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Stadtwerke entdecken Erdwärme für sich

Aachen (energate) - In Deutschland rollen immer mehr Vibrotrucks im Auftrag von Stadtwerken durch ihre Versorgungsgebiete. Auch in Aachen wird es kommenden Monat so weit sein - zwei Wochen wird die 2D-Seismik dauern auf einer Länge von zunächst 40 Kilometern. "Das dabei entstehende Bild des Untergrundes reicht in eine Tiefe von 3.500 Metern, wo wir heiße Thermal­wässer vermuten, und es wird uns Auskunft darüber geben, wo wir bohren müssen", sagte Frank Brösse, Bereichsleiter Wärme und Geschäftsführer bei Stawag Energie im Interview mit dem energate-Magazin emw. Schon seit mehreren Jahren bereitet der nordrhein-westfälische Kommunalversorger das Tiefengeothermieprojekt vor. Die Aufsuchungserlaubnis der zuständigen Bezirksregierung Arnsberg liegt für ein etwa 160 Quadratkilometer großes Feld östlich von Aachen vor.

 

Fündigkeitsversicherung erleichtert Investitionen

 

Nachdem eine lukrative Förderung durch das Fraunhofer IEG im Rahmen des "Reallabor Geothermie Rheinland" ausblieb, erkundet der Versorger jetzt auf eigene Faust. Zumindest gibt das Land Nordrhein-Westfalen einen Zuschuss, damit die Machbarkeitsstudie für die Nutzung von Geothermie in der Fernwärme günstiger wird. Ungleich wichtiger wird indes eine finanzielle Absicherung im Falle einer tatsächlichen späteren Bohrung. Hier kommt die bundeseigene Förderbank KFW ins Spiel. Der Bund stellt über 1,5 Mrd. Euro bis 2030 zur Verfügung - insbesondere für kommunale Projekte. Stawag hofft auf eine ausreichende Unterstützung aus dem Fördertopf. "Eine Probebohrung in 3,5 bis 4 Kilometer Tiefe kostet 20 Mio. Euro. Wenn wir da nicht fündig würden, wäre das eine Summe, die wir nicht stemmen könnten", erläuterte der Stawag-Vorstand, Christian Becker, im Interview.

 

Stadtwerke entdecken Geothermie

 

Die Potenziale für Erdwärme sind ungleich verteilt im Bundesgebiet. Vorzugsweise im Norddeutschen Tiefland, im Oberrheintal und im Süddeutschen Molassebecken (zwischen Donau und Alpen) scheinen die geologischen Bedingungen günstig. Hinzu kommen weitere Regionen, speziell in Gebieten mit viel Thermalwasser so wie in Aachen oder heißem, wasserführendem Gestein. Die 2D-Seismikuntersuchung übernehmen große Spezialfahrzeuge namens Vibrotrucks. Sie geben an Tausenden Punkten kontrollierte Schallimpulse in den Boden ab. Aufgezeichnet werden deren Echos von sogenannten Geophonen, kleinen Geräten, die auf der Messstrecke auf dem Boden liegend verteilt werden. Damit sie an Ort und Stelle bleiben, findet sich daran ein Informationszettel "Ich arbeite hier, bitte lass mich liegen". Unter anderen in München, Hannover, Münster, Ulm, Cottbus und Berlin laufen Erkundungen oder sind bereits abgeschlossen.

 

Ergebnis sind Hunderte Terabytes geologischer Rohdaten, aus denen sich ein Modell zu möglichen Erdwärme-Vorkommen errechnen lässt. Gewissheit bringt allerdings erst die teure Bohrung. Die Kosten und das damit verbundene Risiko, wenn die aufgespürten Temperaturen am Ende doch nicht ausreichen, haben Kommunalversorger bisher eher gescheut. Versicherungen decken auf Wunsch das Risiko privatwirtschaftlich ab, aber das kostet. Künftig wird die KFW hier mit der Munich Re zusammenarbeiten. An der Entwicklung der sogenannten Fündigkeitsversicherung hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mitgearbeitet.

 

Abgesehen von der finanziellen Erleichterung erfährt die Technik auch durch das geplante Geothermiebeschleunigungsgesetz Rückenwind. Dieses wurde nach einer Gegenäußerung im Bundesrat jetzt im Bundeskabinett beschlossen. Das Gesetz führt verbindliche Fristen für die Bearbeitung von Anträgen ein, beispielsweise eine maximale Bearbeitungszeit von zwölf Monaten im Bergrecht. Projekte sollen künftig unter das überragende öffentliche Interesse fallen.

 

Tiefengeothermie hat Vorteile gegenüber Großwärmepumpen

 

In Aachen ist die Geothermie nur eine von zwei Optionen, um die Fernwärme auf dem Weg zur Klimaneutralität komplett zu vergrünen. Als ersten Schritt wird die Umrüstung des Müllheizkraftwerks einen Teil der Wärme ersetzen, die durch die geplante Abschaltung des Braunkohlekraftwerks Weisweiler im Frühjahr 2029 wegfallen wird. In den ersten Jahren könne die Müllwärme bis zu 75 Prozent der Wärme abdecken, erläuterten die beiden Stawag-Manger im Interview. Beim Ausbau des Fernwärmenetzes, der im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung ansteht, müssten dann weitere Erzeugungseinheiten hinzukommen.

 

Neben der Tiefengeothermie sind noch Großwärmepumpen am Klärwerk eine Alternative. Diesen würden deutlich weniger wirtschaftliche Risiken bergen, erläuterte Stawag-Vorstand Becker. Auf der anderen Seite sei aber Geothermie dauerhaft verfügbar und eben anders als Wärmepumpen absolut CO2-neutral. "Mit dem Thermalwasser irgendwo im Untergrund bietet uns die Natur eine große Chance. Diese Wärmequelle bollert schon seit Jahrtausenden vor sich hin und wird das auch die kommen­den Jahrtausende weitermachen", ergänzte Bereichsleiter Brösse. /mt /sd

 

Ein Auszug des Interviews lesen Sie im heutigen Add-on Gas und Wärme sowie die vollständige Version in der neuen Ausgabe des energate-Magazins emw. 

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