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Industrie fordert aktives Carbon Management

Mönchengladbach (energate) - Das kürzlich verabschiedete Kohlendioxid-Speicher- und Transportgesetz (KSpTG) gilt in der Branche als Meilenstein. Doch an entscheidenden Stellen besteht für die Industrie Nachbesserungsbedarf. Das zeigte der "Handelsblatt Spezialtag CCS und CCU" in Mönchengladbach deutlich.

 

Anpassungen über KSpTG hinaus notwendig

 

"Wir sind alle froh, dass wir uns nicht mehr im Kreis drehen, sondern dass das KSpTG jetzt wirklich da ist, mit noch dem letzten Schritt durch den Bundesrat", erklärte Iris Rieth-Menze, Teamleiterin Prozesswärme & Kohlenstoffwirtschaft, Industrie & Produktion bei NRW.Energy4Climate. Aber es fehle für ein funktionierendes System noch Einiges. Dazu zählten insbesondere eine Carbon-Management-Strategie des Bundes, ein klarer Rahmen für langfristige Negativemissionen, der Aufbau eines Kernnetzes und von CO2-Hubs sowie eine Regelung für Offshore- und Onshore-Speicher. Zudem brauche es Instrumente zur Risikoversicherung der CO2-Infrastruktur und Anreize für die Nutzung von CO2 (CCU). Auch der Umgang mit fossilen Restmengen sei laut Rieth-Menze noch ungelöst.

 

Alexandra Decker, Vorständin bei Cemex Deutschland, forderte von der Bundesregierung mehr aktives Carbon Management und politische Durchsetzungskraft. Nur so könne die Industrie Planungssicherheit gewinnen. Sie appellierte an die Politik, die Standortbedingungen verschiedener Branchen fair zu gestalten: "Wir müssen uns die Karten der thermischen Abfallverwertung, der Kalk-, Stahl- und Zementindustrie anschauen und dafür sorgen, dass gleiche Wettbewerbsbedingungen entstehen und Wertschöpfungsketten synchronisiert werden." Decker sprach sich außerdem für ein Preissystem aus, das Wettbewerbsnachteile für Betriebe ohne Pipeline-Anschluss vermeidet.

 

Speicherung im Meer: "anspruchsvoll, aber möglich"

 

Doch wo soll das abgeschiedene CO2 am Ende hin? Die Frage nach Speicherlösungen an Land, im Meer oder im Ausland stand ebenfalls im Mittelpunkt. Grundsätzlich waren sich die Experten einer Panel-Diskussion einig: Ohne CO2-Speicherung wird Deutschland seine Klimaziele nicht erreichen. Doch der Weg dahin ist komplex.

 

Sebastian Fischer, Policy Advisor for Carbon Management der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), sagte, dass Deutschland zwar über erhebliche geologische Potenziale zur Speicherung unter Land verfüge, diese bislang aber nur grob erfasst seien. Onshore-Projekte wären kostengünstiger, da weniger Transportwege aufgebaut werden müssten, jedoch stießen sie auf Akzeptanzprobleme und rechtliche Unsicherheiten. Offshore-Lösungen in der Nordsee böten zwar geologische Chancen, seien aber aufgrund von Nutzungskonflikten und Umweltauflagen schwer umsetzbar. "Wir werden nicht 15 oder 20 Speicher über die nächsten zehn bis 20 Jahre offshore in Deutschland bekommen. Wenn ich mal realistisch raten soll, wäre ich froh, wenn wir zwei kriegen", so Fischer. Hier spielen Anträge, Natur- und Meeresschutz sowie politische Festlegungen eine große Rolle. Die Speicherung von CO2 offshore sei "anspruchsvoll, aber möglich".

 

Dabei plädierte Friedrich Rosenstock, Geschäftsführer von Fluxys Deutschland und Fluxys TENP, für einen pragmatischen europäischen Ansatz. Sein Unternehmen konzentriere sich auf grenzüberschreitende Projekte, etwa den CO2-Transport aus Nordrhein-Westfalen über Belgien zu Speichern in der Nordsee. In Belgien sei die Diskussion weniger ideologisch und die Genehmigungsverfahren schneller, so Rosenstock. Johannes Ruppert, Oberingenieur Klimaschutz beim Verein Deutscher Zementwerke (VDZ), wiederum forderte, dass die industrielle Wertschöpfung rund um CCS möglichst in Deutschland stattfinden müsse. Nur mit verlässlichen politischen Rahmenbedingungen und tragfähigen Finanzierungsmodellen könnten Zement- und Kalkwerke die Technologie breit ausrollen.

 

Emissionen aus der Stahlherstellung

 

Dass CCS auch für die Stahlindustrie unverzichtbar bleibt, machte Tim Ochel, Global Head of Green Steel bei der SMS Group, deutlich. Selbst mit neuen Verfahren wie Direktreduktion (DRI) und grünem Wasserstoff werde sich CO2 in der Branche nicht vollständig vermeiden lassen. Denn auch 2050 werde die Stahlindustrie noch Hochöfen brauchen. "Was bedeutet, unsere Klimaziele sind da doch sehr gefährdet", so Ochel. CCS und CCU seien daher keine Option, sondern eine Notwendigkeit, jedoch seien "viele Applikationen allein wegen der Menge nicht wirklich sinnvoll". So beschrieb es bereits Jonathan Weber, Mitglied des Vorstands der SHS - Stahl-Holding-Saar für den Bereich Transformation, im Interview mit energate. Denn Ziel für die SHS sei es im Projekt "Power4Steel", CO2 direkt zu vermeiden. 

 

Neben der Mengen-Diskussion stellten sich darüber hinaus Fragen zu Speicherorten und wie CO2 in den eigenen Prozessen weiterverwendet werden kann. Vor allem die Wirtschaftlichkeit und die Geschwindigkeit stimmten Ochel nachdenklich: "Wenn wir jetzt zu stark direkt schnell senken, wird es zu teuer. Wenn wir langsam und lange senken, werden wir zu dreckig. Wir möchten gerne die Mitte nehmen." Denn die hohen Energie- und Wasserstoffkosten, die sich durch DRI-Anlagen noch erhöhen, sowie die Kosten für Erze belasten die Industrie zunehmend.

 

Finanzierung von CCS-Projekten

 

Ohne Förderinstrumente sei der Wandel der Industrie und die Nutzung von CCS-Technologie aber kaum möglich. Markus Rosenthal, Geschäftsführer des Bundesverbandes Carbon Management Solutions (BVCMS), beschrieb die aktuelle Lage der Industrieprojekte zur Dekarbonisierung als eine Phase des Wartens. Zwar stünden konkrete Projekte bereit, doch fehlten noch die entscheidenden politischen und finanziellen Rahmenbedingungen. "Wir haben den Porsche vor der Tür, aber die Bundesregierung hat den Schlüssel mitgenommen", sagte er zugespitzt.

 

Ein zentrales Problem sei, dass Hausbanken technische und organisatorische Risiken kaum einschätzen könnten, weshalb staatliche Absicherungen unverzichtbar seien. Hoffnung setzt er auf neue europäische Förderinstrumente. Insbesondere brachte Rosenthal eine geplante europäische Bank zur schnellen Dekarbonisierung ins Spiel, die künftig Aufgaben des Innovationsfonds übernehmen und nationale Förderungen ergänzen soll. Entscheidend werde sein, wie sich die Bundesregierung in Brüssel einbringe, um eine enge Verzahnung zwischen europäischen und nationalen Förderprogrammen sicherzustellen. Diese Forderungen seien bereits an Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) gestellt.

 

Offen sprechen für mehr Akzeptanz

 

Zugleich betonte Rosenthal die Bedeutung regionaler Strukturen. Am Beispiel Nordrhein-Westfalens beschrieb er, dass das Land über eine funktionierende Klimaschutzstrategie und enge Kooperationen mit der Industrie verfüge. Aber neben Finanzierung und Koordination sei auch gesellschaftliche Akzeptanz zentral. Denn Großprojekte ließen sich nicht gegen die Bevölkerung durchsetzen.

 

Die gesellschaftliche Akzeptanz von CO2-Speicherung bleibt laut Alexandra Decker eine zentrale Herausforderung. In der Zementindustrie gebe es zwar technologische Lösungen, doch ohne Rückhalt in der Bevölkerung werde der Hochlauf nicht gelingen. "Wir müssen über Sicherheit, Umwelt und Standortperspektiven offen sprechen", forderte Decker. /hp

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