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Total-Klage als wichtiges Signal an deutsche Öl- und Gasindustrie

Essen (energate) - Für die Unternehmen der Gas- und Ölbranche wird Transparenz in der Klimakommunikation zunehmend wichtiger. Das hat nicht zuletzt die jüngste Klage gegen Total Energies in Frankreich gezeigt. Dabei habe das Pariser Zivilgericht erstmals ausdrücklich dem Netto-Null-Narrativ der Fossilindustrie widersprochen, erklärte die Umweltrechtsorganisation Client Earth in einer Mitteilung anlässlich des Urteils. Sie sprach in dieser auch von einem "historischen Sieg". In der Folge darf Total Energies in Frankreich nun nicht mehr mit seiner avisierten Klimaneutralität werben oder sich als wichtigen Akteur der Energiewende bezeichnen. Auch für Unternehmen in Deutschland könnte das eine wichtige Botschaft sein.

 

Explorationsprojekte im Widerspruch zu Klimazielen

 

Zum Hintergrund: Das Unternehmen Total Energies gibt an, bis 2050 Netto-Null-Emissionen erreichen zu wollen und stellt das auch in das Zentrum seiner Kommunikationsstrategie. Die drei NGOs Greenpeace Frankreich, Friends of the Earth Frankreich und Notre Affaire à Tous hatten mit dem Vorwurf des Greenwashings Anfang 2022 Klage gegen den Konzern eingereicht, die Client Earth später auch unterstützt hatte. Die Verhandlung dazu fand im Juli dieses Jahres in Paris statt.

 

Das Gericht ist nun der Argumentation der Umweltschützer gefolgt und befand, dass diese Werbung das Unternehmen zu Unrecht als Teil der Lösung der Klimakrise darstellt. Denn es produziert aktuell rund 97 Prozent seiner Energie aus fossilen Brennstoffen und will auch in Zukunft noch neue Öl- und Gasfelder erschließen. Die geplanten Explorationsprojekte stünden explizit im Widerspruch zu den Pariser Klimazielen und damit auch zur beworbenen Selbstdarstellung von Total Energies. Damit sei die Werbung irreführend und rechtswidrig, hieß es zur Begründung. Total Energies muss diese Aussagen von seiner Webseite entfernen und auch in Zukunft unterlassen.

 

Urteil wird Auswirkungen nicht nur in Frankreich haben

 

Für deutsche Unternehmen hat dieses Urteil zwar keine direkten Auswirkungen. Es kann aber ein wichtiges Signal sein, die eigene Kommunikation zu Klimazielen und Transformationspfaden klar, belegbar und im richtigen Kontext zu gestalten, sagte eine Branchenvertreterin gegenüber energate dazu. So geht auch Client Earth davon aus, dass das Urteil Auswirkungen auf die Werbung und das Marketing großer Ölkonzerne über die Grenzen Frankreichs hinaus haben wird.

 

Zumal auch deutschen Umweltorganisationen, wie der Deutschen Umwelthilfe (DUH), das Thema Greenwashing seit Langem ein Dorn im Auge ist und sie gezielt dagegen vorgehen. "Greenwashing ist Täuschung und kein Kavaliersdelikt", fand Constantin Zerger, Leiter Energie bei der DUH, gegenüber energate klare Worte. Auch in Deutschland sollten sich Energiekonzerne im Klaren darüber sein, dass hohles Marketing mit vermeintlichen Klimaversprechen keine Geschäftsstrategie ersetzen könne. Die DUH war laut eigenen Aussagen in einer ganzen Reihe von Fällen schon erfolgreich. Als Beispiel nennt Zerger die Klage gegen die ZG Raiffeisen Energie GmbH, die ihr Heizöl als klimaneutral beworben hatte. Ein anderes Beispiel ist das Vorgehen gegen die Anbieter von Ökogastarifen. Aktuell laufe auch wieder eine breitangelegte Initiative gegen Unternehmen aus verschiedenen Branchen, nicht nur der Energiewirtschaft. "Für diese Verfahren ist das Urteil natürlich Rückenwind", so Zerger.

 

Möhring: Nicht nur Erneuerbare leisten Klimabeitrag

 

Für den Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG) greift diese Interpretation und Sicht auf die Dinge zu kurz, wie Hauptgeschäftsführer Ludwig Möhring gegenüber energate erklärte. "Klimaschutzmaßnahmen werden vielfach nur dann als positiv eingeordnet, wenn es um den Einsatz erneuerbarer Energien geht", so Möhring. Das sei für die aktuelle Übergangsphase, in der sich die Energieversorgung gerade befindet, für ihn der falsche Ansatz. So nehme der Einsatz konventioneller Energieträger zwar langsam ab, bislang sei ihre Nutzung aber noch unvermeidbar. "Die deutschen Öl- und Gasförderunternehmen sind sich ihrer Rolle auf dem Weg in die Klimaneutralität sehr bewusst", ist Möhring deswegen überzeugt.

 

Denn auch diese leisteten ihren Beitrag zur Redaktion von Emissionen. Als Beispiel nennt er, dass die heimische Förderung im Vergleich zu LNG-Importen deutlich weniger Emissionen verursacht. Daher sei es auch unter Klimaschutzgesichtspunkten sinnvoll, die Produktion von Erdgas in Deutschland zu halten, solange hierzulande noch Erdgas genutzt wird. CCS sei ein weiteres Thema, das die Unternehmen der Branche vorantreiben, um die Treibhausgasemissionen zu verringern. Die beiden in Deutschland aktiven Explorationsunternehmen Neptune Energy und Vulcan Energy wollten sich auf energate-Nachfrage dazu nicht äußern.

 

Zahl der Klimaklagen wird steigen

 

Fest steht wohl aber, die Unternehmen werden sich gezwungenermaßen mit dem Thema beschäftigen müssen. Denn auch Juristen wie Peter Rosin von der Essener Anwaltskanzlei Rosin Büdenbender gehen davon aus, dass die Zahl der Klimaklagen in Zukunft steigen wird, in Deutschland, aber auch international. Dieser Rechtsbereich erfreue sich in den letzten Jahren eines dynamischen Wachstums, schrieb Rosin in einem Fachbeitrag für das energate-Magazin emw. Dies belegten auch Zahlen des Sabin-Centers für Klimaschutzrecht an der New Yorker Columbia University, wo derzeit weltweit über 2.540 offene Verfahren registriert sind. Erfasst wird dort die gesamte Bandbreite von Schadensersatzforderungen an Unternehmen wegen unterlassener Klimaschutzmaßnahmen und wegen falscher Informationspolitik oder Klagen gegen Bundesstaaten, Länder und Regierungen wegen eines mangelnden Einsatzes für den Umweltschutz. "Und mit jeder erfolgreich verlaufenden Klage werden neue Klagen wahrscheinlicher", so Rechtsexperte Rosin. /ml

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