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BNetzA kommt Netzbetreibern voraussichtlich etwas entgegen

Bonn/Paderborn (energate) - Die große Reform der Anreizregulierung biegt auf die Zielgerade ein. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat Vertreterinnen und Vertreter des Länderausschusses über einzelne geplante Änderungen zugunsten der Netzbetreiber informiert. Bei anderen Punkten - etwa der Verkürzung der Regulierungsperioden auf drei Jahre und der Anschärfung des Effizienzvergleichs - will sie dagegen bei ihrer Position bleiben. Dies hat energate aus den Teilnehmerkreisen erfahren.

 

"Insgesamt werden die Zügel angezogen, gerade der Effizienzwert wird einigen schon wehtun", so eine Stimme nach dem virtuellen Treffen. Ein Sprecher der Bundesnetzagentur wollte die Inhalte auf energate-Anfrage nicht näher kommentieren. Bei einem wichtigen Vorbehalt der 16 Bundesländer, die teils eigene Regulierungsbehörden unterhalten oder über Organleihe die Kapazitäten der BNetzA mitnutzen, zeigt die Bonner Behörde offensichtlich Einsicht. Die jährliche Opex-Anpassung soll jetzt auch für mittlere und kleinere Unternehmen außerhalb des Regelverfahrens gelten - allerdings nur für Strom- und nicht für Gasverteilnetzbetreiber. Der Stadtwerkeverband VKU hatte das Modell erarbeitet, aber ausgerechnet die kleineren Unternehmen sollten davon nicht profitieren.

 

Berechnung der Verzinsung ändert sich vielleicht 

 

Auch beim Fremdkapitalzins könnte sich nochmals etwas tun, wie auch schon der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, unlängst bei einer Energietagung des BDEW angedeutet hatte. Es könnte zwar bei dem bereits rückwärtsgewandten bekannten Durchschnitt der sieben Jahre bei der Bestimmung der Verzinsung bleiben, wurde gegenüber den Ländern kommuniziert. Aber Jahre, in denen alle Netzbetreiber besonders viel investierten, könnten stärker gewichtet werden und somit Jahre der Niedrigzinsphase in Deutschland weniger ins Gewicht fallen. Daraus würde, so eine Experteneinschätzung, ein Effekt von 0,2 oder 0,3 Prozentpunkten resultieren. Nicht das, was sich die Branche wünscht, aber eine Verbesserung gegenüber dem Status quo. Zudem wird wichtig werden, wann die Behörde die Festlegung zur Fremdkapitalverzinsung anvisiert. Lässt sie sich bis 2027 Zeit, könnte die Niedrigzinsphase ein weiteres Stück in den Hintergrund rücken - ein mögliches weiteres Entgegenkommen der BNetzA.

 

Netzbetreiber monieren Transparenzdefizite

 

Die Netzbetreiber sehen den Folgen des NEST-Prozesses durchaus mit Sorge entgegen und zeigen sich verstimmt darüber, wie sich die Debatten in der Konsultation in der jüngsten Zeit entwickelt haben. Das stellte Jürgen Noch, CEO der Westfalen-Weser-Gruppe, im Gespräch mit energate klar. Ihm zufolge war der Dialog zwischen der obersten Regulierungsbehörde und den Netzbetreibern in der Konsultation lange Zeit "dank großer gegenseitiger Transparenz sehr offen". Von dieser harmonischen Stimmung ist aufseiten der Netzbetreiber inzwischen allerdings nicht mehr viel geblieben: "Wir und viele andere Unternehmen sind aktuell ein Stück weit enttäuscht", so Noch. Es sei "der Eindruck entstanden, dass unsere Sachargumente trotz des Austauschs im Rahmen der Konsultation nicht berücksichtigt werden". Das Interview wurde allerdings vor Bekanntwerden der jüngsten Reformpläne geführt. 

 

Nochs Vorwurf: Die Behörde habe das "Open-Book-Prinzip" vom Start des NEST-Prozesses in wichtigen Fragen aufgegeben, wie er berichtete. Dazu verwies der CEO auf die geplante Einführung des Opex-Faktors, der die laufenden Betriebskosten in der Anreizregulierung abbilden soll und einer lang gehegten Forderung der Netzbetreiber nachkommt. "Die Bundesnetzagentur argumentiert auch öffentlich mit Verbesserungen durch den Opex-Faktor, ohne jemals die Berechnungsgrundlage und die Parameter offenzulegen", führte Noch aus.

 

BNetzA kontert Sorgen über fehlende Milliarden

 

Trotz dieser Unklarheit haben sowohl die einzelnen Branchenunternehmen wie Westfalen Weser als auch die Verbände BDEW und VKU die möglichen Folgen der neuen Regulierungsvorgaben im Netzbetrieb durchgerechnet. "Unterm Strich", sagte Noch, werde sich die Erlössituation demnach durchschnittlich um 6 Prozent jährlich verschlechtern. "Das bedeutet für die Branche 5 bis 7 Mrd. Euro weniger Finanzierungsmittel für notwendige Investitionen", führte der CEO aus. In diese Berechnung fließen neben dem Opex-Faktor auch Schätzungen zu Änderungen im Effizienzvergleich sowie zur Fremdkapitalverzinsung ein.

 

BNetzA-Präsident Klaus Müller hatte bei der Tagung in Berlin von einem Plus von deutlich über einem Prozent gesprochen. "Wir sind in unserer Kalkulation sehr klar und landen unterm Strich bei einem Plus von 1,4 Prozent alleine durch den NEST-Prozess in der Erlösobergrenze", so Müller in Berlin. Über die Inflationierung der nächsten Jahre und über den Eigenkapitalzins sei dabei noch gar nicht gesprochen worden. "Wenn das noch nicht reicht und man mehr möchte, muss man das angesichts der Netzentgeltsteigerung offensiv vertreten", so der BNetzA-Präsident.

 

Notwendige Zahlen fehlen

 

Auch hierzu beklagt die Branche mangelnde Transparenz der Behörde: "Öffentlich moniert die BNetzA eine angeblich falsche Berechnung unsererseits", klagte Noch. "Das mag in Teilen sogar richtig sein, da nur die BNetzA über alle notwendigen Daten für eine konkrete Berechnung verfügt", räumte er ein. "Eine Rückkehr zum Open-Book-Prinzip ist deshalb dringend geboten", mahnte er. Sein Appell: "Lassen Sie uns unsere Berechnungen nebeneinanderlegen und vergleichen. So lässt sich bewerten, wie viele Milliarden wir wirklich mehr oder weniger erhalten."

 

Wie dringlich ein Nachsteuern der BNetzA aus Nochs Sicht ist, verdeutlichte er am Beispiel der hauseigenen Investitionspläne von Westfalen Weser. 1,5 Mrd. Euro veranschlagt der Netzbetreiber für den Ausbau und die Digitalisierung des Verteilnetzes. Dies fußt auf dem Plan, Ostwestfalen zu einem Onshore-Windenergie-Hotspot zu machen, der auch vom Land NRW mitgetragen wird. "Wir sind im Vertrauen auf ein zukünftiges Regulierungssystem, das den besonderen Umständen der Energiewende Rechnung trägt, massiv investiv in Vorleistung getreten", blickte Noch zurück. "Jetzt fragen wir uns, ob sich unsere Pläne unter den aktuellen rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen tatsächlich im angedachten Tempo umsetzen lassen", beschrieb er den Attentismus, der sich bei der Westfalen Weser eingestellt habe. Gleichwohl stünden sowohl die Westfalen Weser als auch ihre Gesellschafter zu ihrer Wachstumsstrategie. 

 

BDEW: Potenzielle Geldgeber ebenfalls skeptisch

 

Passend zu den Sorgen beim Paderborner Verteilnetzbetreiber hat der BDEW unlängst seiner kritischen Haltung zum Status quo bei NEST mit einer Umfrage unter Investoren Nachdruck verliehen. Tenor der repräsentativen Befragung: Viele der Banken, Vermögensverwalter und Versicherer, die immer wieder als Geldgeber der Energieinfrastruktur in Erscheinung treten, sehen NEST skeptisch und verweisen auf die im internationalen Vergleich niedrigen Renditeaussichten. 

 

Bis zum Jahresende will die Bundesnetzagentur den Prozess abschließen. Ein richtiges Vetorecht haben weder die Bundesländer noch das Bundeswirtschaftsministerium bei der Reform der Anreizregulierung. Nach einem EuGH-Urteil soll die Bonner Behörde Regeln unabhängig setzen können. In dem langen Reformprozess ist sie aber bei einigen wichtigen Punkten von ihrer ursprünglichen Meinung abgerückt - so wird etwa die Gewerbesteuer nach wie vor nicht exakt berechnet, um den Querverbund von Stadtwerken nicht zu gefährden. Auch die kürzeren Regulierungsperioden greifen nicht sofort, sondern erst ab 2033/2034. /mt/pa/rh

 

Das vollständige Interview mit Jürgen Noch lesen Sie im Add-on Strom. Darin spricht er über Knackpunkte in der bisherigen Konsultation wie den Effizienzvergleich oder die Fremdkapitalverzinsung und erklärt, warum er die langfristig angedachte Verkürzung der Regulierungsperioden auf drei Jahre kritisch sieht.

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