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Der Norden diskutiert die Strompreiszone

Berlin (energate) - Ende dieses Jahres werden die Übertragungsnetzbetreiber Empfehlungen zur möglichen Aufteilung der deutschen Strompreiszone geben. Die Debatte um den Split dürfte in den kommenden Monaten an Fahrt gewinnen. Die Nordländer bringen sich schon länger für die Aufteilung in Stellung, etwa in Person von Tobias Goldschmidt (Grüne), Energieminister des Landes Schleswig-Holstein. "Die Energiewende in Deutschland verläuft in zwei Geschwindigkeiten, das muss sich auch im Marktdesign zeigen", sagte er am Rande einer Veranstaltung seines Bundeslandes zum Thema Strompreiszonensplit in Berlin. Er betonte, es gehe dabei nicht um Nord gegen Süd, sondern darum, ein zukunftsfestes Energiesystem zu schaffen.

 

Das Grundproblem ist seit Jahren bekannt: Der Norden produziert mehr Strom, als er verbrauchen kann. In den Süden lassen sich die Strommengen aber nicht so einfach transportieren, weil die Leitungen fehlen. Ein Effekt dieser Situation sind die stetig steigenden Redispatchkosten. Eine Aufteilung der bislang einheitlichen Strompreiszone könnte das Problem zumindest lindern. Unterschiedliche Gebotszonen sind dabei in anderen Ländern Europas seit Langem etabliert. Norwegen hat fünf Preiszonen, Schweden vier.

 

Eine weitere Lösung ist der Netzausbau. Dass sich die Probleme durch Netzausbau komplett auflösen lassen, darauf machte indes Tetiana Chuvilina, Leiterin Politik Deutschland beim Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) Tennet, wenig Hoffnung. "Es werden Engpässe bleiben", erklärte sie. Aktuell analysieren die Übertragungsnetzbetreiber im Rahmen des "EU Bidding Zone Review" vier verschiedene Szenarien einer Aufteilung der deutschen Gebotszone, von der Nord-Süd-Zweiteilung bis zu einer Variante mit fünf verschiedenen Zonen. Eigentlich sollte das Ergebnis schon vorliegen, aber der Prozess zieht sich. Die Untersuchung sei komplex, so Chuvilina, denn es gehe darum, zu klären, welche Konfigurationen für die ÜNB betreibbar sind. Auch sozioökonomische Analysen fließen in die Betrachtung ein.

 

ÜNB geben Empfehlung, Politik entscheidet

 

Am Ende soll eine gemeinsame Empfehlung der vier ÜNB stehen. "Die Entscheidung muss dann aber die Politik treffen", betonte Chuvilina. Vorgesehen ist, dass sich EU-Mitgliedsstaaten im kommenden Jahr mit dem Thema befassen. Auch die EU-Kommission könnte noch ein Wort mitreden. 

 

Die Folgen einer Aufteilung in zwei deutsche Gebotszonen sind absehbar. Die Strompreise im windstarken Norden würden fallen, im Süden steigen. Nach einer Analyse von Aurora Energy Research könnte der Preisunterschied zwischen den Zonen bis 2045 auf 9 Euro anwachsen. Preissteigerungen hatte es etwa auch in Österreich gegeben, nachdem das Land vom deutschen Marktgebiet entkoppelt wurde - allerdings aus anderen Gründen. Hanns König, Geschäftsführer Aurora Energy Research, sieht für Deutschland den Bedarf zu handeln. "Langfristig kommen wir nicht umhin, lokale Signale zum Strommarkt zu setzen." Der Strompreiszonensplit sei dafür eine Möglichkeit.

 

Wasserstoff-Hotspot im Norden

 

In jedem Fall, auch das zeigt die Analyse von Aurora, würde der Norden durch die Aufteilung sofort zum Wasserstoff-Hotspot. Denn mit einem dann geschätzten Anteil von 90 Prozent erneuerbaren Energien in der Gebotszone wäre ein wesentliches EU-Kriterium für die grüne Wasserstoffproduktion erfüllt. Konkret: Elektrolyseure könnten im Norden mit Netzstrom betrieben werden. Um die Frage der Standorte für die Wasserstofferzeugungsanlagen war zuletzt ebenfalls eine Debatte zwischen Nord- und Südländern entbrannt, weil es bisher keine Vorgaben seitens der Bundesregierung gibt. Schleswig-Holsteins Minister Goldschmidt wurde hier in Berlin deutlich: Kleine Produktionsanlagen für Wasserstoff seien auch im Süden sinnvoll, Großelektrolyseure im Multimegawattmaßstab hätten dort aber nichts zu suchen.

 

Werden neue Offshore-Windparks unrentabel?

 

Von jetzt auf gleich würde der Split der Preiszonen allerdings nicht passieren. Tetiana Chuvilina von Tennet rechnet mit einem Prozess von drei bis vier Jahren. Die jährlichen Milliarden für den Redispatch würden dann zwar abschmelzen, Kosten entstünden aber möglicherweise an anderer Stelle. So müsste die energieintensive Industrie in Süddeutschland vermutlich Subventionen erhalten. Den Preis für die Unternehmen dort auf das erwartete Niveau im Norden zu senken, würde laut Aurora Energy Research zwischen 400 Mio. Euro und 1,2 Mrd. Euro kosten - pro Jahr.

 

Ein weiteres Problem entsteht für die Unternehmen, die sich im vergangenen Jahr für Milliarden die Rechte zum Bau der Offshore-Windparks gesichert haben. Speisen diese Windparks bei einem Split im Norden nur noch in die günstige Nordzone ein, geht die Rechnung der Bieter nicht auf. Die Anlagen würden also gar nicht entstehen, oder aber der Staat greift auch hier mit einem Ausgleich in die Tasche. /kw

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