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Klimaziele: Bundesregierung sieht Deutschland erstmals auf Kurs

Berlin (energate) - Für die Bundesregierung werden die Klimaziele 2030 greifbar. Das gehe aus den Daten zu den Treibhausgasemissionen 2023 sowie den Projektionsdaten zur künftigen Entwicklung des Umweltbundesamtes (UBA) hervor. Die Klimaschutzlücke, die zu Beginn der Legislaturperiode noch vorhanden gewesen sei, werde 2030 vollständig geschlossen, wenn Deutschland Kurs halte, teilte das Bundeswirtschaftsministerium mit. Ziel ist, dass die Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 65 Prozent sinken. Im vergangenen Jahr hatte das UBA noch zu wenig Tempo kritisiert (energate berichtete).

 

Laut UBA emittierte Deutschland 2023 rund 10 Prozent weniger Treibhausgase als 2022. Gründe seien der gestiegene Anteil erneuerbarer Energien, ein Rückgang der fossilen Energieerzeugung und eine gesunkene Energienachfrage bei Wirtschaft und Verbrauchern. Insgesamt wurden 2023 in Deutschland rund 673 Mio. Tonnen Treibhausgase freigesetzt - 76 Mio. Tonnen weniger als 2022. Dies sei der stärkste Rückgang seit 1990.

 

Die Projektionsdaten für das laufende Jahr weisen bis 2030 einen Rückgang um knapp 64 Prozent im Vergleich zu 1990 aus. Mit einem ambitionierten Ausbau der erneuerbaren Energien blieben die nationalen Klimaziele bis 2030 sektorübergreifend erreichbar, so das UBA. Bis 2030 könnten die Sektoren zusammen die Ziele sogar um 47 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente übererfüllen.

 

Energiesektor ist der Treiber

 

"Zum ersten Mal überhaupt zeigen die Zahlen: Deutschland ist auf Kurs", sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). "Wenn wir Kurs halten, erreichen wir unsere Klimaziele 2030. Dann schließen wir die Klimaschutzlücke". Habeck betonte, dass die Projektion bis 2030 davon ausgehe, dass die Industrie sich wieder erhole und die Emissionen dennoch weiter sinken. "Wir gehen von einer wachsenden und vollständig erholten Wirtschaft aus", so Habeck. In der Industrie sanken die Emissionen im zweiten Jahr in Folge auf rund 155 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente. Das entspricht einem Rückgang von 7,7 Prozent.

 

"Wir sind noch nicht über den Berg, aber Richtung und Geschwindigkeit passen", sagte UBA-Präsident Dirk Messner. Im Zentrum des Erfolges stehe der Energiesektor und der Ausbau der erneuerbaren Energien. In der Energiewirtschaft sind die Emissionen 2023 gegenüber dem Vorjahr um rund 51,8 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente bzw. 20,1 Prozent gesunken. "Das ist eine gute Nachricht", kommentierte Kerstin Andreae, Vorsitzende des Energieverbandes BDEW. "Nachdem wir im Jahr 2022 Ukraine-bedingt verstärkt Kohlekraftwerke zum Einsatz bringen mussten, um die Versorgung zu sichern, sind wir nun wieder auf Kurs", sagte sie.

 

Fortschritte im Gebäudesektor

 

Aber auch im Gebäudebereich sieht UBA-Präsident Messner Fortschritte - das Heizungsgesetz habe einen Effekt auf die Projektion. Der auf EU-Ebene beschlossene Emissionshandel ETS II werde ab 2027 ebenfalls auf die schwierigen Sektoren Gebäude und Verkehr wirken. "Bei den heute veröffentlichten Emissionsschätzungen handelt es sich um Projektionen, nicht um exakte Daten", so Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD). Doch die Richtung stimme. Der Gebäudesektor reduzierte die Emissionen um rund 8 Mio. Tonnen bzw. 7,5 Prozent. Bis 2030 verfehlt der Bereich das Ziel allerdings voraussichtlich um 32 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente.

 

Größtes Sorgenkind bleibt derweil der Verkehrssektor, wie UBA-Präsident Messner betonte. Hier errechnet sich eine Minderungslücke von 180 Mio. Tonnen CO2-Äquivalenten bis 2030. Positiv auswirken würde sich die LKW-Maut, aber bei der Elektromobilität hänge man zurück. "Hier bleibt viel zu tun", so Messner.

 

Umweltverbände kritisieren in diesem Zusammenhang erneut die Pläne der Bundesregierung, mit der Novelle des Klimaschutzgesetzes die Sektorziele abzuschaffen. "Die Zahlen zeigen, wie wichtig die Sektorziele im Klimaschutzgesetz sind", sagte beispielsweise Kai Niebert, Präsident des Umweltdachverbands Deutscher Naturschutzring (DNR). Eine Gesamtbetrachtung der Emissionen könne das Versagen einzelner Ministerien kaschieren. Die eigentlich rechtlich vorgeschriebenen Sofortprogramme für mehr Klimaschutz in den Sektoren Gebäude und Verkehr werden längst juristisch verhandelt (energate berichtete).

 

Strafzahlungen drohen dennoch

 

Die Verbände und Wissenschaftler verweisen auch darauf, dass ein Verstoß gegen die sektorspezifischen Klimaschutzverpflichtungen aus der europäischen Lastenteilungsverordnung (Effort Sharing Regulation) zu Strafzahlungen in Milliardenhöhe führen kann. "Es drohen hohe Zahlungen, da eine Zielverfehlung durch Zertifikate ausgeglichen werden muss", sagte Niklas Höhne, Leiter und Geschäftsführer des New Climate Institute Köln. Insgesamt wird das Ziel in den Sektoren Gebäude und Verkehr um 126 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente überschritten. "Bei einem grob geschätzten Preis von 100 Euro pro Zertifikat wären das 12 Mrd. Euro", rechnet Höhne vor.

 

Diese Strafzahlungen würden die ohnehin angespannte Haushaltslage weiter belasten. So bleibt auch unklar, wie sich die Kürzungen im Klima- und Transformationsfonds (KTF) auswirken werden, auch wenn Wirtschaftsminister Habeck betonte, dass die Klimaschutzmaßnahmen im KTF gewahrt worden seien. Sowohl Habeck als auch Messner wiesen aber darauf hin, dass der Klimaschutz national wie international politisch zunehmend unter Druck gerate. /ck

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