Gesucht: Wege aus der Netzanschluss-Misere
Hamm (energate) - Die stark ansteigende Zahl an Netzanschlussanfragen für Großbatteriespeicher stellt die Übertragungsnetzbetreiber vor zunehmende Herausforderungen. Inzwischen liegen den Unternehmen über 500 GW an Anschlussanfragen vor, ein Großteil kommt von Speicherprojektierern. Nun erhöhen die Bundesländer den Druck auf die Bundesregierung, den bestehenden Rechtsrahmen weiterzuentwickeln. In einem Änderungsantrag stellen die Bundesländer zur Debatte, Großbatteriespeicher aus der Kraftwerksnetzanschlussverordnung (KraftNAV) herauszunehmen. Der Vorschlag wird am 26. September im Bundesrat diskutiert.
Gleichzeitig ist sowohl den Ländern als auch von energate befragten Unternehmen und Verbänden klar, dass es sich dabei allerhöchstens um einen ersten Schritt handeln kann. Gefragt ist eine Lösung, die den Batteriespeicherboom nicht ausbremst, den großen Andrang aber netzdienlicher steuert. Andernfalls droht, dass sich durch die Anwendung der KraftNAV auf Großbatteriespeicher die Netzanschlussverfahren von anderen Projekten wie Kraftwerken oder Rechenzentren verzögern.
KraftNAV ist ein Relikt vergangener Zeiten
Die KraftNAV ist ein Sonderregime für Erzeugungsanlagen größer als 100 MW. Diese werden im Hoch- und Höchstspannungsnetz nach dem Prinzip "First Come First Served" angeschlossen - das sogenannte Windhundprinzip. Der Prozess wurde jedoch speziell für Kraftwerke geschaffen, nicht für den massenhaften Anschluss von Batteriespeichern.
Die Übertragungsnetzbetreiber haben sich daher schon im Juli 2025 für eine Weiterentwicklung des Rechtsrahmens ausgesprochen. Insbesondere 50 Hertz mit den Netzgebieten Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sieht seine Kapazitäten weitgehend erschöpft. Aktuell kann das Unternehmen nach eigenen Aussagen keine neuen Anschlüsse mehr vor 2029 vergeben. Die Wirtschaftsministerien von Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern erklärten ebenfalls im Juli 2025 gegenüber energate, dass eine Reform des Netzanschlussverfahrens für Großspeicher unumgänglich sei. Sollten Batteriespeicher aus der KraftNAV herausfallen, würde ihr Anschluss - zumindest ohne Folgeregelung - über das Energiewirtschaftsgesetz geregelt werden.
Bundesländer erhöhen Druck auf Bundesregierung
Nun machen die Bundesländer gemeinsam Nägel mit Köpfen. Bereits bei der letzten Energieministerkonferenz im Mai 2025 haben die Länder die Bundesregierung aufgefordert, einen Rechtsrahmen zur Flankierung des Batteriespeicherhochlaufs zu entwickeln und umzusetzen. "Dieser Bitte ist die Bundesregierung leider bis heute nicht nachgekommen", hieß es aus dem niedersächsischen Umweltministerium. Bei der Bundesratssitzung am 26. September soll daher ein Antrag diskutiert werden, der den Ausschluss von Großbatteriespeichern aus der KraftNAV vorsieht. Findet der Antrag eine Mehrheit, wird er Teil der Stellungnahme des Bundesrats. Anschließend folgt das weitere Gesetzgebungsverfahren für Bundesgesetze nach den Vorgaben des Grundgesetzes. Gegenüber energate begrüßten auch der BDEW sowie Transnet BW den Vorschlag.
Vorschlag kann nur ein erster Schritt sein
Dennoch ist allen Beteiligten klar, dass die Herausnahme von Batteriespeichern aus dem Anwendungsbereich der KraftNAV nur ein erster Schritt sein kann. Großbatteriespeicher nicht über diese Verordnung abzuwickeln, "löst nicht das grundlegende Problem, dass für die Vielzahl an Anfragen für Großbatteriespeicher ein passendes Verfahren notwendig ist", erklärte das baden-württembergische Energieministerium. Wie das genau aussehen könnte, darüber besteht jedoch keine Einigkeit. Eine gemeinsame Lösung haben die Bundesländer ausgehend von ihren Stellungnahmen gegenüber energate noch nicht gefunden. Das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft warb für klare Vorgaben und Planungssicherheit für Projektierer und Netzbetreiber. Wie das im Einzelfall geregelt werden soll, ließ die Antwort aus Sachsen offen.
Nordrhein-Westfalen befürwortet die Einführung von bundesweit einheitlichen Reservierungsgebühren in Netzanschlussverfahren. So will das Land die Anzahl von unseriösen Anfragen senken. Außerdem müsse die Standortwahl so gelenkt werden, dass der Betrieb von Energiespeicheranlagen vorrangig netz- und systemdienlich erfolge, hieß es aus dem Ministerium gegenüber energate. Der bayrische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sprach sich sogar für eine allgemeine Abschaffung des Windhundprinzips aus. Dies dürfte jedoch auf den Widerstand der übrigen Länder stoßen. Diese befürworteten gegenüber energate überwiegend das Prinzip des "First Come First Served" - zumindest bezogen auf die vorgeschlagene Variante ohne Großbatteriespeicher. Niedersachsen wiederum will die Netz- und Systemdienlichkeit konkreter Projekte stärker bewerten und bevorteilen.
Wie geht es mit Batteriespeicherprojekten weiter?
Offen ist auch die Frage, wie es mit dem Batteriespeicherboom weitergeht, sollte der Vorschlag der Bundesländer umgesetzt werden. Aus dem brandenburgischen Wirtschaftsministerium hieß es, dass Batteriespeicherprojekte dann keine Vorzugsbehandlung mehr im Anschlussverfahren genießen würden. Das Umweltministerium in Niedersachsen hält den Vorschlag hingegen auch für Batterieprojektierer vorteilhaft. Sie könnten von einer stärkeren Rechtssicherheit für den Netzanschlussprozess profitieren, da die "erforderlichen und sinnvollen Batteriespeicher an den richtigen Standorten privilegiert würden".
Ganz anders sieht dies Julian Gerstner, Geschäftsführer des Batterieprojektierers Mirai Power. Die KraftNAV sei definitiv nicht perfekt für die Anwendung auf Speicher. Im Vergleich zum Energiewirtschaftsgesetz schaffe die Verordnung jedoch "eine gewisse Art von Planungssicherheit", so Gerstner auf energate-Anfrage. Sie definiere klare Zeiträume für den Netzanschlussprozess, etwa im Hinblick auf die Dauer der Beantwortung oder welche Daten ein Netzbetreiber offenzulegen hat.
Das Ziel, die Batteriespeicher aus der Regelung herauszunehmen, schieße somit am Ziel vorbei. Zumindest dann, "wenn nicht im gleichen Atemzug ein Vorschlag für eine Speichernetzanschlussverordnung" gemacht werde, so Gerstner weiter. Denn auch wenn "nicht alles perfekt" sei, schaffe die KraftNAV "Hürden, dass nicht jeder Goldritter Netzanfragen stellt". Ziel müsse es daher sein, dass die Netzbetreiber die Regelung auch wirklich kategorisch anwenden. Gerade an diesem Punkt sieht Gerstner Nachholbedarf bei den Übertragungsnetzbetreibern, insbesondere Amprion. Denn der Netzbetreiber wende nur einen an die KraftNAV angelehnten Prozess an, beschreibe diesen allerdings nicht genau und verlange etwa auch keine Reservierungsgebühr.
Cable-Pooling als Lösung?
Ablehnung erhält der Vorschlag auch von EnBW. Die Herausnahme der Großbatteriespeicher aus der Verordnung werde das Problem nicht lösen, hieß es aus Stuttgart. Stattdessen sprach sich der Energiekonzern dafür aus, die KraftNAV gezielt zu überarbeiten und an die Bedürfnisse von Batteriespeichern sowohl in der Projektierungs- als auch Bauphase anzupassen. In diesem Zusammenhang begrüßt das Unternehmen das sogenannte Cable-Pooling. Damit ist die gemeinsame Überbauung und Nutzung von Netzverknüpfungspunkten durch den abgestimmten Einsatz verschiedener Erzeugungs- und Speichertechnologien gemeint. Grundvoraussetzung dafür sind flexible Netzanschlussvereinbarungen, die zuletzt auch die Bundesnetzagentur ins Spiel brachte.
Bei der Ausgestaltung einer Speichernetzanschlussverordnung wünscht sich Mirai-Power-Chef Gerstner klare Rechte und Pflichten für Netzbetreiber und Entwickler. Dazu gehöre auch der Nachweis von Planungsreife sowie das "kategorische freimachen von Netzanschlusspotenzialen, wenn der Antragsteller die Voraussetzungen nicht innerhalb von definierten Fristen erreicht". Ähnlich wie EnBW befürwortet Gerstner ebenfalls flexible Netzanschlussverträge. System- oder netzdienliche Speicher sollten außerdem einen vorrangigen Netzanschluss bekommen. "Diese Speicher müssen dann aber auch verpflichtend einen Beitrag zur Systemstabilität und Verringerung des Redispatch liefern", so Gerstner.
Auch Lars Stephan, Director Marketing, Policy and Public Affairs beim Speicheranbieter Fluence Energy, forderte gegenüber energate klarere Regeln die darauf abzielen, die Ernsthaftigkeit der Projekte im Vorfeld besser abzuschätzen. "Mehrfachanfragen und spekulativen Anfragen sollte hier ein stärkerer Riegel vorgeschoben werden." Gleichzeitig seien Projektierer aufgrund der aktuell mangelhaften Transparenz quasi zu Mehrfachanfragen gezwungen. /rh