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Reiche kündigt Änderungen bei Netzanschlussverfahren an

Berlin (energate) - Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hat schnelle Änderungen bei Netzanschlussverfahren im Stromnetz angekündigt. Bei einer Veranstaltung der Eon-Verteilnetzbetreiber in Berlin stellte sie unter anderem eine schnelle Revision der Kraftwerksnetzanschlussverordnung (KraftNAV) in Aussicht. Noch vor Jahresende sollen große Batteriespeicher aus den bisherigen Regelungen herausgenommen werden. Die ersten Entwürfe sollen im Dezember vorliegen. Dass das passiert, hatte bereits der Bundesrat in einer Initiative gefordert und sich Ende September auf einen Antrag verständigt, der Batteriespeicher aus der KraftNAV herausnehmen soll.

 

Ministerin Reiche warnte bei der Veranstaltung vor massiven Engpässen im deutschen Stromnetz. Dieses habe sich zum "Nadelöhr" entwickelt. Die Zahl der Anschlussanfragen sei in kurzer Zeit enorm gestiegen. Reiche sprach von einem "Ausverkauf der Netze", der nicht nur 2025, sondern auch 2026 bevorstehe. Neue Anschlüsse könnten vielerorts erst Anfang der 2030er Jahre wieder realisiert werden, wenn keine Gegenmaßnahmen erfolgen.

 

Zu diesen Maßnahmen zählte Reiche etwa strengere Qualitätsanforderungen für Anschlussanfragen, die Vermeidung von Mehrfachanträgen und mehr Transparenz über verfügbare Netzkapazitäten. Digitale Prozesse sollen beschleunigt werden. Außerdem nannte Reiche die Netz- bzw. Systemdienlichkeit als ein Kriterium für eine Priorisierung von Anfragen. In der vergangenen Woche fand im Bundeswirtschaftsministerium ein Austausch mit den Netzbetreibern zum Thema statt. Dabei wurde klar: Es braucht einen neuen Regelungsrahmen. Das Ministerium werde daher noch im ersten Quartal 2026 Vorschläge dazu machen, kündigte Reiche an. Qualitätskriterien sollen sicherstellen, dass echte Bedarfe Vorrang haben und "Phantomanträge" vermieden werden. Das wäre eine Abkehr vom bisher vielerorts praktizierten Windhund-Prinzip.

 

Reiche will Vereinfachungen beim Smart-Meter-Rollout

 

Auch der Smart-Meter-Rollout müsse beschleunigt werden, um eine Steuerung des Stromnetzes zu ermöglichen, führte die Ministerin aus. Für den weiteren Rollout forderte sie Vereinfachungen. Die Verzögerung läge nicht an der Branche oder der Bundesnetzagentur, sondern an anderen Behörden, die teilweise übertrieben hohe Anforderungen gestellt hätten. Angesichts von Cyberangriffen auf Infrastruktur sei Sicherheit wichtig, aber es brauche "Maß und Mitte", um voranzukommen. Die Frage sei, ob alle derzeitigen Anforderungen an die Betreiber tatsächlich umsetzbar seien. Zunächst müssten die grundlegenden Kriterien erfüllt werden, bevor komplexere Vorgaben greifen.

 

Der Rollout müsse in die Fläche kommen. Details, wie das erfolgen solle, nannte Reiche nicht. Bedarf für eine neue Gesetzesinitiative zur Beschleunigung des Smart-Meter-Rollouts sehe sie nicht. Auch einen Smart-Meter-Light-Ansatz mit geringeren Anforderungen an die Technik, wie von einigen Branchenakteuren gefordert, wird das Wirtschaftsministerium weiterhin nicht unterstützen. Ein Mitarbeiter aus Reiches Haus erklärte auf energate-Nachfrage, es werde keine Abstriche bei der Sicherheit geben.

 

Erneuerbare und Netze parallel ausbauen

 

Die Ministerin erklärte weiter, dass die Energiewende nicht am Ziel, sondern an der Umsetzung scheitern könnte. Das bisherige Erfolgsmaß sei die installierte Leistung erneuerbarer Energien gewesen. Künftig müsse das System als Ganzes betrachtet werden. Ohne parallelen Ausbau der Verteil- und Übertragungsnetze drohten hohe Systemkosten. Reiche forderte einen stabilen Investitionsrahmen, damit die notwendigen Milliardeninvestitionen für die Netzbetreiber wirtschaftlich darstellbar bleiben. Auch die Genehmigungen von 110-kV-Leitungen müssten beschleunigt werden.

 

Bernd Böddeling, CEO von Westenergie, bewertete in einer anschließenden Podiumsdiskussion die Lage im Verteilnetz als kritisch. Im gesamten Eon-Netzgebiet gebe es Anfragen in Höhe von 480 GW. Böddeling hob die Bedeutung der Digitalisierung hervor. Standardisierung bei Umspannwerken, langfristige Lieferverträge und automatisierte Prozesse seien notwendig, um die Geschwindigkeit beim Netzausbau zu erhöhen.

 

Priorisierung nötig

 

Auch Patrick Wittenberg, CEO von Edis, verwies auf die hohe Anzahl an Anfragen in seinem Netzgebiet. "Mittlerweile liegen wir bei 140 Gigawatt an Anschlussanfragen." Selbst wenn nur zehn Prozent dieser Anfragen umgesetzt werden, sei das eine enorme Herausforderung. Er forderte Maßnahmen wie die Rückholung ungenutzter, reservierter Kapazitäten aus Altverträgen und eine gesellschaftspolitische Priorisierung. Die Frage sei, wer die Netzkapazität bekomme: Industrie, Rechenzentren oder Speicher. Das könne nicht allein nach dem Windhund-Prinzip gehen.

 

Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, erklärte, dass die großen Übertragungsnetze in den letzten Jahren Fortschritte gemacht haben, doch die eigentlichen Herausforderungen nun bei den Verteilnetzen liegen. Er verwies auf die geplante Einführung der allgemeinen Netzsystematik (AgNes). Sie soll Lokalisierung und Kostensteuerung verbessern. Die Vertreter der Verteilnetzbetreiber bezweifelten jedoch, dass damit ein attraktiver Finanzierungsrahmen entsteht.

 

Details zur Kraftwerksstrategie

 

Katherina Reiche lieferte in der Diskussion zudem weitere Details zur geplanten Kraftwerksstrategie. Die Ausschreibungskriterien könnten voraussichtlich noch vor Weihnachten veröffentlicht werden. Erste Ausschreibungen könnten im März starten. Die Wirtschaftsministerin verwies auf die schwierigen Gespräche mit der EU und erklärte, dass Deutschland für seinen Sonderweg einen Preis zahle. Während andere Länder auf Kernkraftwerke oder Standortvorteile bei erneuerbaren Energien setzen können, sei Deutschland auf neue gesicherte Kraftwerksleistung angewiesen. /mh

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