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Netzentgeltreform: Industrie will Zahlen sehen

Berlin/Essen (energate) - In der laufenden Debatte um die Netzentgeltreform übt die chemische Industrie Kritik an der Bundesnetzagentur. Matthias Belitz, der für Energie zuständige Bereichsleiter im Verband VCI, warf der Behörde mangelnde Transparenz über die Auswirkungen der Reform auf industrielle Großverbraucher vor. Zugleich forderte er eine Folgenabschätzung. Ein System wie die Netzentgeltsystematik könne man nicht grundlegend verändern, "ohne zu wissen, was am Ende bei den Kostentragenden herauskommt", sagte Belitz im Interview mit energate. "Wir brauchen konkrete Zahlen, was bei unseren Unternehmen am Ende je nach Modell auf der Stromrechnung steht." Der VCI habe wiederholt um mehr Transparenz gebeten - "bisher vergeblich", zeigte sich Belitz frustriert. 

 

Für die Industrie steht viel auf dem Spiel

 

Im Rahmen des laufenden AgNes-Prozesses plant die Bundesnetzagentur auch eine Reform der sogenannten individuellen Netzentgelte für Großverbraucher. Das bisherige Bandlastprivileg, das Rabatte bei einem möglichst kontinuierlichen Stromverbrauch beinhaltet, soll wegfallen. Stattdessen soll die neue Netzentgeltsystematik eine stärkere Flexibilisierung anreizen. Die Industrie stand diesem Vorhaben von Anfang an kritisch gegenüber. Für die begünstigten Unternehmen steht tatsächlich viel auf dem Spiel: Aktuell senken die Sonderregeln für die Industrie die Netzentgeltkosten im Jahr um rund 1,4 Mrd. Euro.   

 

In dem Kontext warf VCI-Bereichsleiter Belitz der Bundesnetzagentur vor, die Folgen der Netzentgeltreform für die Industrie zu ignorieren. "Man kann bei den individuellen Netzentgelten für Großverbraucher die industriepolitische Komponente nicht komplett ausblenden", sagte er. Die Bundesnetzagentur hatte im Konsultationsprozess argumentiert, sie habe als Regulierungsbehörde keinen industriepolitischen Auftrag. Die Netzentgeltregulierung dürfe "ausdrücklich nicht als Mittel zur Umsetzung politischer Ziele" genutzt werden, schrieb die Behörde in einem Diskussionspapier. Industrievertreter Belitz hält diese Position für realitätsfern: "Das lässt sich in der Praxis nicht voneinander trennen", sagte er. 

 

Bundeszuschuss für Netzentgelte

 

Der VCI-Vertreter erinnerte daran, dass die Bundesregierung im kommenden Jahr über einen staatlichen Zuschuss von 6,5 Mrd. Euro die Netzentgelte absenkt, um Verbraucher zu entlasten. "Wenn die Bundesnetzagentur gleichzeitig Regeln einführt, die deutlich höhere Kosten für industrielle Großverbraucher bedeuten, passt das nicht zusammen", gab er zu bedenken. Er forderte Netzagentur und Bundeswirtschaftsministerium auf, stärker Hand in Hand zu arbeiten, "damit die Maßnahmen koordiniert ineinandergreifen und sich nicht konterkarieren".

 

In der Debatte um die Netzentgeltreform hatte der VCI schon früh auf die begrenzten Flexibilisierungspotenziale in chemischen Prozessen hingewiesen. Im Interview mit energate legte Belitz nun nach: Zwar habe die Behörde inzwischen anerkannt, dass in gewissen Produktionsprozessen kein Spielraum für Flexibilisierung bestehe. "Wir sehen aber nicht, dass die Behörde daraus die entsprechenden Schlüsse zieht", so Belitz. Die Empfehlung der Bundesnetzagentur, bei unflexiblen Verfahren Batteriespeicher einzusetzen, hält er für bedingt praxistauglich. "Diese Flexibilität kostet zusätzliche Investitionen - in einer Phase, in der viele Unternehmen ohnehin vor enormen Transformationskosten stehen." Darüber hinaus ergebe es aus systemischer Betrachtung keinen Sinn, "ungesteuerte Erzeugungsspitzen erst durch das gesamte Stromsystem zu befördern, um sie dann beim Verbraucher zu puffern". Hier stünden die erreichbare Flexibilität und die erforderlichen Investitionen "in keinem guten Verhältnis". 

 

Blick geht auf die Erzeugerseite

 

Belitz warb in der Debatte um die Flexibilisierung des Stromsystems dafür, die Erzeugerseite stärker in den Blick zu nehmen. Es könne nicht sein, "dass die Verbrauchsseite unter großen Anstrengungen Flexibilitäten bereitstellen soll, während die Erzeugungsseite - gerade bei den volatilen Erneuerbaren - weiterhin ungesteuert einspeist", gab er zu bedenken. Der Reformbedarf bei den Netzentgelten sei ja vor allem auf die Veränderungen im Erzeugungsbereich zurückzuführen. Die Industrie werde nun in diese Debatte hineingezogen, obwohl sie nicht ursächlich verantwortlich sei. Tatsächlich diskutiert die Bundesnetzagentur im Zusammenhang mit der Netzentgeltreform auch Einspeisenetzentgelte, die Erzeuger stärker an den Netzkosten beteiligen sollen. /rb

 

Das gesamte Interview mit VCI-Bereichsleiter Matthias Belitz lesen Sie im Add-on Markt & Industrie.

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