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Batteriespeichern droht Ende des marktlichen Hochlaufs?

Essen (energate) - Die Speicherbranche blickt mit großer Sorge auf AgNes - die große Reform der Netzentgeltsystematik durch die Bundesnetzagentur (BNetzA). "Sollten Speicherbetreiber künftig den Leistungspreis bei den Netzentgelten bezahlen müssen, ist das das Ende des marktlich getriebenen Speicherausbaus", sagte Benedikt Deuchert, Head of Business and Regulatory Affairs bei Kyon, im Gespräch mit energate. Auch Thomas Antonioli, Co-Founder und CFO von Terra One, betonte, dass das diskutierte Ende der Netzentgeltbefreiungen für Großspeicher beträchtliche Konsequenzen für den Speicherstandort Deutschland hätte. "Sollten ab 2029 für Großbatteriespeicher die normalen Netzentgelte wie für Verbraucher gelten, dann wäre das Geschäftsmodell mit Speichern ab diesem Zeitpunkt relativ unattraktiv bis komplett unrentabel", so Antonioli zu energate.

 

Bundesnetzagentur: Speicher sind nicht netzdienlich

 

Derzeit gilt für Großspeicher eine Netzentgeltprivilegierung, da sie nur für die Entnahme und den Verbrauch von Elektrizität entgeltpflichtig sind. Nun argumentiert jedoch die Bundesnetzagentur, dass sowohl beim Bezug aus dem Netz als auch bei der Ausspeisung in das Netz eine Netznutzung stattfindet, Speicher also Verbraucher sind. Diese Netznutzung sei "grundsätzlich genau wie jede andere Nutzung eines vermögenswerten Gutes auch zu bezahlen", heißt es in dem Diskussionspapier der Bonner Behörde.

 

Zwar sei es generell europarechtlich zulässig, Sondernetzentgelte zu erheben. Dafür müssten jedoch die erbrachten Gegenleistungen für das Energieversorgungssystem in einem angemessenen Verhältnis zu der gewährten Privilegierung stehen. In Bonn sieht man diese Gegenleistungen jedoch nicht. Im Gegenteil heißt es in dem Papier, dass "die Privilegierten überhaupt keinen Beitrag zur Deckung der (durch sie mitverursachten) Netzkosten leisten". Entfielen die bisherigen Vollbefreiungen, "wäre die normale Netzentgeltsystematik zumindest auf neu angeschlossene Speicher anzuwenden. Diese hätten dann einen Leistungspreis sowie einen Arbeitspreis zu entrichten", schlussfolgert die BNetzA.

 

Antonioli: Pläne der BNetzA belasten Endverbraucher doppelt

 

Dass Speicher Verbraucher sein sollen, stößt beim Speicherverband BVES auf Unverständnis. "Speicher sind keine Verbraucher. Sie verschieben Energie zeitlich und tragen zur Netzentlastung, Lastverschiebung und besseren Integration erneuerbarer Energien bei", erklärte der Verband auf energate-Anfrage. Der tatsächliche Verbrauch findet in dieser Argumentationslogik weiterhin beim Endkunden statt. "Sollte ein Netzentgelt auf den Verbrauch anfallen, würde letztlich der Endverbraucher doppelt bezahlen. Das ist konzeptionell nicht zu rechtfertigen", unterstützt Antonioli die Argumentation des BVES.

 

Physik und Preise stimmen nicht überein

 

Im Zentrum der Diskussion steht aber die Frage, welchen Netznutzen Großbatteriespeicher in einer marktlichen Fahrweise haben. Während die Bundesnetzagentur "überhaupt keinen Beitrag" sieht, sehen die Speicherprojektierer das Problem vielmehr im Marktdesign. "Der zentrale Denkfehler der Bundesnetzagentur beim Thema Speicher liegt in der Annahme, dass Speicher keine Gegenleistung für das Netz erbringen würden", erklärte Deuchert. Denn durch das atypische Verhalten von Speichern im Netzsystem sei immer auch eine netzdienliche Komponente enthalten. "Wenn sich die Physik im Preis widerspiegelt, sind Speicher immer netzdienlich", so Deuchert weiter. Und da der Preiszonensplit politisch nicht gewollt werde, müsse stattdessen über Preissignale wie zum Beispiel lokale Flexibilitätsmärkte nachgedacht werden. "Die Behauptung, dass es einen grundsätzlichen Gegensatz zwischen einer marktlichen und einer netzdienlichen Fahrweise von Speichern gibt, ist falsch und geht am Kernproblem vorbei", schlussfolgerte Deuchert.

 

Ähnlich argumentiert auch BVES-Geschäftsführer Urban Windelen: "Die Netzentgeltreform soll das fehlende neue Strommarktdesign ersetzen. Es rächt sich der fehlende politische Mut der vergangenen Jahre, die Energiemärkte grundsätzlich den neuen Anforderungen anzupassen." Windelen, Deuchert und Antonioli äußerten gegenüber energate unabhängig voneinander die Sorge, dass der marktlich getriebene Speicherhochlauf zu einem Ende kommen könnte, wenn künftig der Leistungspreis bei den Netzentgelten zu zahlen sei. Deuchert verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass die Leistungspreise bei unter 2.500 Volllaststunden die kompletten Capex-Kosten eines Großspeichers überstiegen. Bei über 2.500 Volllaststunden wäre ein Leistungspreis von 192 Euro/kW fällig. "Das ist über die Lebensdauer eines Speichers mehr als der Umsatz, den wir für eine Anlage erwarten", erklärte der Kyon-Fachmann.

 

Staatlich organisierter Speicherbetrieb als reelle Gefahr?

 

Fraglich sei auch, wie die Netzentgeltpläne mit den Ausbauplänen des Netzentwicklungsplans 2025-2037/2045 (NEP) Strom zusammenpassen. So sieht der gesetzlich vorgegebene Ausbaupfad B eine installierte Großspeicherleistung von 67.600 MW bis zum Jahr 2037 vor, was einem jährlichen Zubau von 6.000 MW ab dem Jahr 2026 entspricht. Wenn es aber mit der Neuregelung keinen Business Case für Speicherprojektierer mehr gäbe, müsste dieser Zubau komplett am Markt vorbei stattfinden, also über Ausschreibungen und den Besitz der Speicher bei den Netzbetreibern. "Das ist die reelle Gefahr, die wir als Speicherbetreiber sehen, dass wir von einem marktlichen zu einem staatlich organisierten Speicherzubau umschwenken, wenn die Vorstellungen der Bundesnetzagentur so umgesetzt werden", führte Deuchert aus. Dann würden die Anlagen aber keinen Beitrag mehr zur Marktstützung leisten, soweit sie vom Netzbetreiber genutzt werden. "Dann hätten wir ein Speicherportfolio in Deutschland, das lokale Netzengpässe lindert, aber überhaupt keinen Effekt auf Preisdämpfung und Versorgungssicherheit hat, denn das wäre regulatorisch ausgeschlossen", warnte Deuchert. 

 

"Wir brauchen eine Definition von Netzdienlichkeit"

 

"Was es jetzt braucht, ist eine Netzentgeltsystematik, die Flexibilität belohnt, Komplexität reduziert, Innovationen ermöglicht - und dabei nicht nur die Kosten verteilt, sondern sie auch senkt", forderte Windelen. Für Antonioli steht hingegen die Planungssicherheit im Zentrum der Sorgen. Wer heute ein größeres Speicherprojekt plane, kann mit einer Inbetriebnahme häufig erst im Jahr 2029 rechnen. "Gelten dann die Regeln von heute oder morgen? Als Entwickler muss ich das wissen, der Business Case ist völlig unterschiedlich", so Antonioli. Auch deshalb forderte der Branchenverband BDEW in einem eigenen Diskussionspapier zur neuen Netzentgeltsystematik Kontinuität beim Bestandsschutz und den Erhalt von Privilegierungsbeständen. Und noch eine Sache liegt Antonioli am Herzen. "Wir brauchen eine deutschlandweit gültige Definition von Netzdienlichkeit. Schon heute beobachten wir einen Flickenteppich der verschiedenen Auslegungen durch die Netzbetreiber." Er wünscht sich daher eine Definition, die von der Bundesnetzagentur vorgegeben wird. Nur so könne sichergestellt werden, dass die Vielzahl von Netzbetreibern einheitlich arbeiten würden und langwierige Verständnisprozesse ausblieben. /rh

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