Müller kontert Kritik an neuer Netzregulierung
Berlin (energate) - Der Präsident der Bundesnetzagentur (BNetzA), Klaus Müller, verteidigte in Berlin die Pläne für das neue Regulierungssystem für den deutschen Energiemarkt. "Wir sind in unserer Kalkulation sehr klar und landen unterm Strich bei einem Plus von 1,4 Prozent alleine durch den NEST-Prozess in der Erlösobergrenze", sagte er bei einer Energietagung in Berlin. Über Inflationierung der nächsten Jahre und über den Eigenkapitalzins sei dabei noch gar nicht gesprochen worden. "Wenn das noch nicht reicht und man mehr möchte, muss man das angesichts der Netzentgeltsteigerung offensiv vertreten", sagte Müller.
Die Branche verlangt jedoch mehr. Anlässlich der Beiratssitzung der Bundesnetzagentur am 17. September legten der Branchenverband BDEW und der Stadtwerkeverband VKU gemeinsam neue Berechnungen zu den Folgen der geplanten Neugestaltung der Anreizregulierung vor. Sie erwarten 3,5 Mrd. Euro Erlösrückgänge im Bereich Stromnetze und 1,5 Mrd. Euro Erlösrückgänge im Bereich Gasnetze. Dies beinhalte den von der Bundesnetzagentur berechneten Opex-Aufschlag für die Stromverteilnetzbetreiber im regulären Verfahren in Höhe von 2,4 Prozent der Erlösobergrenze, auch wenn er nicht durch die Branche nachrechenbar sei, heißt es von den Verbänden.
Die Branche bestimme die negativen Faktoren genau, beziehe aber die positiven Effekte nicht vollständig mit ein, entgegnete hingegen Regulierungschef Müller. Er zeigte sich auch irritiert über Branchenkritik zum Opex-Aufschlag, der vom VKU vorgeschlagen worden sei. "Wir werden den Opex-Faktor für die Verteilnetzbetreiber mit festlegen. Insofern gilt, was am Ende herauskommt", sagte Müller. Generell sei er für Sachargumente offen, nicht aber für Druck, Drohungen und Wünsche. "So funktioniert eine Behörde nicht. Mit solchen Argumenten können wir schlicht nichts anfangen", kritisierte Müller die vehement vorgetragenen Unternehmensinteressen im NEST-Prozess.
Beiratssitzung schließt Konsultationsphase ab
So monieren VKU und BDWE beispielsweise die in den Festlegungsentwürfen vorgestellte Umstellung bei der Ermittlungsmethodik des Fremdkapitalzinses. Allein diese Umstellung auf einen starren Siebenjahresdurchschnitt werde zu einer massiven strukturellen Unterdeckung beim Fremdkapital führen. Dies führe zu einer etwa zwei Mrd. Euro großen Erlösminderung, heißt es von den Verbänden. Müller sieht hier das letzte Wort noch nicht gesprochen. Es habe verschiedenste Vorschläge aus der Branche, aus der Wissenschaft und aus den Ländern gegeben. Das werde nun ausgewertet. "Es gibt das Struck'sche Gesetz noch nicht für die Bundesnetzagentur. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass die Festlegung zu 100 Prozent dem Juni-Stand entsprechen wird, ist lebensfremd", sagte er.
"Wir schließen mit dem heutigen Beirat im Prinzip die Konsultationsphase ab", sagte der Regulierungschef zur Sondersitzung zum NEST-Prozess, zu der auch BDEW und VKU geladen waren. Der Beirat der Bonner Behörde besteht aus 16 Mitgliedern des Deutschen Bundestages sowie 16 Vertretern oder Vertreterinnen des Bundesrates, er gilt als politisches Beratergremium, darf aber keinen direkten politischen Einfluss ausüben. "Danach werten wir das aus, was wir im vierten Quartal dieses Jahres mit den Festlegungen zum NEST-Prozess abschließen wollen", kündigte Müller an. Nur die Übertragungsnetzbetreiber Strom liefen ein bisschen nach.
Monitoringbericht beeinflusst Netzentwicklungsplan
Zum Monitoringbericht der Bundesregierung äußerte sich Müller ebenfalls. "Auch wir werten natürlich gerade das Gutachten aus und sind im Gespräch mit dem Bundeswirtschaftsministerium zu den zehn Punkten", sagte er. Die nun folgenden politischen Rahmenbedingungen würden Einfluss auf den Netzentwicklungsplan haben. "Jeder kann sehen, dass sich eine Reihe von politischen Zielen der letzten Jahre schlicht nicht haben realisieren lassen", sagte Müller. Die Netzentwicklungspläne müssten atmen können. Zu den Aussagen von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) über verschiedene Optionen für steuerbare Leistung sagte Müller: "Da passt alles." Reiche hatte in diesem Zusammenhang unter anderem auch von Biomasse, Kraft-Wärme-Kopplung und Speichern gesprochen. Auch in ihrem Versorgungssicherheits-Monitoring habe die Bundesnetzagentur Alternativen zu Gaskraftwerken aufgezählt - steuerbare Kapazitäten und Flexibilitäten, so Müller.
"Ich bin ein großer Freund aller Großbatterien, bitte den Bericht zu Ende lesen", sagte er. Branchenverbände und Experten hatten zuvor kritisiert, dass die dynamische Entwicklung der Speicher unzureichend im Versorgungssicherheitsbericht abgebildet werde. Dem trat Müller entgegen, genau wie Kritik an der weitestgehenden Autonomie der Regulierungsbehörde. "Meiner Behörde wird häufig vorgeworfen, wir wären übergriffig, allmächtig, eine Superbehörde", sagte Müller. Das sei nicht so, für ihn gelte: "Schuster, bleib bei denen Leisten". Den Rahmen setze die Politik. Die Bundesnetzagentur ist für die Umsetzung zuständig - allerdings inzwischen unabhängig, so verlangt es das Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2021. /ck