheitsgesetz", mahnte Herter.
H2-ready oder CCS?
Eine klare Meinung hatte auch Martin Buschmeier, Geschäftsführer bei Trianel Gaskraftwerk Hamm, zum Thema H2-Readiness bei dem geplanten dritten Kraftwerksblock an seinem Standort. "Ich persönlich würde es bevorzugen, dass das Kraftwerk Wasserstoff-ready gebaut wird. Der Mehraufwand ist im Vergleich zum späteren Umrüsten vergleichsweise gering." Genau beziffern wollte er die Mehrkosten auf energate-Nachfrage nicht. Es handle sich jedoch nicht um "Rieseninvestitionen", sondern insbesondere um Fragen der Infrastruktur, die im Vorfeld bedacht werden müssten.
Dem Aufbau einer CCS-Infrastruktur erteilten Buschmeier wie auch Becker eine klare Absage. Im Vergleich zum Bau von wasserstofffähigen Kraftwerken sei der Aufbau einer CCS-Infrastruktur viel zu teuer und aufwendig. Buschmeier gab außerdem zu bedenken, dass die CCS-Technologie für grundlastfähige Kraftwerke gedacht ist. Da zukünftig jedoch "sein" Kraftwerkspark nur noch in rund 1.000 Stunden im Jahr gebraucht werde, sei CCS seiner Meinung nach nicht Teil der Lösung. "Wenn wir heute einen neuen Kraftwerksblock bauen, dann sollten wir das Wasserstoff-ready machen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Wasserstoff in Zukunft eine Rolle spielen wird, ist so groß, dass ich diesen Schritt gehen würde", so Buschmeiers Empfehlung. /rh