Bei Beteiligungsgesetzen lassen sich Muster erkennen
Berlin (energate) - Das Land Brandenburg will die Abgaben, die Betreiber von Wind- und Solarparks an Kommunen leisten müssen, erhöhen. Dahingegen ist Bayern erst dabei, ein solches sogenanntes Beteiligungsgesetz überhaupt einzuführen. Die Regelwerke unterscheiden sich je nach Bundesland, doch es sind Muster erkennbar. Das erste Beteiligungsgesetz führte im Jahr 2016 Mecklenburg-Vorpommern ein. 2019 folgte Brandenburg. 2023 verabschiedete Nordrhein-Westfalen ein Beteiligungsgesetz, 2024 trat es in Kraft. Das nordrhein-westfälische Gesetz habe vielen weiteren Beteiligungsgesetzen als Vorbild gedient, ordnete Janna Hilger, Fachreferentin Planung/Genehmigung/Länderkoordination beim Bundesverband Windenergie (BWE), im Gespräch mit energate ein. Etwa das Saarland habe das Gesetz "mehr oder weniger übernommen".
"Die Idee hinter diesem Beteiligungsgesetz in NRW war, eine Art Baukastensystem zu bauen", erklärte Hilger. Das Gesetz verpflichtet die Betreiber, 0,2 Cent/kWh an die Kommune zu zahlen. Gleichzeitig listet es verschiedene Arten der Anwohnerbeteiligung auf, aus denen sich Projektierer und Kommunen etwas aussuchen können. Deutschlandweit nutzen Projektierer verschiedene Arten der Anwohnerbeteiligung, zum Beispiel vergünstigte Stromtarife oder finanzielle Beteiligungsmöglichkeiten.
Was für Beteiligungsgesetze Länder erlassen können, regelt das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Paragraf 6 und Paragraf 22b. In Paragraf 6 heißt es, Betreiber von Windenergieanlagen an Land und PV-Freiflächenanlagen "sollen Gemeinden, die von der Errichtung ihrer Anlage betroffen sind, finanziell beteiligen".
Ost-West-Differenz feststellbar
Die Länder gehen dabei unterschiedliche Wege, laut Hilger lässt sich aber "ganz grob" eine Ost-West-Differenz beobachten. "Die westdeutschen Bundesländer wollen die Kommunen sowie die Anwohnenden beteiligen. In den ostdeutschen Bundesländern baut man tendenziell eher schlanke Beteiligungsgesetze, in denen es nur um die Beteiligung der Kommunen geht", so die Expertin.
Obwohl Bayern im geografischen Osten liegt, folgt es eher dem West-Muster. In dem Gesetzesentwurf, den der Freistaat demnächst verabschieden will, heiße es, dass eine Anwohnerbeteiligung umgesetzt werden soll. "Diese Beteiligung ist dort aber nicht verpflichtend", sagte Hilger.
Die Expertin erkennt außerdem ein weiteres Muster. Die ostdeutschen Bundesländer erhöhten derzeit die Beteiligungszahlungen. Grob lasse sich sagen, dass im Westen die Beteiligung immer auf maximal 0,3 Cent angesetzt wird. Mecklenburg-Vorpommern strebt aber zum Beispiel eine Novelle an, in der Zahlungen von maximal 0,6 Cent aufgerufen werden. "Das ist natürlich eine enorme Differenz", so Hilger.
Als Ausreißer sieht sie das Gesetz Brandenburgs. "Es ist das einzige Bundesland, das die Höhe der Abgaben ausschließlich an der installierten Leistung festmacht und nicht an den Kilowattstunden", erklärte die Fachreferentin. Auch Brandenburg will die Beitragszahlungen erhöhen. Ende September diskutierte der Landtag dazu einen Gesetzesentwurf. Die Neuregelung sieht vor, dass Betreiber für Windkraftanlagen, die ab 2026 in Betrieb gehen, 5.000 Euro je installierter MW Leistung und Jahr zahlen müssen. Nach Berechnungen der Landesgruppe Berlin-Brandenburg des Stadtwerkeverbands VKU und des Landesverbands Erneuerbare Energien Berlin-Brandenburg (LEE) würde das in vielen Fällen eine Verdreifachung bedeuten. Die beiden Verbände kritisierten die geplante Novelle und warnten, die neuen Regelungen bedrohten die Wirtschaftlichkeit von neuen Projekten.
Verhandlungsmacht je nach Klauseln unterschiedlich
Auch Hilger sieht in etwa Mecklenburg-Vorpommern die Wirtschaftlichkeit von Projekten in Gefahr. Bei den Beteiligungsgesetzen ist aus Sicht ihres Verbandes aber auch der Verhandlungsmechanismus bedeutsam. Die Frage sei, wer bei den Verhandlungen am längeren Hebel sitze. "Kann die Verhandlung auf Augenhöhe stattfinden oder muss eine sehr hohe Ersatzzahlung an die Kommune gezahlt werden, wenn die Verhandlungen scheitern? Letzteres verschiebt das Gewicht in den Verhandlungen in Richtung der Kommune", so Hilger.
In allen Beteiligungsgesetzen, die Verhandlungsspielraum vorsehen, gebe es ein gesetzlich vorgeschriebenes Modell, das vorschreibt, wie viel Geld an die Kommune geht, wenn die Verhandlungen scheitern. "Diese Zahlungen sind natürlich höher veranschlagt, weil das Modell einen Anreiz geben soll, dass eine Einigung stattfindet", erklärte die Fachreferentin. Besonders günstig für Projektierende sei das Verhandlungsmodell in Niedersachsen. "Dort ist ihre Verpflichtung bereits erfüllt, wenn sie nachweisen können, dass sie den Kommunen ein Beteiligungsangebot gemacht haben."
Bei welchen Modellen die Verhandlungen am längsten dauern, konnte die Expertin noch nicht auswerten. Es gebe bisher kaum praktische Erfahrungen mit den Gesetzen. "Die Gesetze sind noch sehr neu und sowohl Niedersachsen als auch NRW haben sehr lange Übergangsfristen eingebaut. Die ersten Projekte kommen erst jetzt in die Verpflichtung, die Gesetze erfüllen zu müssen", so Hilger. /kij
Das gesamte Interview lässt sich im Strom-Add-on lesen.