Netzentgelte sinken 2026 um 57 Prozent
Berlin/Bayreuth/Dortmund/Stuttgart (energate) - Das durchschnittliche Netzentgelt auf der Höchst- und Umspannungsebene sinkt im kommenden Jahr um 57 Prozent von aktuell 6,65 Cent/kWh auf 2,86 Cent/kWh. Das haben die vier Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz, Tennet, Amprion und Transnet BW bekanntgegeben. Die Unternehmen weisen ausdrücklich darauf hin, dass die Berechnung auf Grundlage des geplanten 6,5-Mrd.-Euro-Zuschusses erfolgte.
Die Bundesregierung hat den Zuschuss beschlossen, die Verabschiedung des Gesetzes steht aber noch aus. Sollte bis zum Stichtag 5. Dezember das Gesetz nicht umgesetzt werden, fallen die Netzentgelte dementsprechend höher aus. Die Regierung plant, den Zuschuss aus dem Klima- und Transformationsfonds zu finanzieren und gesetzlich im neuen Paragraf 24c des Energiewirtschaftsgesetzes zu verankern. In der kommenden Woche (KW41) will der Bundestag über den Entwurf in erster Lesung beraten. Die Berechnungen der Netzentgelte durch die Übertragungsnetzbetreiber sind vorläufig und können sich dementsprechend noch ändern. Die endgültigen Werte werden im Dezember kommuniziert.
Netzentgelte sinken erstmals seit 2023
Damit sinken die Netzentgelte auf der Höchst- und Umspannungsebene erstmals seit 2023 wieder. Lagen sie im Jahr 2023 noch bei 3,12 Cent/kWh, verdoppelte sich der Wert im darauffolgenden Jahr auf 6,43 Cent/kWh. Damals war die Situation ähnlich zum kommenden Jahr. Die Übertragungsnetzbetreiber hatten bei der Berechnung der vorläufigen Netzentgelte fest mit einem Bundeszuschuss in Höhe von 5,5 Mrd. Euro gerechnet. Doch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Haushaltsplanung machte diesen Plänen einen Strich durch die Rechnung. Am Ende fehlte die Summe von 5,5 Mrd. Euro komplett und die Entgelte stiegen in der Folge substanziell. Auch 2025 setzte sich der Negativtrend fort. Zwar fiel die Steigerung gegenüber dem Vorjahr bei Weitem nicht so dramatisch aus wie 2024, die Netzentgelte stiegen aber dennoch um 3,4 Prozent auf 6,65 Cent/kWh an.
Warnung: Situation wie 2023 vermeiden
Eine ähnliche Situation wie im Jahr 2024 will das Bundeswirtschaftsministerium in Zukunft vermeiden und stattdessen Unternehmen und Industrie Planungssicherheit verschaffen. Auch deshalb hatte Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) im Bundeskabinett Zuschüsse zum Übertragungsnetzentgelt in Höhe von insgesamt 26 Mrd. Euro für die kommenden vier Jahre in Aussicht gestellt. Aber: Trotz dieser Beteuerungen verweist der Gesetzesentwurf erst einmal nur auf das nächste Jahr.
Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe kritisierten den Vorstoß daher als nicht ausreichend. Sie forderten stattdessen eine dauerhafte Lösung zur Senkung der Energiekosten. "Auch nach 2026 brauchen wir Gewissheit, dass die Netzentgelte nicht plötzlich wieder steigen", sagte etwa Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie, im Gespräch mit energate. Auch die Verteilnetzbetreiber hatten bei einer energate-Umfrage dafür plädiert, bereits im Vorfeld der Veröffentlichung der vorläufigen Netzentgelte Rechtssicherheit zu schaffen. Energienetze Mittelrhein etwa hatte in diesem Zusammenhang an die Situation im Jahr 2023/24 erinnert und davor gewarnt, dass eine Wiederholung drohe.
Senkung fällt höher als erwartet aus - bleibt dennoch hinter Versprechungen zurück
Die jetzt vorgestellten vorläufigen Berechnungen der Übertragungsnetzbetreiber dürften dennoch für Wohlwollen bei Industrievertretern sorgen. Bislang gingen Branchenakteure davon aus, dass der staatliche Zuschuss in Höhe von 6,5 Mrd. Euro die Netzentgelte um bis zu 2,4 Cent/kWh senken könnte. Mit 3,79 Cent/kWh fällt die Entlastung aber viel höher als erwartet aus. Für die Stahlindustrie sei diese dringend notwendig und überfällig, erklärte dementsprechend Kerstin Maria Rippel, Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Ähnlich wie Wolfgang Große Entrup forderte Rippel die Bundesregierung nun auf, die Bezuschussung der Übertragungsnetzkosten für die kommenden Jahre zu sichern. "Jährliche Einzelentscheidungen bedeuten jährliche Unsicherheiten - und das ist Gift für Investitionsentscheidungen von Unternehmen." Das im Koalitionsvertrag von Union und SPD formulierte Ziel, "Unternehmen und Verbraucher in Deutschland dauerhaft um mindestens fünf Cent pro kWh mit einem Maßnahmenpaket" zu entlasten, wird jedoch wohl verfehlt.
Haushalte profitieren nicht besonders
Für private Haushalte sinkt der durchschnittliche Strompreis durch die geringeren Netzentgelte im kommenden Jahr um voraussichtlich 1,52 Cent/kWh. Zu diesem Ergebnis kommt das Vergleichsportal Verivox. Dies entspricht einer rechnerischen Senkung der Stromkosten für Haushalte um vier Prozent. Ein Drei-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 4.000 kWh kann mit einer durchschnittlichen Entlastung von 61 Euro rechnen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Senkung der Netzentgelte regional sehr unterschiedlich sein kann. Netzgebiete, in denen viel Strom erzeugt wird, sind unabhängiger von den Übertragungsnetzentgelten. "Von den 6,5 Milliarden Euro Zuschuss zu den Übertragungsnetzentgelten wird voraussichtlich höchstens ein Drittel bei den Haushalten ankommen. Damit bleibt die Regierung weit hinter ihren Ankündigungen im Koalitionsvertrag zurück", zeigte sich Thorsten Storck, Energieexperte bei Verivox, enttäuscht.
Höhe der Netzentgelte durch zwei Faktoren bestimmt
Die Netzkosten werden maßgeblich durch zwei Faktoren bestimmt. Auf der einen Seite stehen Maßnahmen zur Sicherung der Systemstabilität, etwa das Engpassmanagement und die Bereitstellung von Netzreserve. Auf der anderen Seite stehen Investitions- und Betriebskosten in die Netzinfrastruktur, etwa in den Ausbau der großen Stromautobahnen wie Amprions Gleichstromtrasse A-Nord. Dabei ergänzen und bedingen sich beide Faktoren gegenseitig. Der Ausbau der Stromtrassen verursacht immense Kosten - Amprion investiert etwa in A-Nord rund drei Milliarden Euro. Gleichzeitig führt der Netzausbau dazu, dass die Kosten für Netzeingriffe perspektivisch deutlich sinken. Sobald A-Nord fertiggestellt ist, rechnet der nordrhein-westfälische Übertragungsnetzbetreiber mit bis zu 700 Mio. Euro, die beim Engpassmanagement eingespart werden können. Der Netzausbau amortisiert sich dementsprechend schnell, die Netzentgelte sollten perspektivisch sinken. /rh