Habeck erteilt integriertem Kapazitätsmarkt eine Absage
Berlin (energate) - Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat sich in der Frage des künftigen Kapazitätsmarktmodells klar positioniert. Zur Absicherung des Kohleausstiegs seien zentral gesteuerte Kraftwerksausschreibungen vonnöten. Wenn es aber um die Aktivierung von dezentralen Energien, Speichern und anderen Flexibilitätsoptionen gehe, seien die Energieversorger vor Ort die weitaus besseren Ansprechpartner, betonte der Minister bei einer Veranstaltung des Bundesverbandes Neue Energiewirtschaft (BNE) in Berlin. Damit begründete er, warum sein Haus bei der nahenden Entscheidung über ein künftiges Kapazitätsmarktmodell aller Voraussicht nach an einer Kombination aus zentraler und dezentraler Komponente festhalten werde.
Parallel zu Habecks Auftritt beim BNE tagte in seinem Ministerium die Plattform Klimaneutrales Stromsystem. Dabei brachten die unterschiedlichen Stakeholder nochmals Argumente für das von ihnen jeweils bevorzugte Modell hervor. So sprach sich unter anderem der Energieverband BDEW für einen integrierten Kapazitätsmarkt aus, der die verschiedene Erzeugungs- und Flexibilitätstechnologien in einem Ausschreibungsmodell zusammenführen würde. Im Interview mit energate skizzierte die BDEW-Hauptgeschäftsführerin nochmals die Vorzüge dieses Modells, das vor allem von den großen Energiekonzernen als Nutznießer unterstützt wird.
Effizientes System braucht lokale Akteure
Minister Habeck räumte ein, dass es starke Befürworter zentraler Ausschreibungen gebe. Eines ihrer Argumente sei, dass die Bundesregierung die Verantwortung für die Systemsicherheit nicht an hunderte Netzregionen abtreten könne. Der Grünen-Politiker machte in seiner Rede beim BNE allerdings deutlich, dass er dieser Argumentation nicht folgt. "Wenn das System effizient sein soll, brauchen wir lokale Speicher- und Produktionsmöglichkeiten." Das sei eine sehr kleinteilige Angelegenheit, die "keine Bundesregierung der Welt monitoren" könne. "Das können nur die lokalen Akteure vor Ort", sagte Habeck unter großem Applaus der anwesenden BNE-Mitglieder.
Der BNE lehnt zentrale Kraftwerksauktionen ab und spricht sich stattdessen für eine marktwirtschaftliche Organisation der Versorgungssicherheit über eine Absicherungspflicht aus. Habeck betonte aber, dass er zentrale Auktionen als Teil eines Kapazitätsmarktes "zumindest für den Anfang" für notwendig hält. Nicht nur aus Systemsicht, sondern auch in politischer Hinsicht. Die neuen Gaskraftwerke werden vorrangig an den Standorten bisheriger Kohlekraftwerke entstehen, dadurch bleibt dort Beschäftigung erhalten. Ziel des Bundeswirtschaftsministeriums ist es, seinen Vorschlag zum künftigen Kapazitätsmarkt noch vor der Bundestagswahl im kommenden Herbst in die Notifizierung mit der EU-Kommission zu bringen. Dazu will das Ministerium bereits am 18. Oktober erste Eckpunkte im Bundeskabinett vorlegen.
Amortisationskonto soll Netzentgelte senken
Druck macht Habeck auch bei den Stromnetzentgelten. Hier will der Minister ebenfalls noch vor der Bundestagswahl Neuerungen auf den Weg bringen. Das bisherige Netzentgeltsystem stamme aus einer Zeit, in der keine Stromnetze gebaut worden seien. Daher passe es nicht mehr zu den heutigen Anforderungen. Um die Netzausbaukosten auf der Zeitachse zu verteilen, regt Habeck analog zur Finanzierung des Wasserstoffkernnetzes auch für die Stromnetzentgelte ein Amortisationskonto an. "Man muss es nicht ganz genauso machen." Ziel müsse aber sein, die Netzausbaukosten auf 30 oder 40 Jahre zu strecken. "Stellen Sie sich vor, wir könnten die Netzentgelte auf 10 oder 20 Prozent des heute Üblichen absenken", sagte Habeck. Das wäre eine riesige Erleichterung für die deutsche Wirtschaft und ein Turbo für den Aufbau von Energiewendetechnologien, so seine Hoffnung. /cs