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AgNes: BNetzA startet große Netzentgeltreform

Bonn (energate) - Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat mit dem Prozess zur Neugestaltung einer allgemeinen Netzentgeltreform begonnen. Ihr Ziel ist es, die Grundsätze der Netzkostenverteilung an die Herausforderungen und neuen Realitäten der Energiewende anzupassen. Dazu konsultiert die BNetzA ein erstes Diskussionspapier mit möglichen Anpassungsoptionen - darunter die Einführung von Einspeiseentgelten, geänderte Baukostenzuschüsse, ein neuer Grundpreis für alle bis hin zu bundeseinheitlichen Verteilnetzentgelten.

 

"Wir müssen das System reformieren, nach dem Netzentgelte erhoben werden", stellte der Präsident der Bundesnetzagentur Klaus Müller klar. Als oberste Prämisse gelte, die allgemeinen Netzentgeltkosten zu senken. Ein Ziel, das bei der neuen Bundesregierung auf Unterstützung treffen dürfte, schließlich haben es die Netzentgelte auch in den Koalitionsvertrag geschafft. Dort heißt es, die Stromnetzentgelte seien "dauerhaft zu deckeln". Die konkrete Umsetzung liegt jedoch seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs nicht bei der Bundesregierung, sondern bei der Bundesnetzagentur.

 

Ziel: Kosten fairer verteilen

 

Ein erster Ansatz, um die Kosten gerechter zu verteilen, besteht darin, die Kostenträgerbasis für die Netznutzung zu erweitern. "Die Zahl der Nutzer wird immer kleiner, die in voller Höhe Entgelte zahlen", warnte Müller. Gleichzeitig steigen jedoch die Netzkosten - die Verteilung wird also immer ungerechter. Ein Umstand, der dadurch erklärt wird, dass in Deutschland Netzentgelte derzeit ausschließlich von letztverbrauchenden Netzkunden gezahlt werden. Die dezentrale Einspeisung aus erneuerbaren Energien steigt währenddessen kontinuierlich an, in der Folge entsteht ein hoher Netzausbaubedarf und kostenintensive Redispatch-Maßnahmen. Genau an diesem Punkt setzt die Bundesnetzagentur an und diskutiert in dem Papier die Einführung von Einspeiseentgelten.

 

"Gerade in Netzen, in denen Einspeisung netzdimensionierend wirkt, würden somit zusätzliche Einnahmen generiert und die Netzentgelte für Letztverbraucher sinken", argumentiert die Behörde in dem Papier. Dies würde auch dazu führen, dass der Umverteilungsmechanismus zwischen Regionen mit starker Erneuerbarenerzeugung und verbrauchsdominierten Verteilnetzen in geringerem Umfang nötig wäre. Gleichzeitig würden durch den zusätzlichen Finanzierungsbeitrag der Einspeiser für die Netzbetreiber finanzielle Anreize entstehen, Erneuerbarenanlagen möglichst schnell anzuschließen.

 

Dabei diskutiert die Bundesnetzagentur verschiedene Modelle über den Umfang der Kostenbeteiligung von Einspeisern. Vorstellbar sei etwa eine "paritätische Kostenbeteiligung zwischen Verbrauchern und Einspeisern", wodurch die bundesweiten Gesamtkosten in Höhe von 33 Mrd. Euro über Einspeiseentgelte hälftig mitfinanziert werden müssten. Ein anderes Modell könne eine Beteiligung an den Kosten für Systemdienstleistungen sein, bei deren Entstehung den Einspeisern eine besondere Verantwortung zukommt. Dazu zählen etwa Redispatch-Maßnahmen oder Regelleistung. Dieses Modell beziffert die BNetzA für das Jahr 2025 auf 7,3 Mrd. Euro. Auch Baukostenzuschüsse (BKZ) werden als Ergänzung oder Alternative zum Einspeiseentgelt betrachtet. Während die Behörde BKZs in dem Papier sehr offen diskutiert, hat Klaus Müller seinen Standpunkt in der Vergangenheit bereits mehrfach klargemacht und BKZs für alle Einspeiser gefordert. Mit BKZs will die Behörde überdimensionierte Netzanschlüsse verhindern und so die Netzausbaukosten verringern - also ein Aspekt, der auch hinsichtlich der Steuerungssignale Relevanz hat.

 

Verpflichtender Grundpreis für alle?

 

In diesem Zusammenhang stellt die Bundesnetzagentur auch die Frage nach der Einführung eines verpflichtenden Grundpreises. Derzeit sind alle Netzentgeltkomponenten oberhalb der Niederspannung entnahmeabhängig. "Zusätzliche Entnahme wird mit Entgelten belastet, obwohl die Entnahme nicht zwingend zusätzliche Kosten verursacht", argumentiert die Behörde. Ihr Lösungsvorschlag: Eine zusätzliche pauschale Zahlung, etwa ein anschlussbezogener Grundpreis. Dies würde "strukturbedingte Kosten sachgerechter reflektieren, ohne dabei Fehlanreize durch eine Übergewichtung der Entnahme bzw. Kapazität zu setzen". Eine Einzelfallbetrachtung wäre in diesem Kontext nicht vorgesehen, stellt die Bundesnetzagentur für dieses Modell klar. Zustimmung erhielt dieser Vorschlag in einer ersten Einschätzung durch den Stadtwerkeverband VKU. Der VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing betonte, dass bei der Finanzierung der Stromnetze künftig der Grundpreis eine stärkere Rolle erfahren müsse. 

 

Mehr Flexibilität durch dynamische Netzentgelte

 

Unglücklich ist man in Bonn auch über fehlende Steuerungssignale über den Ort und Betrieb von Erneuerbarenanlagen. "Wir haben keine ausreichend wirksamen Signale, wie und wo Anlagen kostengünstig betrieben werden können, um einen unnötig teuren Ausbau der Netze zu vermeiden", betonte Müller. Die Lösung für die Betriebsfrage könnten demnach dynamische Netzentgelte sein. Die bereits existierenden individuellen Netzentgelte nach Paragraf 19 Abs. 2 StromNEV seien demnach lediglich als "erste Vorform dynamischer Netzentgelte" zu verstehen, heißt es in dem Papier.

 

Die Idee hinter einer Dynamisierung ist, dass ökonomisch optimale Netzentgelte die Knappheiten der Netze in ein zeitlich differenziertes lokales Preissignal übersetzen. Die kurzfristigen Grenzkosten des Netzes bei zusätzlichem Stromverbrauch sind dabei zeitlich und örtlich variabel. Zugleich stellt die BNetzA im Diskussionspapier aber zahlreiche Fragen und Herausforderungen heraus, die mit "echten" dynamischen Netzentgelten zusammenkämen. So würde eine Dynamisierung der Netzentgeltsystematik die Komplexität für Verbraucher, Lieferanten, Messstellenbetreiber und Netzbetreiber erhöhen. Je stärker eine Dynamisierung ausgestaltet wird, desto höher sind die Anforderungen an Digitalisierung, Kommunikation und Prognosefähigkeit der Netzbetreiber - Aspekte, in denen Deutschland noch immer stark hinterherhinkt. Entsprechend skeptisch bewertet Liebing Überlegungen zu einer stärkeren Dynamisierung der Netzentgelte. Dabei komme es darauf an, keine weiteren Komplexitätsfallen zu schaffen. "Dynamische Netzentgelte müssen so einfach wie möglich ausgestaltet werden", so der VKU-Hauptgeschäftsführer. Insgesamt betonte Liebing jedoch, dass die vorgeschlagenen Anpassungsoptionen zu einer besseren Kostenverteilung führen könnten.

 

Neben dynamischen Netzentgelten sind auch bundeseinheitliche Netzentgelte im Verteilnetz für die Bundesnetzagentur eine Option. Ähnlich wie bei den dynamischen Netzentgelten befürchtet die Behörde bei der Einführung jedoch Umsetzungsprobleme. Denn anders als im Übertragungsnetz, wo die Koordination nur auf vier Netzbetreiber beschränkt sei, sind im Verteilnetz 866 Verteilnetzbetreiber involviert.

 

Ende der Netzentgeltprivilegierung für Speicher?

 

Ein eigener Abschnitt im Papier adressiert die Speicher. Bislang gilt für Großspeicher eine Netzentgeltprivilegierung, da sie nur im Hinblick auf die Entnahme und den Verbrauch von Elektrizität entgeltpflichtig sind. Aus Sicht der Bundesnetzagentur findet jedoch auch beim Bezug aus dem Netz, aber auch bei der Ausspeisung in das Netz eine Netznutzung statt. "Grundsätzlich sollte diese, genau wie jede andere Nutzung eines vermögenswerten Gutes auch, zu bezahlen sein", stellt die Behörde ihren Standpunkt klar. Da die Privilegierung der Speicher zum Ende 2028 ausläuft, will die Behörde nun Planungssicherheiten schaffen - auch weil die Netzentgeltprivilegierung bislang sehr uneinheitlich gehandhabt wird. "Für das Stromsystem wäre es sinnvoll, ein Netzentgeltregime für Speicher zu finden, welches das Agieren an Strom- und Systemdienstleistungsmärkten so wenig wie möglich einschränkt und gleichzeitig einen kostenreflexiven Finanzierungsbeitrag für das Netz erbringt", bilanziert das Papier. Konkret hieße das, dass der Finanzierungsbeitrag für Speicher niedriger ausfallen könne, desto geringer die Kosten sind, die sie verursachen. /rh

 

Das Diskussionspapier kann hier heruntergeladen werden. Stellungnahmen können bis zum 30. Juni 2025 abgegeben werden.

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