Gasspeichermarkt kommt an seine Grenzen
Berlin (energate) - Trotz einiger Ausnahmen haben die meisten deutschen Gasspeicherbetreiber die Füllstandsvorgaben zum 1. November erreicht. Aber auch unter den Speicherbetreibern, die die vom Bundeswirtschaftsministerium herabgesetzten Ziele erfüllt haben, gibt es dringliche Kritik. "Die Speicherbefüllung war in diesem Jahr für alle mit großen Risiken behaftet und teilweise nicht kostendeckend", sagte Daniel Mercer, Geschäftsführer des Speicherbetreibers Storengy Deutschland, im Interview mit energate. Die fünf Gasspeicher des Berliner Unternehmens lagen zum Stichtag 1. November alle über den geforderten 80 Prozent. Storengy habe zu einem Zeitpunkt vermarktet, als viele noch zögerten. "Unsere Strategie war: lieber etwas verdienen, auch wenn es nicht reicht, um Investitionen zu decken", so Mercer. Aber das sei keine dauerhafte Lösung, gab er zu bedenken.
Das größte Problem sind in seinen Augen die gesetzlichen Füllstandsvorgaben. Deutschland hatte sie ebenso wie der Rest der EU unter dem Eindruck der Gaskrise eingeführt - zur Absicherung der Versorgung. Die im September 2022 gestartete Regelung gilt noch bis Ende 2027. Damit bleibe auch das Risiko der Verzerrung vorerst bestehen, warnte Mercer. Zum Hintergrund: Wenn alle befüllen müssen, steigt die Nachfrage vor den jeweiligen Stichtagen und damit die Preise. Zudem haben deutsche Marktteilnehmer darauf spekuliert, dass der Gasmarktgebietsverantwortliche THE die Speicher notfalls befüllen würde, falls der Markt es nicht richtet. Folge war, dass die sonst übliche Marktlogik - gekauft wird günstiges Sommergas, das mit Gewinn im Winter verkauft wird, nicht mehr aufging.
Erste Stilllegungen
Wenn die Preise so bleiben, müsse auch Storengy sich "ernsthafte Fragen" stellen, sagte Mercer im Interview. Mitbewerber Uniper Energy Storage plant bereits die Außerbetriebnahme von Breitbrunn, einer der größten deutschen Gasspeicher, und auch die bayerische Bayernugs arbeitet nach energate-Informationen an einer Stilllegungsanzeige. Storengy-Geschäftsführer Mercer argumentiert allerdings nicht nur mit den betriebswirtschaftlichen Problemen der Betreiber: "Das teure Gas in den Speichern belastet auch die Industrie."
Absicherung notwendig
Wenn sich die Regularien nicht ändern lassen - und danach sieht es aktuell erst einmal nicht aus -, empfiehlt Mercer neue Mechanismen zur Absicherung des gestressten Gasspeichermarktes. Im Ölmarkt gebe es seit der Krise 1974 eine strategische Reserve - im Strommarkt existierten gleich mehrere. Die eigene europäische Gasproduktion - in Groningen, Nordsee und Norddeutschland - sei dagegen "fast verschwunden". Und auch die neuen deutschen LNG-Terminals, mit denen Bundwirtschaftsministerin Katherina Reiche die Aufhebung der Alarmstufe Gas mitbegründet hatte, würden nur bedingt weiterhelfen.
"Sobald es Störungen gibt - etwa eine kalte Dunkelflaute oder geopolitische Konflikte - brauchen wir Speicher", so Mercer. Er sieht hier einen hohen Versicherungswert, der der Allgemeinheit zugutekommt, auch wenn Kunden ihn nicht direkt bezahlen. Zudem gebe es in den geopolitisch unruhigen Zeiten einen weiteren Vorteil. "Militärisch liegen die Speicher hinter unseren Verteidigungslinien. Die LNG-Tanker sind auf See außerhalb unserer Verteidigungslinien", betonte Mercer.
Blick ins Ausland
Bei der Einführung neuer Sicherheitsmechanismen empfiehlt der Storengy-Geschäftsführer einen Blick ins europäische Ausland und hier insbesondere auf den Heimatmarkt von Storengy. Frankreich arbeitet mit sogenannten Contracts for Difference, die Freiraum für marktliches Geschehen lassen. Über eine Art Benchmark würden Gasspeicher am Leben erhalten, die Kosten über Transportentgelte gewälzt. "Und das in Frankreich, wo Kaufkraft immer wieder ein politisches Pulverfass ist", ordnete Mercer ein.
Wenn das französische Modell nicht umsetzbar ist, gibt es noch das österreichische System, das auf einer strategischen Gasreserve beruht. Hier sollte Deutschland aber nicht nur kopieren, sondern bestenfalls dem Markt mehr Raum lassen, appellierte Mercer. Etwa indem Kapazitäten in Tranchen vermarktet werden, eine nach der anderen. Damit sei die strategische Reserve überall verteilt, was für mehr Resilienz sorge. Bisher lasse das Bundeswirtschaftsministerium keine klaren Signale erkennen, berichtete der Geschäftsführer auf Nachfrage: "Aber die Hoffnung stirbt zuletzt."
Kapital für Wasserstoffspeicher fehlt
Bei der Umstellung der Gasspeicher auf Wasserstoff fehlt der Speicherbranche ebenfalls Sicherheit. Zwar
hat das Energiewende-Monitoring klar benannt, dass der Staat unterstützend eingreifen soll. "Gegenüber dem Weißbuch des Bundeswirtschaftsministeriums aus dem Frühjahr ist das sicherlich ein Fortschritt", so Mercer. Aber solange es kein profitables Geschäftsmodell für Gasspeicher gebe, fehle auch das Kapital, um überhaupt in Wasserstoffprojekte investieren zu können.
"Neue Speicher benötigen mindestens acht Jahre bis zur Inbetriebnahme - acht Jahre, in denen wir Hunderte Millionen Euro investieren, ohne Einnahmen. Das geht nur, wenn Risiken abgesichert sind", so der Storengy-Geschäftsführer. Dabei brauche es keinen direkten Zuschuss, aber einen Mechanismus, der das Risiko begrenzt. Für ihn lautet die Antwort CFDs mit Amortisationskonto.
Für seine erste Wasserstoffkaverne namens "SaltHy" am niedersächsischen Speicherstandort Harsefeld hat Storengy den PCI-Status und eine Förderung aus der Connecting Europe Facility erhalten. Storengy verhandelt Verträge, holt Genehmigungen ein und prüft Machbarkeiten. Ohne eine klare Perspektive und ein neues Unterstützungsinstrument werde das Unternehmen allerdings nicht investieren und das sieht der Speicher-Geschäftsführer ebenso wenig bei anderen Gasspeicherbetreibern. "Das ist eine conditio sine qua non," so Mercer /mt/cs