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EU-ETS 2 kommt ein Jahr später

Brüssel (energate) - Der Start des neuen Emissionshandels für die Sektoren Gebäude und Verkehr (EU-ETS 2) wird um ein Jahr auf 2028 verschoben. Dies ist Teil des Kompromisses nach stundenlangen nächtlichen Beratungen der 27 EU-Umweltminister zum EU-Klimaziel 2040 sowie dem weltweiten Klimaschutzbeitrag der EU. "Scheitern war keine Option", sagte der dänische Umweltminister Lars Aagaard, der den Vorsitz innehatte. Damit Benzin und Diesel an den Tankstellen und der Betrieb von Gas- und Ölheizungen zu Beginn des ETS 2 nicht zu teuer werden, sollen frühzeitig ETS-2-Zertifikate aus der sogenannten Marktstabilisierungsreserve (MSR) dem Handel zur Verfügung gestellt werden.

 

Begründet wird dies mit der Sorge vor sozialen Härten und einer Überforderung der Mitgliedstaaten - gerade angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage. Die Ausgabe von mehr Emissionsberechtigungen senkt den Preis. Dafür sagte EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra auf der Tagung zu, diesbezüglich noch dieses Jahr Gesetzesvorschläge vorzulegen. 

 

Fünf Prozentpunkte der THG-Einsparungen in Drittstaaten

 

Der ETS 2 war Verhandlungsmasse bei den Klimazielen, auf die sich die EU-Mitgliedstaaten lange nicht verständigen konnten. Am Vortag sah es noch so aus, als ob das EU-Klimaziel für das Jahr 2040 scheitern könnte. Polen, Ungarn und die Slowakei waren trotz der dänischen Kompromissvorschläge und der Zusage der EU-Kommission, demnächst den ETS 2 zu reformieren, nicht dazu zu bewegen, zuzustimmen. Jetzt gab es am Morgen des 5. November doch noch die Einigung, dass die EU ihre Netto-Treibhausgaseinsparungen (THG) um 90 Prozent im Vergleich zu 1990 senkt. Die Mitgliedsländer sollen allerdings die Möglichkeit erhalten, fünf Prozentpunkte der 90 Prozent durch den Kauf von CO2-Emissionszertifikaten von Drittstaaten zu erreichen.

 

Dies soll schon in einer Pilotphase zwischen 2031 und 2036 möglich sein. Mit dem Zukauf internationaler CO2-Credits müssten in der EU faktisch nur 85 Prozent eingespart werden. Mehr als fünf Prozentpunkte soll die EU-Kommission nach Prüfung ermöglichen können. Dauerhafte inländische Kohlenstoffentnahmen sollen im EU-Emissionshandelssystem (ETS) gehandelt werden können.

 

Für den Beschluss war eine qualifizierte Mehrheit von 15 der 27 Mitgliedstaaten erforderlich, wo mindestens 65 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung leben. Polen, Ungarn und die Slowakei blieben bei ihrem Nein, Belgien und Bulgarien enthielten sich. Österreich, das am Vortag noch mit seinem Nein gedroht hatte, stimmte zu. Den Äußerungen des österreichischen Umweltministers Norbert Totschnig (ÖVP) zufolge sei seine Forderung nach einer Verlängerung der Gratiszuteilung von CO2-ETS-1-Zertifikaten über das Jahr 2034 hinaus erfüllt worden: "Dazu gibt es jetzt ein klares Bekenntnis im Text."

 

Beim NDC für 2035 bleibt es bei einer Bandbreite

 

Bei den national festgelegten Beiträgen (Nationally Determined Contributions, NDCs) zum Pariser Klimaabkommen für das Jahr 2035 soll die Zielspanne von 66,25 bis 72,5 Prozent verbindlich werden. Dazu hatten die Umweltministerinnen und -minister bislang nur eine Absichtserklärung abgegeben. Für den NDC ist im Rat Einstimmigkeit erforderlich. Der dänische Ratsvorsitzende Lars Aagaard wollte vom EU-Klimaziel 2040 eigentlich eine konkrete Zahl und keine Spannbreite ableiten. Die EU wird nun die Spannbreite auf der am 10. November in Brasilien beginnenden UN-Klimakonferenz Cop 30 als ihren weltweiten Klimaschutzbeitrag präsentieren. Das EU-Parlament muss dem NDC noch zustimmen; ändern kann es ihn nicht.

 

Anpassung des 2040-Ziels nach unten bei Krisen möglich

 

Die Position des Rates führt zudem eine zweijährliche Überprüfung ein, um "den Fortschritt bei der Erreichung der Zwischenziele auf der Grundlage der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse, technologischen Fortschritte und der globalen Wettbewerbsfähigkeit der EU zu verfolgen", heißt es in dem Einigungstext. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Überprüfung muss die Kommission, sofern erforderlich, eine Überarbeitung des Klimagesetzes vorschlagen. Dies könne "eine Anpassung des 2040-Ziels oder andere zusätzliche Maßnahmen zur Stärkung des Ermöglichungsrahmens umfassen". Die Staats- und Regierungschefs hatten auf ihrem Gipfel am 23. Oktober empfohlen, dass, wenn es die wirtschaftliche Lage erfordere - etwa wegen Handelskriegen, hohen Energiekosten oder Wettbewerbsnachteilen - das Ziel angepasst werden kann. Und die dänische Ratspräsidentschaft hat diese Empfehlung umgesetzt.

 

Von den EU-Umweltministerinnen und Umweltministern angenommen wurde auch die vom dänischen Vorsitz vorgeschlagene "Notbremse". Die sieht vor, dass wenn die natürlichen Senken nicht genügend zur Netto-THG-Einsparung von 90 Prozent beitragen, andere Sektoren (Industrie, Verkehr) dies nicht ausgleichen müssen. "Netto" bedeutet, dass von den Brutto-Emissionen, also jenen, die die Industrie und der Verkehr verursachen, die THG-Einsparungen natürlicher Senken - beispielsweise Wälder - und die technischer Lösungen wie CCS oder CO2-Entfernung aus der Luft abgezogen werden können. Das EU-Klimaziel 2040 muss noch zwischen der dänischen Ratspräsidentschaft und dem EU-Parlament ausgehandelt werden, weil es sich um eine EU-Verordnung handelt. Das EU-Parlament hat sich noch nicht positioniert. Ihren NDC 2035 wird die EU wohl noch rechtzeitig auf der Cop 30 vorlegen können.

 

Deutsche Energieversorger kritisieren ETS-2 Verschiebung 

 

Die deutsche Energiebranche kritisiert die Verschiebung des ETS 2. "Dieses marktwirtschaftliche Instrument hätte europaweit wichtige Preissignale für die Wärmewende und den Hochlauf der Elektromobilität gesetzt und ist eine zentrale Maßnahme für die Erreichung des gerade beschlossenen Klimaziels", sagte Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung.

Ziel müsse jetzt sein, die verbleibende Zeit zu nutzen, um die Belastungen für einkommensschwache Menschen über flankierende soziale Maßnahmen zu begrenzen.

 

Auch der Stadtwerkeverband VKU schließt sich der Kritik an. "Damit wird der Energiewirtschaft Planungssicherheit genommen und letztlich das Erreichen der Klimaziele erschwert", sagte VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing. Denn die Einnahmen aus dem Brennstoffemissionshandel sollten gezielt für die Transformation und eine soziale Abfederung bei Härtefällen eingesetzt werden.

 

Nationale Mechanismen rücken wieder in den Vordergrund

 

Für Deutschland heißt dies nun, dass das Fallback-Szenario gemäß Brennstoffemissionshandelsverordnung (BEHV) greift. Der deutsche nationale Emissionshandel (nEHS) bleibt auch im Jahr 2027 weiter aktiv und wechselt von der Auktionsphase im Jahr 2026 auf eine marktnahe, quartalsweise Preisorientierung. "So richtet sich die Preisfindung ab 2027 am ETS 1 aus - also an den Auktionspreisen des bestehenden europäischen Emissionshandels für die Industrie- und Stromsektoren", erläuterte Emissionshandelsexperte und Q-Bility-Geschäftsführer Dominik Trisl. Regelmäßige Verkaufsfenster sorgten für Rhythmus in Beschaffung und Disposition. Eine Mengenbegrenzung - wie im Jahr 2026 - solle es indes nicht geben. Strategisch bleibt das Signal in seinen Augen eindeutig. "Die Verzögerung ist kein Aufschub der Dekarbonisierung, sondern ein verlängertes Anlaufband", so Trisl. /rl /mt

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