Streit um CCS-Status als öffentliches Interesse
Berlin (energate) - Zahlreiche Sachverständige lehnen Carbon Capture and Storage (CCS) an Gaskraftwerken und die Einstufung der Technologie als im "überragenden öffentliche Interesse" ab. Dies wurde deutlich auf einer Anhörung zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes (KSpG) im Bundestag. Von einem inflationären Gebrauch des überragenden öffentlichen Interesses durch den Gesetzgeber, dessen Wirkung schließlich verpuffen werde, sprach beispielsweise Klaus Ritgen, Referent des Deutschen Landkreistages. "Wir werden erleben, dass viele privilegierte Infrastrukturen miteinander im Widerstreit stehen werden", sagte er. Ritgen verwies darauf, dass inzwischen zahlreiche Technologien ins überragende öffentliche Interesse gesetzt würden - zuletzt auch noch der Ausbau von Telekommunikationsinfrastrukturen. "Ich bin mir sicher, dass dem Gesetzgeber noch weiter Beispiele einfallen, wo man dieses Instrument wählt", sagte er.
Auch Christine Wilcken, Stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Städtetages, warnte vor zum Teil zu wenig Platz im Boden für Wärmenetze, Gasnetze, Stromnetze und so weiter. "Es gibt Gebiete, die sind belastet von Infrastruktur", sagte sie. Beim Ausbau der erneuerbaren Energien habe das überragende öffentliche Interesse super funktioniert, weil es da der einzige Bereich gewesen sei. "Geothermie, Stromnetze, jetzt auch noch CCS - heute haben wir das geballt in denselben Bereichen", so Wilcken. Dies mache die Abwägungsentscheidungen in den Planungs- und Genehmigungsbehörden nicht leicht. "Damit wird es letztlich nicht schneller, sondern eher langsamer", so Wilcken.
Dem widersprach beispielsweise André Brauner, Abteilungsleiter Liegenschafts- und Planungsrecht bei OGE Open Grid Europe. Eine Konkurrenz liege nicht vor - alle Vorhaben müssten vordringlich errichtet werden. "Wir brauchen alles zeitgleich gemeinsam", sagte er.
Bund lehnt Länder-Vorstoß ab
Grundsätzlich offen zeigte sich Landkreistags-Vertreter Ritgen für CCS an Gaskraftwerken. Hier seien sich die kommunalen Vertreter nicht einig, betonte hingegen die Städtetag-Vertreterin Wilcken. CCS dürfe nicht zu Lock-In-Effekten führen. "Gut ist, dass Kohle weiterhin ausgeschlossen wird und das sollte auch für Gaskraftwerke gelten", sagte sie. So sende der Gesetzentwurf ein falsches Signal in die Energiewirtschaft und führe zu Planungsunsicherheiten für Wasserstoff.
Zuvor hatte auch der Bundesrat für Änderungen bei Gaskraftwerken im Kohlendioxid-Speicherungsgesetz plädiert. Die Länderkammer begrüßte, dass Kohleverstromungsanlagen ein Anschluss an ein CO2-Leitungsnetz versagt wird. Diese Regelung sei "dringend" auch auf fossile Gaskraftwerke zur Stromerzeugung anzuwenden. Die Bundesregierung lehnt diesen Vorschlag aber ab. Nach dem Gesetzentwurf sei ein gesetzlicher Ausschluss nur für Kohle vorgesehen, nicht für Erdgas. Die Nutzbarkeit von Kohlendioxidspeicherung für Gaskraftwerke werde derzeit im Rahmen der Kraftwerksstrategie geprüft.
Begrenzte Kapazität in der Nordsee
Gerade auch Umweltschutzorganisationen wenden sich weiter gegen diese Option. Ohne Speicherung und Nutzung von CO2 gehe es nicht, für CCS an Gaskraftwerken fehle aber die Akzeptanz in der Bevölkerung, sagte beispielsweise Jörg-Andreas Krüger, Präsident des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu). Man müsse Menschen ernst nehmen, die wirklich Klimaschutz und keine Umgehungstatbestände wollten. "Sonst wird uns das passieren, was schon einmal passiert ist: Ein Landtag nach dem anderen, ein Kreistag nach dem anderen wird Beschlüsse dagegen fassen", sagte er.
Krüger warnte zudem vor begrenzten Kapazitäten für die CO2-Einlagerung in der Nordsee. Studien zufolge gebe es in der deutschen Nordsee lediglich eine Kapazität von 10 bis 30 Mio. Tonnen CO2. Bisher sieht der Gesetzesentwurf vorrangig Offshore-Speicherung vor. Onshore-Speicherung wird bundesweit weiterhin nicht erlaubt - außer zu Forschungszwecken. Die Bundesländer können diese jedoch durch Landesrecht über eine sogenannte Opt-in-Klausel ermöglichen. Der Rechtsanwalt Sven-Joachim Otto, Mitglied des Direktoriums des Institutes für Berg- und Energierecht der Ruhr Universität Bochum Energiesozietät, plädierte stattdessen für "Opt-out statt Opt-in", wonach Onshore-Speicherung erlaubt wäre und aktiv verboten werden müsste. Ähnlich argumentierte OGE-Vertreter Brauner.
Fabian Liss, Referent Industrielles Carbon Management bei der Umweltorganisation Bellona Deutschland, verwies ebenfalls auf begrenzte Nordsee-Kapazitäten und Nutzungskonflikte beispielsweise mit der Offshore-Windenergie. Zur Förderung der Technologie plädierte er für Differenzverträge (Contracts for Difference, kurz: CfDs). Mitte 2026 soll die nächste Gebotsrunde für die sogenannten Klimaschutzverträge stattfinden. Dabei soll auch CCS förderfähig sein. Bei Gaskraftwerken sei der CCS-Einsatz schwierig und grundsätzlich im Energiesystem nicht zu empfehlen, so Lies. Dies liege auch daran, dass die Gaskraftwerke nur wenige Volllaststunden laufen sollen. /ck