Mehrheit der Netzbetreiber nutzt KANU 2.0
Bonn (energate) - Die Mehrheit der Gasnetzbetreiber macht von kürzeren Abschreibungszeiträumen nach der Festlegung KANU 2.0 Gebrauch. Schon im vergangenen Jahr nutzte ein Drittel der Netzbetreiber in der Zuständigkeit der Bundesnetzagentur diese Möglichkeit. Für das Jahr 2026 ist die Zahl der Netzbetreiber, die kürzere Abschreibungszeiträume planen, auf rund 86 Prozent gestiegen, teilte die Regulierungsbehörde auf Nachfrage von energate mit. Das entspreche einem Zuwachs von 53 Prozent.
In absoluten Zahlen haben laut Bundesnetzagentur von 132 erfassten Verteilnetzbetreibern 118 KANU 2.0 bei der Veröffentlichung der vorläufigen Netzentgelte für das Jahr 2026 angewandt. Erstmals sind im Jahr 2026 auch Fernleitungsnetzbetreiber dabei, nämlich neun von insgesamt 15. "Dabei kommen durchgehend lineare Abschreibungen bis 2044 zur Anwendung, die Entgeltsteigerungen sind mit etwa 5,2 Prozent moderat", so ein Sprecher der Behörde.
Erste Auswertungen des Datenbankanbieters Enet zeigen, dass die Entgelte in den Gasverteilnetzen im kommenden Jahr durchschnittlich um zehn bis zwölf Prozent ansteigen werden. Die verkürzten Abschreibungszeiträume nach KANU 2.0 gelten als ein Grund dafür. Rechnet ein Betreiber mit einer früheren Stilllegung seines Netzes oder Teilen davon, kann er seine Kosten so auf die Jahre bis 2045 verteilen, dass sie noch möglichst viele Kunden tragen können. Andernfalls wären die Kunden, die als letzte noch am Netz hängen, mit immensen Kosten konfrontiert.
Durch die Festlegung KANU entstehen daher keine zusätzlichen Kosten, betonte der Behördensprecher. "Die ohnehin anfallenden Kosten werden lediglich zeitlich verschoben." Zugleich werde durch die Regulierungsbehörde sichergestellt, dass die Netzbetreiber durch die heute höheren Einnahmen später weniger von den noch verbliebenen Kunden verlangen.
Netzagentur betont Einmaleffekt
Bei den Verteilnetzbetreibern, die KANU 2.0 erstmalig im Jahr 2026 anwenden, erhöhen sich nach Angaben der Bundesnetzagentur die Entgelte um rund 23 Prozent. Bei denjenigen, die ihre Abschreibungen schon im vergangenen Jahr angepasst haben, wirke sich KANU 2.0 nicht mehr entgeltsteigernd aus, zum Teil entwickelten sich die Entgelte hier sogar rückläufig, heißt es von der Bundesnetzagentur. Im Schnitt erhöhten sich die Entgelte hier um 2,6 Prozent, was auf Inflations- und Mengeneffekte zurückzuführen sei.
"Dies verdeutlicht, dass KANU, wie beabsichtigt, einen relativ deutlichen Einmaleffekt im ersten Jahr nach sich zieht und nicht zu dauerhaften Entgeltsprüngen führt", so der Sprecher. Lediglich in 35 Fällen will die Behörde genauer hinsehen. Hier sei es zu auffällig hohen Entgeltsprüngen gekommen, die die Unternehmen jetzt begründen sollen.
Stilllegung nicht der einzige Faktor
Nach den Enet-Auswertungen sind die höchsten Preissteigerungen im Netz der Stadtwerke Pforzheim zu finden. Bei einem Musterhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 20.000 kWh beträgt das Plus demnach 48,7 Prozent. Die Stadtwerke wollen bis 2045 klimaneutral sein. Deshalb wurden bereits erste strategische Rückbaugebiete für das Gasnetz ausgewiesen, wo künftig die Nah- und Fernwärme ausgebaut werden soll. Neben KANU 2.0 verweist das Unternehmen auf energate-Nachfrage auch auf Anpassungen des vorgelagerten Netzbetreibers. Die Fernleitungsnetzbetreiber hatten im Juni für das kommende Jahr eine Entgelterhöhung um rund fünf Prozent angekündigt. Der Grund sind geringere Kapazitätsprognosen.
VKU: Versorger und Verbraucher hängen in der Luft
Mit dem Gasnetzrückbau befasst sich auch eine aktuelle Umfrage des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU). Demnach steht für 46 Prozent der Stadtwerke und Kommunalversorger noch nicht fest, was mit ihrem Gasnetz passieren wird. 23 Prozent der 164 Unternehmen, die an der Umfrage teilgenommen haben, planen eine Mischung aus Stilllegung und Umrüstung auf grüne Gase wie Wasserstoff oder Biomethan. 19 Prozent gaben an, dass sie ihr Gasnetz stilllegen und auf Fernwärme und Wärmepumpen setzen werden.
Die Mehrheit der Stadtwerke hänge aktuell in der Luft, kritisiert VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing, "und mit ihnen viele Bürger und 1,4 Mio. Industrie- und Gewerbekunden". Der Kommunalverband appelliert an die Bundesregierung, für mehr Rechts- und Planungssicherheit zu sorgen und offene rechtliche und finanzielle Fragen zu klären. Für den Dauerbetrieb konzipiert, fehlten für Stilllegung und Rückbau bislang klare gesetzliche Regelungen. So seien Versorger zum Beispiel weiterhin verpflichtet, neue Anschlüsse bereitzustellen.
"Je näher das Jahr 2045 mit dem Ende der Erdgasversorgung rückt, desto größer ist die Gefahr eines Flickenteppichs und erheblicher Verunsicherungen bei den Verbrauchern", so Liebing. Die Bundesregierung könne das verhindern, indem sie klare Regeln für einen geordneten Ausstieg aus dem Erdgas aufstellt. Der VKU warnt vor einer sozialen Schieflage, weil am Ende vor allem Mieter, die nicht über die Heizung im Haus bestimmen können, sowie kleine und mittelständische Unternehmen, die in der Produktion auf gasförmige Energieträger angewiesen sind, von steigenden Netzentgelten betroffen sein werden. Als Ausgleich schlägt der Verband eine Kombination aus Selbstzahlung und Umstellbonus vor, flankiert von einem staatlichen Kompensationskonto. /tc