Einheitliche Verträge und Strafen für den Messstellenbetrieb
Bonn (energate) - Die Bundesnetzagentur hat neue Standards für den Messstellenbetrieb beschlossen. Die Anpassung betrifft den bestehenden Messstellenbetreiberrahmenvertrag und führt erstmals bundesweit einheitliche Messstellenverträge für Anschlussnutzer und Lieferanten ein. Auch Strafzahlungen drohen. Die neuen Vorgaben gelten ab 1. Juli 2026.
Ziel ist eine Vereinheitlichung der Vertragsbedingungen und die Anpassung an die aktuelle Rechtslage im Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) sowie an die Vorgaben für Wechselprozesse im Messwesen (WiM) und Lieferantenwechsel (GPKE). Die Bundesnetzagentur reagiert damit auf Forderungen der Branche nach mehr Klarheit und weniger administrativem Aufwand. Insbesondere Unternehmen, deren Geschäftsmodelle auf Smart Metern beruhen sowie wettbewerbliche Messstellenbetreiber hatten in der Vergangenheit wiederholt die große Vertragsvielfalt beklagt. Wim Drozak, Geschäftsführer der Enpal-Tochter Metrify Smart Metering, begrüßte denn auch ausdrücklich, "dass die Bundesnetzagentur notwendige Schritte für einen funktionierenden Energiemarkt ergreift." Standardisierte und verbindlich angewandte Marktkommunikationsprozesse seien dafür zentrale Instrumente.
Mit der Festlegung räumt die Behörde die bisherigen Vertragsmuster auf und schafft eine neue Dokumentenlandschaft. Künftig gelten drei zentrale Vertragswerke: der Messstellenbetreiberrahmenvertrag, der Messstellenvertrag für Anschlussnutzer und der Rahmenvertrag für Lieferanten mit kombinierten Angeboten. Der Messstellenbetreiberrahmenvertrag wird aktualisiert und um Pönalen sowie monatliche Zahlungsoptionen ergänzt.
Bislang gab es als Messstellenvertrag nur unverbindliche Muster der Verbände BDEW und VKU, jeder Messstellenbetreiber konnte eigene AGB verwenden. Das führte zu hohem Prüfaufwand. Nun gibt die Bundesnetzagentur den Text wortgenau vor. Das soll den Abschluss in Textform, etwa per Klick oder E-Mail, ermöglichen. Auch in die Messstellenrahmenverträge zwischen Lieferanten und Messstellenbetreiber werden künftig Vertragsstrafen aufgenommen, wenn beispielsweise der Datenaustausch nicht funktioniert.
Formblatt soll Verbraucherschutz stärken
Neu ist zudem ein verpflichtendes Formblatt nach § 54 MsbG. Es zeigt dem Kunden, welche Daten an wen und wie oft übermittelt werden. Damit soll der Verbraucherschutz gestärkt werden. Die Neuregelungen basieren auf zwei Konsultationsrunden, an denen sich zahlreiche Verbände, Stadtwerke und Unternehmen beteiligten, darunter BDEW, VKU, BNE sowie verschiedene Netzbetreiber und Messstellenbetreiber.
Leon Bücher, Leiter Kompetenzteam Smart Metering bei BET, sieht in der Entscheidung mehr als eine reine Vertragsanpassung: "Die Bundesnetzagentur bestätigt mit diesem Beschluss, was die Praxis seit Jahren zeigt: Der Flaschenhals der Energiewende ist nicht die Hardware, sondern die Datenqualität", erklärte Bücher gegenüber energate. Die neuen Pönalen seien "ein notwendiges Erziehungsmittel für mehr Prozesstreue".
Aus Büchers Sicht zieht sich ein roter Faden durch die Begründung: Die Digitalisierung scheitert an mangelhafter Stammdatenqualität und fehlerhaften Prozessen. "Langfristig müssen wir uns aber fragen, ob wir die Probleme wirklich mit Strafzahlungen lösen oder ob wir die Marktkommunikation nicht gänzlich neu auf Basis einer zentralen Datenplattform denken müssen", so der Experte. Allerdings plant die Behörde genau das, in Form eines Mako-Hubs. Geplant ist das aber erst ab 2032.
"Das schärfste Schwert"
Die neuen Regeln setzen auf Anreize: Kerninstrument ist die Vertragsstrafe von zehn Cent pro Tag und Messstelle bei Verstößen gegen wesentliche Pflichten wie fehlende Messwerte, verpasste Fristen bei Wechselprozessen im Messwesen (WiM) oder nicht übermittelte Stammdaten. In der ersten Konsultation war sogar ein Euro pro Tag vorgesehen. Insbesondere wettbewerbliche Messstellenbetreiber hatten diese hohe Strafe kritisiert. Sie fürchteten eher zur Kasse gebeten zu werden als grundzuständige Messstellenbetreiber, da diese in der Regel gleich sind mit dem Verteilnetzbetreiber. Blücher erklärte hierzu, die Höhe sei zwar reduziert worden, das Prinzip bleibe jedoch: "Wer seine IT-Prozesse nicht im Griff hat, zahlt." Bücher nennt das "das schärfste Schwert" der Festlegung.
Die Kündigungsregeln werden verschärft. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung durch den Netzbetreiber liegt vor, wenn innerhalb von sechs Monaten nach einer Abmahnung wiederholt, schwerwiegend gegen Pflichten verstoßen wird. Für wettbewerbliche Messstellenbetreiber, die ihre Stammdaten- und Datenübertragungs-Prozesse nicht beherrschen, steigt damit das Risiko. "Für Dauer-Problembären wird die Luft dünn", erklärte Bücher.
Keine zwingende Vorleistung
Es gibt auch Entlastungen. Messstellenbetreiber müssen nicht mehr zwingend jährlich in Vorleistung gehen. Ab 20 Messstellen oder 500 Euro Kostenanteil besteht ein Anspruch auf monatliche Teilzahlungen. Zudem sinken die Hürden für Montagearbeiten. Der nötige Eintrag im Installateurverzeichnis entfällt für reine Zählerarbeiten, der Nachweis einer Elektrofachkraft reicht aus. Die Technischen Anschlussbedingungen des Netzbetreibers gelten nicht mehr unmittelbar für wettbewerbliche Messstellenbetreiber.
Bis zum 1. Juli 2026 müssen alle Neuverträge dem neuen Standard entsprechen, auch bestehende Verträge sind anzupassen. "Für die IT- und Rechtsabteilungen der Versorger könnte das ein administrativer Kraftakt werden", so Bücher. Die Endkundenverträge seien zwar nur für grundzuständige Messstellenbetreiber verpflichtend, dürften aber als "Goldstandard den Markt prägen". /mh