Deutschlands späte Wette auf CCS
Essen (energate) - Die CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) ist zurück auf der politischen Agenda. Was in der Vergangenheit an Technologieängsten und fehlendem Rechtsrahmen scheiterte, bekommt jetzt ein Comeback im großen Stil. So zumindest der Plan, wenn es nach der Industrie geht. "CCS ist kein neues Thema, aber es steht unter neuen Vorzeichen", sagt Sebastian Köpp, Policy & Advocacy Advisor bei Shell Deutschland und einer der Hauptautoren der neuen Publikation "Energie für Deutschland 2025". Im Fokus des Berichts, herausgegeben vom Weltenergierat Deutschland: CCS im globalen Kontext - Märkte, Rahmenbedingungen und Entwicklungspfade.
CCS als "Brückentechnologie" - oder als Sackgasse?
CCS sei keine Lizenz zum Weiteremittieren, betonen alle Diskussionsteilnehmer. Doch wenn Klimaneutralität bis 2045 ernst gemeint sei, brauche es auch Lösungen für unvermeidbare Emissionen, so Köpp. CCS könne ein Schlüssel für Industrien wie Zement, Kalk oder Stahl sein, also Branchen, in denen Emissionen kaum vermeidbar sind. In der Praxis aber bleibt der Weg steinig: Es braucht vier Prozessschritte - Abscheidung, Reinigung, Kompression, Verflüssigung - und alle sind energieintensiv und teuer, erklärte Oliver Geden, Leiter des Forschungsclusters Klimapolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), in einer Diskussion bei der Studienvorstellung. Noch teurer werde es, wenn es um die letzten Prozente der Abscheidung von CO2 gehe.
"CCS ist kein Allheilmittel", betonte Geden. Er warnte vor überzogenen Erwartungen. Sein Fazit: "CCS wird international geplant, entwickelt, gefördert - aber es bleibt risikobehaftet." Entscheidend sei nicht nur die Technik, sondern die Einbindung in verbindliche klimapolitische Gesamtstrategien. Sein Seitenhieb auf die Berliner Debatte war deutlich: Während Länder wie Norwegen CCS längst anwenden, hinkt Deutschland hinterher.
Andere europäische Länder sind weiter
Nina Scholz, Country Manager Germany und Leiterin des Berliner Büros des norwegischen Energiekonzerns Equinor, wurde noch klarer: "Wir speichern CO2 längst." Sie verwies auf das Projekt Northern Lights, das seit September 2024 in Betrieb ist. Die gelebte Praxis in Norwegen besteht aus Speicherstätten, staatlich abgesicherter Infrastruktur und industriellen Kooperationen. CCS sei kein Tabu mehr, sondern ein Geschäftsfeld.
Deutlich wird dies auch mit Blick auf andere europäische Länder. Die Niederlande bauen mit "Porthos" und "Aramis" an einer transnationalen CO2-Infrastruktur. Dänemark speichert sogar onshore Kohlendioxid ein - ein wirtschaftlicher Vorteil, da es deutlich günstiger ist als Offshore-Projekte. Deutschland ist dabei hingegen bislang nur Zaungast.
Akzeptanz in Deutschland gesucht
Gerade die Speicherung onshore unterliege in Deutschland aber Akzeptanzproblemen. Sie sei zwar günstiger, "aber gesellschaftlich kaum vermittelbar", sagte Studienautor Köpp. Offshore wiederum sei technisch aufwendiger und stehe im Flächenkonflikt mit Windkraft.
Scholz versuchte die Angst vor Offshore-Speicherung zu nehmen. Die Speicherstätten von Equinor beim Projekt Northern Lights bestünden aus Sandgestein, das 2.600 Meter unter dem Meeresboden liege. Das Deckgestein Schiefer verhindere, dass CO2 nach oben dringt. "Wir haben permanente seismische Beobachtung, das heißt, man weiß, wo das CO2 sich in der Breite und in der Tiefe bewegt." Auch gebe es permanente Druckbeobachtungen. "Wenn sich da irgendwas bewegen sollte, bekommen wir das mit und können die Durchlässigkeit des Gesteins prüfen und notfalls eingreifen", erklärte Scholz. In fast 30 Jahren CCS hätten sie aber noch keine Leckagen entdeckt.
Ein zweiter Anlauf für eine alte Idee
Ein Hoffnungsträger für die deutsche Industrie könnte der Delta-Rhein-Korridor sein, ein geplanter CO2-Pipeline-Korridor zwischen den Niederlanden und Deutschland. BASF und Shell gehören zu den potenziellen Nutzern. Doch ob Deutschland am europäischen Netz wirklich teilnehmen kann, hängt von der Geschwindigkeit des Gesetzgebungsprozesses ab.
Schon in den 2000er Jahren galt CCS als Hoffnung für "Clean Coal". Doch die Realität holte die Vision schnell ein: Hohe Kosten, fehlende Akzeptanz und ein restriktives CO2-Speicherungsgesetz von 2012 führten zur politischen Eiszeit. Mit dem neuen Referentenentwurf zur Novellierung des Kohlendioxid-Speicher- und -Transportgesetzes (KSpTG) der Bundesregierung, der Ende Juni 2025 veröffentlicht wurde, kommt nun neue Bewegung in die Diskussion. Der Entwurf sieht erstmals die Zulassung kommerzieller CCS-Projekte im industriellen Maßstab vor, zunächst offshore, aber auch onshore, sofern Bundesländer zustimmen. Dem Vorhaben spielt auch in die Karten, dass CCS nun zum "überragenden öffentlichen Interesse" deklariert wurde. Doch Geden warnte: "Ein Gesetz ist keine Strategie." Es brauche auch wirtschaftliche Anreize, Investitionssicherheit und eine klare nationale Carbon-Management-Strategie. /hp