"Gaskraftwerke sind nicht die alleinige Lösung"
Hannover (energate) - Enercity-Vorstandschefin Aurélie Alemany erwartet von der neuen Bundesregierung ein Festhalten am Kurs der Energie- und Wärmewende. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD sieht sie dafür verlässliche Anzeichen. "Das ist wichtig für die Planbarkeit und den Rahmen unserer Investitionen", sagte Alemany im Interview mit energate. Bei der konkreten Umsetzung regt die Unternehmenschefin aber Nachjustierungen an, die sich von den Schwarz-Roten Energieplänen absetzen. Das betrifft vor allem die geplante Neufassung der Kraftwerksstrategie.
20 GW bis 2030 sind nicht erreichbar
"Wir brauchen Versorgungssicherheit und dazu gehören Back-up-Kapazitäten", betonte Alemany gegenüber energate. Beim Umfang der geplanten neuen Gaskraftwerke geht sie aber auf Distanz zu den Regierungsplänen. Das im Koalitionsvertrag gesteckte Ziel von 20 GW neuen Gaskraftwerken bis 2030 hält Alemany für kaum erreichbar. "Deswegen plädieren wir dafür, den Lösungsraum zu erweitern", erklärte die Enercity-Chefin. Gemeint sind Speicher, Flexibilitäten und steuerbare Lasten. Auch Biogasanlagen könnten zur Versorgungssicherheit beitragen. "Gaskraftwerke sind sicher nicht die alleinige Lösung", stellte Alemany klar. So betreibt Enercity seit vergangenem Jahr zwei Biomethan-Blockheizkraftwerke, die zusammen mit anderen dezentralen Anlagen den Kohleausstieg in Hannover absichern.
Auch die neue Bundesregierung hatte angekündigt, die Umsetzung der Kraftwerksstrategie, die unter der Ampel an langwierigen beihilferechtlichen Abstimmungen mit der EU gescheitert waren, "technologieoffen" ausgestalten zu wollen. Nun zeichnet sich aber ab, dass die neue Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche dabei ausschließlich auf Erdgaskraftwerke setzt, was in Teilen der Energiebranche auf Kritik stößt. So hat sich auch der Branchenverband BDEW zu Wort gemeldet und Bedenken geäußert, dass eine Ausweitung der Kraftwerksstrategie auf 20 GW möglicherweise erneut zu langen Verhandlungen mit der EU führen könnte. Daher schlägt der Verband vor, am von der Ampel geplanten Volumen von 12,5 GW festzuhalten und weitere flexible Kapazitäten über einen - dann technologieoffeneren - Kapazitätsmarkt zu vergeben.
Alemany plädiert für nodales Preissystem
Auch in der Frage der künftigen Strompreiszone positioniert sich die Enercity-Chefin mit einem eigenen Vorschlag. Es sei zwar offensichtlich, dass Deutschland ein "Infrastrukturdefizit" habe, erläuterte Alemany. Dieses mit einer Aufteilung der deutschen Strompreiszone zu beantworten, hält sie aber für einen Fehler. Obwohl im Norden die Strompreise in einem solchen Modell aller Voraussicht nach niedriger wären als im Süden, warnt Alemany vor den Folgen für die gesamte Wirtschaft. Der Zonen-Split hätte für die Industrie "gravierende Nachteile", mahnte sie. "Stattdessen sollten wir über nachhaltige Alternativen sprechen, etwa über ein nodales Preissystem."
Beim sogenannten Nodal Pricing werden die Preise für Strom an jedem einzelnen Netzknoten festgelegt. So könnten sie für jedes Netzgebiete aktuelle Engpässe widerspiegeln und bepreisen. "Es entstehen also Anreize, Flexibilitätstechnologien dort zu errichten, wo es aus Sicht des Netzes am sinnvollsten ist", führte Alemany aus. Sie verspricht sich von einem nodalen Preissystem folglich "langfristige Effizienzpotenziale" und "volkswirtschaftliche Vorteile". Zwar gebe es für die Einführung eines solchen Preissystems noch keine fertige Lösung, räumte Alemany ein. Es gebe aber bereits Vorbilder in anderen Ländern. "Wir könnten schrittweise in ein solches System einsteigen." Ein erster Schritt sind aus Sicht Alemanys dynamische Netzentgelte, die alle Netzbetreiber seit dem 1. April verpflichtend anbieten müssen. /cs
Das ganze Interview mit Enercity-Chefin Aurélie Alemany, in dem sie sich auch zum schleppenden Smart-Meter-Rollout und zur Wärmewende äußert, lesen Sie hier.