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Reiches Kraftwerkspläne drohen zu scheitern

Berlin/Essen (energate) - Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hatte angekündigt, bis Ende des Jahres zunächst 5 bis 10 GW reine Gaskraftwerke auszuschreiben. Doch noch immer fehlt der genaue Rahmen für die Ausschreibungen. Die Zeit drängt, denn die Pläne sind ambitioniert. Bei den Kraftwerksbetreibern wächst unterdessen die Ungeduld. Das Ziel von bis zu 20 GW an Gaskraftwerksleistung bis 2030 halten sie für nicht mehr realistisch. Eine energate-Anfrage beim Bundeswirtschaftsministerium zu den konkreten Details der Ausschreibungen blieb ergebnislos: "Für den genauen Rahmen der Ausschreibungen müssen wir noch um etwas Geduld bitten", so die Antwort des Ministeriums.

 

Jeder Tag zählt

 

Klar ist aber: Um das ambitionierte Ziel zu erreichen, zählt jeder Tag. BNetzA-Vizepräsidentin Barbie Haller hat in der Vergangenheit immer wieder betont, dass die Ausschreibungen eine Vorbereitungszeit von sieben Monaten benötigen. Bereits in diesem Zeitstrahl kämen die Ausschreibungen nicht mehr in diesem Jahr. Es liegt zudem noch kein Referentenentwurf vor. Bundesländern und Verbänden muss aber genug Zeit eingeräumt werden, um Stellungnahmen vorlegen zu können. Unter Reiches Vorgänger Robert Habeck (Grüne) hatten sie sechs Wochen Zeit. Erst danach könnte das Wirtschaftsministerium den Entwurf ins Bundeskabinett einbringen. Dann wäre es allerdings schon Anfang September.

 

Trianel: Ausschreibung kommt im zweiten Quartal 2026

 

Deutliche Worte findet daher die Stadtwerkekooperation Trianel. So sei eine Grundvoraussetzung für die Ausschreibungen eine Einigung mit der EU-Kommission. "Diese Einigung hatte Ministerin Reiche für 'vor der Sommerpause' angekündigt. Bisher haben wir nicht vernommen, dass diese Einigung erreicht wurde", erklärte das Unternehmen gegenüber energate. Trianel hält es daher für unrealistisch, dass die erste Auktion noch in diesem Jahr stattfinden wird. "Wir lassen uns aber gerne positiv überraschen. Wir rechnen aktuell mit einer ersten Ausschreibung im zweiten Quartal 2026", so eine Unternehmenssprecherin.

 

Uniper hält Inbetriebnahme in Jahren 2031/32 für realistisch

 

Klar ist aber auch, dass die potenziellen Kraftwerksbetreiber bereits mit den Hufen scharren. "Wir haben Projekte vorbereitet und stehen mit den Gemeinden im Austausch", erklärte ein Uniper-Sprecher. Jedoch sei nun "entscheidend, dass die konkreten Rahmenbedingungen rasch vorliegen". Denn die bisherigen Entwürfe enthielten noch Punkte, die für mehr Planungssicherheit präzisiert werden müssten. "Wir wissen aus Erfahrung, dass der Teufel im Detail liegt", so der Sprecher weiter. Er stellte klar, dass die ersten Auktionen "tatsächlich sehr zeitnah" starten müssten, damit neue Kraftwerke ab 2031/32 in Betrieb gehen könnten. Damit ist wohl auch klar, dass die geplante Zeitachse der Inbetriebnahmen von bis zu 20 GW Kraftwerksleistung bis 2030 vom Tisch ist.

 

In den Ländern wächst der Widerstand

 

Nach dem Bundeskabinett wäre auch der Bundesrat gefragt. Reiches Pläne, die Gaskraftwerke zunächst ohne H2-readyness auszuschreiben, dürfte zumindest bei den Ländern auf Kritik stoßen, in denen die Grünen an der Regierung beteiligt sind. Baden-Württemberg erklärte bereits, dass die künftigen Kraftwerke "zumindest wasserstofffähig" sein müssen. Selbst in der Großen Koalition sind die Pläne mehr als umstritten. Die energiepolitische Sprecherin der SPD, Nina Scheer, reagierte auf Reiches Vorstoß prompt. "Um eine faktische Konkurrenz durch fossile Gaskraftwerke zu vermeiden, bedarf es bei den Ausschreibungen einer H2-Readiness-Maßgabe", sagte Scheer. Es muss also nicht nur der Bundesrat überzeugt werden, auch innerhalb der Bundesregierung sind die Fronten bei Weitem noch nicht geklärt.

 

Die Pläne: schlicht illusorisch

 

Denn auch der Bundestag muss natürlich zustimmen. Selbst unter der optimistischen Annahme, dass bis dahin alles durchgewunken wird, wäre es bereits Oktober - und die Bundesnetzagentur hätte noch immer nicht mit den Vorbereitungen für die Ausschreibungen beginnen können. Die Bundesnetzagentur unterstrich auf energate-Anfrage, dass eine Durchführung von Kraftwerksausschreibungen von den jeweiligen gesetzlichen Vorgaben abhängig ist. Eine Bewertung oder Abschätzung der Zeitpläne könne erst nach Vorliegen der entsprechenden Vorgaben geschehen, so ein BNetzA-Sprecher zu energate. Da auch im Bundestag normalerweise wochenlange Anhörungen und Überarbeitungen folgen, erscheinen Reiches Pläne zunehmend unrealistisch.

 

Kapazitätsmarkt fehlt noch immer

 

Einen ganz anderen Punkt brachte die Steag ins Spiel. Zwar begrüßt das Unternehmen den "Mehr-Tempo-Kurs von Frau Bundesministerin Reiche bei den Kraftwerksausschreibungen ausdrücklich", wie ein Sprecher gegenüber energate erklärte. Es brauche aber "klare, einfache und wirtschaftlich tragfähige Rahmenbedingungen". Dazu gehöre der Fokus auf steuerbare Kraftwerke, die kurzfristig Schwankungen ausgleichen könnten. "Grundvoraussetzung dafür ist ein Kapazitätsmechanismus", so der Sprecher weiter. Hier sind die Planungen des Wirtschaftsministeriums jedoch bislang nicht angelangt.

 

Es war die Ampelkoalition, die im Sommer 2024 ein Optionenpapier für das zukünftige Strommarktdesign vorlegte und sich darin für einen kombinierten Kapazitätsmechanismus aussprach. Seitdem ist es still um die Weiterentwicklung des Marktdesigns geworden - dabei gibt es auch bei diesem Thema Zeitdruck. So ist das derzeitige EEG-Modell nur noch bis Ende 2026 europarechtlich genehmigt.

 

H2-ready oder nicht?

 

Die Frage, ob die künftigen Kraftwerke H2-ready sein sollten, stößt bei den Kraftwerksbetreibern auf unterschiedliche Einschätzungen. RWE erklärte gegenüber energate, dass eine Umstellung der Anlagen erst erfolge könne, wenn Wasserstoff auch in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehe. Der Essener Konzern begrüßte daher die Vorschläge des Bundeswirtschaftsministeriums, möglichst schnell die Ausschreibungen durchzuführen. Einfache Kriterien seien richtig, so ein RWE-Sprecher. "Jede zusätzliche Regulierung macht die Energiewende teurer."

 

Anders sieht das der baden-württembergische Konkurrent EnBW. Das Unternehmen setzt voll auf den Fuel-Switch und treibt diesen am Steinkohleblock des Rheinhafen Dampfkraftwerks in Karlsruhe voran. Die EnBW kalkuliert bei den Ausschreibungen offenbar auch pessimistischer. Der Konzern rechnet - ähnlich wie die Trianel - offenbar mit den ersten Ausschreibungen erst Mitte 2026, wie Michael Class, Leiter der Portfolioentwicklung, erklärte.

 

Erneuerbarenverband sieht Pläne ebenfalls kritisch

 

Kritik an den Plänen zu vereinfachten Ausschreibungen an Gaskraftwerken äußerte auch der Erneuerbarenverband BEE. "Zeitdruck darf nicht zu Fehlsteuerungen bei der geplanten Ausschreibung führen", sagte BEE-Präsidentin Simone Peter. Wenn jedoch "Zeitkritikalität" das oberste Gebote für die Kraftwerkssicherung darstelle, dann müsse die Antwort beim dezentralen erneuerbaren Back-up liegen. "Biomasse, Wasserkraft, Geothermie, grüne KWK, Speicher und Power-to-X, wie grüner Wasserstoff, stehen bereit und warten auf Anreize für Flexibilität", so die Forderung der scheidenden BEE-Chefin. /rh

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