"Das Solarpaket wird einen massiven Impact auf den Markt haben"
Wittenberg (energate) - Der Batteriespeicherhersteller Tesvolt errichtet derzeit eine neue Fertigung, um sich auf eine wachsende Nachfrage nach Speicherlösungen vorzubereiten. Über die Wachstumstreiber im Speichermarkt, die Use Cases und den Boom im Bau von Großspeichern sprach energate mit Tesvolt-CEO Daniel Hannemann.
energate: Herr Hannemann, Tesvolt baut derzeit seine Speicherproduktion in Wittenberg aus. Wie sehen Ihre Pläne konkret aus?
Hannemann: In der Fertigung, die wir derzeit errichten, werden wir ab dem kommenden Jahr die neue Generation unserer Batteriespeicher für den gewerblich-industriellen Markt herstellen. Fertigung heißt bei uns vor allem das Packaging und Housing der Batteriezellen, die wir von einem externen Zulieferer beziehen. Wir verbauen zudem die von uns entwickelte Platine, auch das Batteriemanagementsystem bringen wir ein. Der Bau der neuen Produktion verläuft nach Plan, aktuell wird auf der Baustelle das Fundament gegossen. Die Inbetriebnahme ist für das kommende Jahr vorgesehen. Insgesamt investieren wir zurzeit 30 Mio. Euro in den ersten Bauabschnitt.
energate: Welche Produktionskapazität streben Sie an?
Hannemann: Im Maximalausbau kann unser Werk ein Produktionsvolumen von 4 GWh erreichen. Ob und wann wir dieses anvisierte Volumen erreichen, wird am Ende auch der Markt entscheiden. Zurzeit ist die Nachfrage nach Industrie- und Gewerbespeichern noch überschaubar. Aber wir gehen davon aus, dass sich der Markt in den kommenden Jahren stark entwickeln wird - sowohl in Deutschland als auch international. Auf dieses Wachstum ist unsere Investition ausgelegt. Wenn wir die jetzige Sprunginvestition nicht tätigen würden, könnten wir an diesem Marktwachstum nicht teilnehmen.
energate: Welche zentralen Treiber sehen sie hinter dem Marktwachstum?
Hannemann: Eine Hauptursache für den steigenden Speicherbedarf liegt auf der Hand: Wir sehen schon heute Überkapazitäten in der Stromerzeugung, die teilweise zu negativen Handelspreisen und zum Ausfall der Einspeisevergütung für regenerative Erzeuger führt. Dieser Trend wird sich in den kommenden Jahren durch den angestrebten Zubau an Photovoltaik und Wind noch verschärfen. Hinzu kommt noch der Trend zur Elektrifizierung von Unternehmensflotten. Für einen optimierten Betrieb der Ladeinfrastruktur werden Speichermöglichkeiten notwendig sein, auch weil der Netzausbau mit der Zubaugeschwindigkeit nicht mithalten kann. Wir sehen inzwischen auch positive Marktimpulse vonseiten der Politik. In der Speicherstrategie des Bundes ist erstmals die Rede von Zubaukorridoren für Speicher. Das halte ich mit Blick auf die Überkapazitäten im Erzeugungsmarkt für sinnvoll.
energate: Sie fokussieren sich auf das Gewerbesegment als Zielgruppe. Warum ist ausgerechnet der Bedarf im Gewerbe so groß und für Sie relevant?
Hannemann: Industrie und Gewerbe sind weltweit die größten CO2-Emittenten, entsprechend ist der Transformationsdruck hier besonders groß. Speicher können dabei eine zentrale Rolle einnehmen. Der gewerblich-industrielle Markt ist zudem überaus komplex und hochindividuell. Hier bedarf es eine intensive und komplexe Beratung und Planung. Darauf haben wir uns als ganzheitlicher Lösungsanbieter spezialisiert und das ist ein essenzieller Teil unseres Erfolgsrezepts. Wir bieten nicht nur die Hardware in Form von Batteriesystemen, sondern auch die Batteriemanagementsysteme, mit denen wir sämtliche Verbraucher und Erzeuger miteinander vernetzen und steuern können. Und natürlich unterstützen wir unsere Fachpartner auch bei Planung und Installation der Anlagen.
energate: Für welche Use Cases werden die Speicher von Tesvolt im Industrie- und Gewerbesegment eingesetzt?
Hannemann: Ein wichtiger Use Case ist die Optimierung des Eigenverbrauchs, also die Zwischenspeicherung von Strom aus eigenen Erzeugungsanlagen. Ein weiteres Anwendungsfeld ist die Lastspitzenkappung, also die Glättung des Stromverbrauchs, was für Gewerbe und Industriebetriebe zu einer signifikanten Reduzierung des Leistungspreises führen kann. In anderen Anwendungsfällen helfen Speicher im Falle von Lastspitzen den Strombedarf zu decken, wenn etwa die Netzanschlussleistung ausgereizt ist. Dieses Szenario begegnet uns häufig im Zusammenhang mit dem Ausbau von Ladeinfrastruktur im Gewerbe. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl weiterer Anwendungsfälle in Spezialgebieten. In Norwegen kommen Tesvolt-Batterien beispielsweise zum Einsatz, um in Fischfarmen den Einsatz von Dieselgeneratoren zu reduzieren.
energate: Derzeit wächst insbesondere der Markt für Großspeicher, während das Industriesegment eher stagniert. Welche Rolle spielt das für Ihre strategische Ausrichtung?
Hannemann: Zahlen aus dem Marktstammdatenregister zeigen, dass sich die Kapazität installierter Großspeicher in den kommenden 24 Monaten voraussichtlich auf 2,7 GWh mehr als verzehnfachen wird. Das ist ein enormer Wachstumsschub, der natürlich auch bei uns ankommt. Hier geht es auch vermehrt um Stand-alone-Großspeicher, die Strom im Spothandel in Zeiten günstiger Preise einkaufen und in Hochpreisphasen wieder verkaufen. Aktuell beschäftigen sich sehr viele Akteure mit diesem Geschäftsmodell, das sich entsprechend sehr dynamisch entwickelt. Wir haben das Thema selbst seit mehreren Jahren auf dem Schirm. In Deutschland sind wir mit der sogenannten Innovationsausschreibung in dieses Marktsegment reingewachsen. Für entsprechende Projekte haben wir eine 4-MW-Einheit als Container-Lösung im Portfolio, die sich nach Kundenwunsch skalieren lässt. In dieser Bauform können wir auch größere Batterieparks realisieren.
energate: Wer sind die Akteure hinter diesem Speicherboom?
Hannemann: Viele Investoren haben Anlagedruck, auch weil die Investitionsmöglichkeiten bei Wind- und Solaranergie derzeit begrenzt sind. Bei uns häufen sich beispielsweise die Anfragen von Investoren und Projektierern, die bislang vorrangig Wind- und Solarparks errichtet haben, jetzt aber auch in das Geschäft mit Großspeichern reingehen. Wir betreuen solche Kunden in der Projektentwicklung, treten aber nicht selbst als Projektierer auf.
energate: Installiert Tesvolt generell als Projektentwickler Speicher auf die eigene Rechnung?
Hannemann: Nein, das ist nicht Teil unserer bestehenden Strategie.
energate: Ist Tesvolt kapitalseitig so aufgestellt, dass Sie Ihre Wachstumsstrategie aus eigener Kraft stemmen können? Oder streben Sie eine weitere Finanzierungsunde an?
Hannemann: Kurzfristig haben wir keinen Bedarf an weiterem Kapital. Mittel- und langfristig sehen wir diesen aber durchaus. Die Frage ist, wie schnell das Marktwachstum bei uns ankommt. Wir bewegen uns in einer Branche, die sich in der Vergangenheit mit Blick auf Corona und den Krieg in der Ukraine als unberechenbar erwiesen hat. Im Falle einer günstigen und raschen Marktentwicklung kann es sein, dass wir unsere Wachstumsstrategie noch mal mit frischem Kapital hinterlegen müssen.
energate: Zurück zum Gewerbesegment, das zuletzt eher eine Stagnationsphase durchläuft. Was sind die Ursachen?
Hannemann: Im Gewerbespeichersegment haben wir in den ersten Monaten des Jahres einen regelrechten Abriss erlebt. Wir sehen hier aber einen sehr starken Zusammenhang mit dem Solarpaket 1 der Bundesregierung, dessen Verabschiedung lange in der Schwebe war. Da das Solarpaket aber viele Verbesserungen für Photovoltaik- und Speicheranlagen in Aussicht gestellt hat, haben Kunden und Installateure mit ihren Projekten natürlich abgewartet. Das hat zu einem Rückgang im Marktvolumen geführt. Wir sehen aber jetzt, wo das Gesetz in Kraft getreten ist, dass der Markt wieder anzieht.
energate: Welche Vorteile sehen Sie im Solarpaket, die für den Speichermarkt relevant sind?
Hannemann: Das Solarpaket 1 bringt erhebliche Vorteile für den gewerblich-industriellen Solarmarkt in Deutschland, die auch für die Speicherbranche von Bedeutung sind. Künftig brauchen etwa nur noch PV-Anlagen mit mehr als 500 kW bei einer maximalen Einspeiseleistung von 270 kW ein Anlagenzertifikat. Diese Anlagenzertifizierung war bislang ein enormes Bottleneck im Markt, da sie nur ein Bruchteil der Installateure durchführen konnte. Zudem ist sie mit hohen Kosten und Zeitaufwand verbunden. Darüber hinaus sieht das Solarpaket eine Erhöhung der Einspeisevergütung für Anlagen bis 750 kW vor. Zudem gibt es Erleichterungen für Mieterstromkonzepte und den Wegfall der Pflicht zur Direktvermarktung. Das sind wesentliche Treiber, die einen massiven Impact auf das Marktgeschehen haben werden.
energate: Mit welcher Marktentwicklung rechnen Sie vor diesem Hintergrund?
Hannemann: Wir gehen davon aus, dass das Solarpaket einen regelrechten Run auslösen wird, ähnlich wie wir das im Heimspeichermarkt durch die Ukrainekrise gesehen haben. Allein die Verschiebung des Anlagenzertifikats wird für eine deutliche Marktbelebung sorgen. Allerdings werden die Effekte aus dem Solarpaket frühestens zum Ende des Jahres ihre vollständige Wirkung entfalten, da die neuen Regeln erst im Markt ankommen müssen.
Die Fragen stellte Rouben Bathke.