BDEW-Umfrage offenbart Investorenskepsis bei NEST
Berlin (energate) - Der BDEW erneuert seine Kritik am NEST-Prozess der Bundesnetzagentur. Grundlage ist eine repräsentative Umfrage des Verbandes unter 33 Kapitalmarktakteuren. Demnach sieht eine Mehrheit der Geldgeber des Aus- und Umbaus der Energienetze die BNetzA-Entwürfe zur Reform der Anreizregulierung skeptisch und hegt "erhebliche Bedenken hinsichtlich der Finanzierbarkeit der Netze". Der Verband moniert zugleich, dass die oberste Regulierungsbehörde im sogenannten NEST-Prozess "keine strukturierte Einbindung von Investoren" vorgenommen habe, obwohl diese "maßgebliche Entscheider über die Finanzierbarkeit" der Netzinfrastruktur seien. BNetzA-Vizepräsidentin Barbie Haller hatte in den jüngsten Debatten dazu erklärt, ihre Behörde höre und reagiere "sensibel" auf die Sicht von Investoren und Ratingagenturen.
Die Kritik kommt zu einer Zeit, da die Konsultation zum NEST-Prozess in eine entscheidende Phase tritt. Bis zum Jahresende soll der neue Rahmen der BNetzA für die Anreizregulierung stehen. Zugleich sehen sich gerade zahlreiche Verteilnetzbetreiber vor immensen Netzausbauvorhaben. Allein für die Kommunalwirtschaft sieht das jüngste KfW-Kommunalpanel einen Investitionsrückstand von 215 Mrd. Euro. Dieser schließt allerdings Infrastrukturen der Daseinsvorsorge jenseits der Energiewirtschaft mit ein. Gleichwohl gelten der Stromnetzausbau und die Wärmewende als maßgebliche Treiber des Investitionsbedarfs.
Befragt hat der BDEW in seiner Kurzstudie im September vor allem Banken, Versicherungen, Vermögensverwalter, Analysten und Finanzberater, "die regelmäßig in den Netzausbau investieren oder diesen begleiten". Rund 15 Prozent der Studienteilnehmer kommen dabei selbst direkt aus der Energiewirtschaft, darunter die EnBW und ihre Gashandelstochter VNG sowie Bayerngas, hinter der unter anderem mehrere Kommunalversorger aus dem Freistaat stehen. Ferner sind der niederländische Gasnetzbetreiber Gasunie und der belgische Übertagungsnetzbetreiber Elia unter den Studienteilnehmern. Letzterer ist Gesellschafter von 50 Hertz.
Renditeprofil kann international nicht mithalten
Einer der wohl größten Kritikpunkte ist das im internationalen Vergleich schwächelnde Renditeprofil von Netzinvestitionen. Maßgeblich für die aus Investorensicht mangelnde Attraktivität der Strom- und Gasnetze sind demzufolge im internationalen Vergleich zu geringe Renditeaussichten. Eine Einschätzung, die jüngst auch das Management der Deutschlandsparte des französischen EWE-Mitgesellschafters Ardian gegenüber energate äußerte. Überdies fürchten die Studienteilnehmer, dass der Rahmen der nächsten Regulierungsperiode "die tatsächlichen Finanzierungskosten nicht vollständig berücksichtigt". Eine Mehrheit von 90 Prozent sprechen sich für eine "auskömmliche Anerkennung der Fremdkapitalkosten" aus. BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae folgerte daraus, es brauche künftig "eine dynamische Anpassung des Fremdkapitalzinssatzes, die die tatsächliche Marktentwicklung Jahr für Jahr abbildet".
Beim Eigenkapitalzins, der nicht direkt Teil des NEST-Prozesses ist, gibt es diesen dynamischen Ansatz für Neuinvestitionen seit 2024. Gleichwohl sehen die Befragten wie auch der BDEW selbst auch bei der Eigenkapitalverzinsung Verbesserungspotenzial: Mehr als die Hälfte der 33 Befragten halten einen EK-Zins nach allen Steuern in Höhe von mindestens 7 Prozent für angemessen, knapp 42 Prozent für 8 Prozent aufwärts, geht aus der Studie hervor. Zum Vergleich: Aktuell liegt der im vergangenen Jahr angepasste EK-Zins für Neuinvestitionen bei 6,74 Prozent vor Steuern.
Lob und Kritik für WACC bei Gesamtkapitalkosten
Trotz aller Kritik sehen die befragten Investoren Teile der NEST-Pläne dezidiert positiv. Das gilt vor allem für das neue Modell, mit dem die Bundesnetzagentur künftig die Gesamtkapitalkosten der Netzbetreiber pauschal ermitteln will. Die Einführung von WACC (Weighted Average Cost of Capital) stellt eine Vereinfachung und Anpassung an international gängige Standards dar. Zwar stehe knapp die Hälfte der Befragten WACC neutral gegenüber. Diejenigen Kapitalgeber, die international agieren, bewerten die Umstellung jedoch "als klaren Fortschritt", so die Studienverantwortlichen.
Allerdings führe dies nicht automatisch zu einer Verbesserung, dazu bedürfe es "international wettbewerbsfähige Eigenkapitalrendite", zitierte der BDEW einen Private-Equity-Investor aus dem Kreis der befragten Unternehmen. Dazu verweisen einzelne Teilnehmer darauf, dass WACC einen aus Investorensicht negativen Einfluss auf die Kapitalausstattung von Verteilnetzbetreibern haben kann. Das wäre der Fall, wenn "aufgrund der immensen Kapitalbedarfe das Eigenkapital sinkt und der Verschuldungsgrad steigt". Die somit "zunehmend schlechtere Eigenkapitalquote" würde Bankkredite verteuern.
Unsicherheiten ungern gesehen
Zudem birgt der Status quo von NEST laut der Befragung viele weitere Unsicherheiten, die Investitionen unattraktiver machen. Das gilt etwa für die vorgesehenen Einschränkungen bei den Leistungsanreizen. Dazu verweist der BDEW darauf, dass noch unklar sei, in welchem Umfang und nach welcher Methodik steigende Betriebskosten während der Regulierungsperiode anerkannt werden. Fragen wie diese sind für 70 Prozent der Befragten "relevant" oder "sehr relevant", heißt es in der Studie. /pa
Die Befragungsergebnisse des BDEW im Überblick.