Anträge für Batteriespeicher sprengen alle Dimensionen
Berlin (energate) - Der Anschlussbedarf für Großbatteriespeicher in Deutschland erreicht bislang unbekannte Dimensionen. Der Energieverband BDEW hat die vier Übertragungsnetzbetreiber und 17 große Verteilnetzbetreiber befragt, die zusammen rund die Hälfte des deutschen Stromnetzes betreiben. Ergebnis: Es liegen Netzanschlussanträge für Speicheranlagen ab 1 MW Bruttoleistung mit einer Gesamtleistung von über 720 GW vor. Bereits zugesagte Netzanschlüsse belaufen sich auf mindestens 78 GW. Die Zahlen gelten laut BDEW als Momentaufnahme. Der Verband fordert schnelle Reformen.
Klar dürfte aber sein, dass nicht hinter all diesen Anfragen ernsthafte Absichten stecken, sondern sogenannte Zombieprojekte oder Phantomanfragen. Damit sind Netzanschlussanträge für Großbatteriespeicher gemeint, die zwar gestellt werden, aber ohne konkrete Baupläne oder Finanzierung. Sie dienen oft der Spekulation, um Optionen offenzuhalten oder Marktchancen auszuloten, und blockieren Netzkapazitäten. Der BDEW schreibt, dass mindestens 50 Prozent aufgrund von Mehrfachanfragen oder Spekulation nicht realisiert werden.
Die insgesamt angefragte Leistung entspreche dem Verband zufolge mehr als dem Zweieinhalbfachen der aktuell installierten Erzeugungsleistung in Deutschland von 263 GW, einschließlich aller erneuerbaren und konventionellen Kraftwerke. Bezogen auf die Netzübertragungsfähigkeit liegen die Anfragen beim Neunfachen der derzeitigen Jahreshöchstlast der Übertragungsnetze von rund 80 GW. Auch die langfristigen Planungen des Netzentwicklungsplans Strom (NEP) werden übertroffen: "Die in den Szenarien A und B für 2037 und 2045 geplanten installierten Leistungen von Großbatteriespeichern werden mit den vorliegenden Netzanschlusszusagen in Höhe von 78 GW bereits überschritten", schreibt der BDEW.
BDEW fordert neue Regeln
"Die Netzanschlussbegehren für Großbatteriespeicher sind so stark gestiegen, dass es hier neuer Regeln bedarf", erklärte Verbandschefin Kerstin Andreae. Es müsse sichergestellt werden, dass auch andere Netzkunden zu ihrem Recht kommen. Sie verwies auf die zunehmende Knappheit von Netzkapazitäten in hohen und mittleren Spannungsebenen, die auch von Großverbrauchern wie Rechenzentren, Großwärmepumpen, Ladeinfrastruktur und Industrie beansprucht werden. Speicher seien zwar ein unverzichtbarer Bestandteil des Energiesystems, müssten sich aber "in das Gesamtsystem einfügen".
Andreae fordert eine schnelle Anpassung der regulatorischen Rahmenbedingungen. Dazu gehöre "in einem ersten Schritt eine zügige Anpassung der Kraftwerksnetzanschlussverordnung (KraftNAV), bei der Großbatteriespeicher mit einer Nennleistung ab 100 MW künftig ausgenommen werden". Pumpspeicherkraftwerke sollten dagegen wegen ihrer geringen Anzahl "unbedingt weiter unter die KraftNAV fallen".
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hatte jüngst schnelle Änderungen bei Netzanschlussverfahren im Stromnetz angekündigt. Sie stellte unter anderem eine schnelle Revision der KraftNAV in Aussicht. Noch vor Jahresende sollen große Batteriespeicher herausgenommen werden. Dass das passiert, hatte bereits der Bundesrat in einer Initiative gefordert und sich Ende September auf einen entsprechenden Antrag verständigt. Sollten Batteriespeicher aus der KraftNAV herausfallen, würde ihr Anschluss über das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) geregelt werden, zumindest, falls es keine Folgeregelung gibt.
Netzkapazität nach volkswirtschaftlichen Kriterien vergeben
Der BDEW fordert zudem, dass transparente Netzanschlussverfahren etabliert werden, die die aktuelle Knappheit besser berücksichtigen als das bisherige "First-come-first-served"-Prinzip, auch bekannt als Windhund-Prinzip. Netzkapazität solle nach volkswirtschaftlichen Kriterien vergeben werden, wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt. Auch Überbauung, flexible Netzanschlussvereinbarungen und Reservierungsverfahren sollten künftig eine größere Rolle spielen.
Auf ein konkretes Verfahren, etwa über Auktionen, hat sich der BDEW noch nicht festgelegt. Es gebe verschiedene Möglichkeiten, die in den unterschiedlichen Situationen vor Ort jeweils ihre Berechtigung haben, erklärte eine Sprecherin gegenüber energate. "Die Anwendung eines Versteigerungsmodells würde aus Sicht des BDEW noch eine weitere rechtliche Prüfung im Hinblick auf die geltenden Vorgaben des EnWG, insbesondere im Einvernehmen mit der Bundesnetzagentur, erfordern", sagte sie. Schlussendlich sei die Wahl des Verfahrens eine politische Entscheidung.
Der BDEW arbeitet nach eigenen Angaben an einem Instrumentenmix, der einen volkswirtschaftlich sinnvollen Umgang mit Netzrestriktionen ermöglicht und gleichzeitig den Hochlauf neuer Technologien unterstützt.
Spekulative Projekte verhindern Ausbau systemrelevanter Vorhaben
Auch eine kürzlich vorgestellte Studie der Elia-Gruppe, Muttergesellschaft des Übertragungsnetzbetreibers 50 Hertz, fordert ein Ende des bisherigen "First-come-first-served"-Prinzips bei Netzanschlüssen. Laut 50-Hertz-Geschäftsführer Dirk Biermann habe dieses Verfahren zusammen mit hohen Erlöserwartungen und sinkenden Investitionskosten eine Antragsflut ausgelöst. Viele spekulative Projekte würden den Ausbau systemrelevanter Vorhaben blockieren und hohe volkswirtschaftliche Kosten verursachen.
Dass es neue Regeln für den Netzanschluss braucht, wurde auch auf dem energate-Forum "Energieinfrastruktur im Wandel" in Berlin deutlich. Die Regularien für die Netzinfrastruktur stehen vor einem fundamentalen Umbruch, war dort der Tenor. /mh