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Klimaklage: Urteil für alle Seiten ein Erfolg

Hamm (energate) - Die Klimaklage des peruanischen Landwirts Saúl Luciano Lliuya gegen den Energiekonzern RWE wurde vom OLG Hamm abgelehnt. Trotz der Niederlage könnte die Urteilsbegründung (Aktenzeichen 5 U 15/17 OLG Hamm) wegweisend für weitere Fälle sein. Denn der Vorsitzende Richter Rolf Meyer machte in seiner Begründung klar, dass große Emittenten wie RWE nach deutschem Zivilrecht für die Folgen des Klimawandels zur Verantwortung gezogen werden können - unabhängig von der Entfernung zwischen Kläger und Beklagten.

 

Was also auf den ersten Blick wie eine Niederlage aussieht, ist aus Sicht von Roda Verheyen, Rechtsanwältin von Luciano Lliuya, in Wahrheit ein großer Erfolg. "Das Urteil ist ein Meilenstein und wird Klimaklagen gegen fossile Unternehmen und damit der Abkehr von fossilen Brennstoffen weltweit Rückenwind geben." Ähnlich bewertet das Urteil die Client Earth-Juristin Lea Main-Klingst: "Unternehmen, die ihr Geld mit fossilen Brennstoffen machen, müssen zukünftig damit rechnen, dass sie für ihre weltweit verursachten Umweltschäden haften." Die Umweltorganisation Germanwatch, die Luciano Lliuya seit dem Jahr 2014 bei der Klage unterstützt, bezeichnete das Urteil in einer Mitteilung als "bahnbrechend" und "historisch".

 

Ganz anders bewertet RWE die Entscheidung. So sei der "von deutschen NGOs gestützte Versuch gescheitert", über die Klage einen Präzedenzfall zu schaffen. Das Unternehmen verwies ebenfalls darauf, dass es seine Anlagen jederzeit im Einklang mit dem geltenden Recht betrieben habe. "Es wäre ein unauflöslicher Widerspruch, wenn der Staat CO2-Emissionen erlaubt, gesetzlich im Einzelnen regelt und im Einzelfall sogar fordert, aber gleichzeitig dafür rückwirkend eine zivilrechtliche Haftung anordnen würde", erklärte der Essener Konzern.  

 

Streitpunkt: 17.000 Euro

 

Das OLG Hamm begründete die Zurückweisung des Berufungsantrags aber nicht mit einer grundsätzlichen Unvereinbarkeit mit dem deutschen Gesetz. Stattdessen argumentierte das Gericht, dass die Beweisaufnahme keine konkrete Gefahr für das Haus von Luciano Lliuya ergeben habe. Denn in seiner Klage fordert Lucian Lliuya RWE auf, sich anteilig an der Finanzierung von Schutzmaßnahmen an dem Palcacocha Gletschersee zu beteiligen. Durch den Klimawandel schmelzen die Gletscher immer weiter. Die Befürchtung des Peruaners: eine Flutwelle könnte sich auslösen und damit sein Haus zerstören. Deshalb forderte er von RWE als Europas größtem CO2-Emittenten, sich mit 0,47 Prozent an den Gesamtkosten der Schutzmaßnahmen zu beteiligen. Hierbei beruft sich Luciano Lliuya auf den "Carbon Majors"-Bericht aus dem Jahr 2014. Demnach ist RWE für eben diese 0,47 Prozent aller CO2-Emissionen seit Beginn der Industrialisierung verantwortlich. Da die Finanzierung der Schutzmaßnahmen rund 3,5 Millionen Euro kosten würde, hätte RWE rund 17.000 Euro zahlen müssen.

 

Kontroverse um Gutachten

 

Diese Gefahr für das Haus sieht das Gericht nicht als gegeben an. Die Wahrscheinlichkeit, dass überhaupt Wasser des Gletschersees das Haus des Klägers innerhalb der nächsten 30 Jahre erreiche, liege nur bei einem Prozent, argumentiert das Gericht während der Urteilsverkündung. Das umstrittene Gutachten lieferte während der Verhandlung im März 2025 für Gesprächsstoff. Die Kläger warfen dem zuständigen Gutachter Rolf Katzenbach, Professor für Geotechnik an der TU Darmstadt, vor, kein Experte für das Hochgebirge zu sein. Ein Gegengutachten kam zu dem Ergebnis, dass das Risiko bei mindestens 30 Prozent liege. Die beiden Gutachten unterscheiden sich insbesondere darin, dass das Gutachten der Klägerseite das konkrete Risiko aus Eis- und Felsstürzen in anderen Gebieten ableitet.

 

Diesen Einwand ließ das Gericht nicht gelten. Es folgte der Einschätzung des Sachverständigen Katzenbach, der eine konkrete Gefahrenanalyse auf Basis der örtlichen Gegebenheiten für sachgerecht hielt. Luciano Lliuya nahm das Urteil unterdessen mit Fassung. "Heute haben die Berge gewonnen. Auch wenn es in meinem Fall nicht weitergeht, hat meine Klage Wichtiges erreicht", so der Peruaner in einem Statement. Zwar sei er enttäuscht, dass das Gericht keine konkrete Gefahr für sein Haus sehe. "Aber bei diesem Urteil geht es nicht um mich, sondern um alle Menschen, die schon jetzt mit der sich ständig verschärfenden Klimakrise konfrontiert sind." /rh

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